Jerichow

Originaltitel
Jerichow
Jahr
2008
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 11. Juni 2010

Wie in unserem Jahresrückblick bereits erwähnt worden ist, war das vergangene Jahr kein besonders prickelndes für das deutsche Kino. Mit großer Sehnsucht wartete man auf eine besondere Handschrift oder eine eigene Vision. Umso erfreulicher, dass das neue Jahr gleich mit einem wunderbaren deutschen Autorenfilm beginnt. Die Rede ist vom neuen Christian Petzold-Film "Jerichow".

In "Jerichow" trifft der ehemalige Bundeswehrsoldat Thomas (Benno Fürmann) auf Ali (Hilmi Sözer), den Besitzer einiger Imbissbuden. Als Ali der Führerschein für ein Jahr entzogen wird, braucht er einen Fahrer, und da Thomas gerade arbeitslos ist und das Geld gut gebrauchen kann, sagt er sofort zu, als Ali ihm den Job anbietet. An seinem ersten Arbeitstag lernt Thomas auch Alis Ehefrau Laura (Nina Hoss) kennen. Zögerlich und widerwillig verlieben sich Thomas und Laura ineinander. Sie versuchen ihre Affäre vor Ali zu verheimlichen, der von Zeit zu Zeit aus purer Eifersucht seine Frau verfolgt und beobachtet.

Ali, Thomas und Laura - Es ist ein fatales Liebesdreieck, welches Christian Petzold in seinem existenzialistischen Thriller entfaltet. Das Drehbuch orientiert sich lose an dem Roman "Wenn der Postmann zweimal klingelt" von James M. Cain, dessen Werk maßgeblich den Film-Noir beeinflusst hat. "Wenn der Postmann zweimal klingelt" wurde bereits dreimal verfilmt. Das erste Mal 1946 in den USA mit dem deutschen Titel "Im Netz der Leidenschaften". Danach wagte sich der italienische Regisseur Luchino Visconti 1953 an den Stoff und schuf mit "Ossessione" ein Meisterwerk des italienischen Neorealismus. Die dritte Adaption von 1981 unter der Regie von Bob Rafelson mit Jack Nicholson und Jessica Lange wartete mit einer damals hochskandalösen Sexszene auf. Aber Christian Petzold, und das ist ihm hoch anzurechnen, entfernt sich deutlich von beiden filmischen Vorbildern und überträgt die Geschichte vom hinterhältigen Komplott eines leidenschaftlichen Liebespaares gegen den betrogenen Ehemann in die soziale Wirklichkeit des heutigen Ostdeutschlands.
Es ist ein Gebiet, das man aus Petzolds Filmen schon kennt, wie aus seinem letzten Film "Yella", in dem Nina Hoss eine junge Frau spielt, die aus dem trostlosen ostdeutschen Wittenberge ihr Glück in Westdeutschland sucht. Doch die Landschaft ist in "Jerichow" viel mehr als bloße Kulisse für einen spannenden Film. Der Kameramann Hans Fromm leistet überwältigendes, in dem er auf grandiose Weise das Mecklenburg-Vorpommer'sche Durchfahrtsland und die dazugehörigen Kleinindustriegebiete fotografiert und sie wie ein mystisch aufgeladenes Traumland aussehen lässt. Selbst die Ostsee sieht hier eher aus wie ein vergessener Teil des Mittelmeeres. So entwickeln diese Landschaftspanoramen ein märchenhaft fiebriges Eigenleben, wie dies auch schon mit dem Berliner Tiergarten in Petzolds "Gespenster" der Fall war. Aber Petzold bildet die Realität nicht einfach ab. Vielmehr erschafft er sie mit seinen Bilderwelten nochmal völlig neu. Und so simpel, wie sich die Inhaltsangabe zu "Jerichow" anhört, ist das Liebesdreieck bei weitem nicht.
Schließlich erzählt Petzold von drei Menschen, die sich von den Geistern der Vergangenheit losreißen wollen, sich aber durch ihr Handeln die Möglichkeit einer besseren Zukunft verbauen. Da ist zum einen Ali, der Immigrant aus der Türkei, der sein hiesiges Leben wegwerfen will. Seine gekaufte Frau, sein Imbissbudenimperium, seine ganzes Migrantenleben in Deutschland, den Schmerz, die Verachtung und den Widerstand einer Gesellschaft, die seinen bisherigen Weg so erschwert hat. Genauso wie Thomas sich nicht mehr zurecht findet, nach seiner unehrenhaften Entlassung beim Bund, nach dem Tod seiner alten Mutter, ohne Geld und ohne gar nichts. Auch er sucht nach einem rettenden Ufer. Und schließlich ist da noch die lange Zeit mysteriös stumme Laura, die aber auch kein richtiges Leben leben kann. Schulden trieben sie in Alis Arme, und ein seltsam unbestimmtes Gefühl der Liebe treibt sie nun in die Hände von Thomas. Doch von ihm kann sie sich keine bessere Lebensqualität erhoffen. Das scheint sie zu wissen. Einmal sagt sie zu Thomas: "Sieh dich doch an. Du lebst wie ein Penner." Und dennoch wollen sie zusammen bleiben. Es scheint für sie das Richtige zu sein.
All das wird nie gesagt, wie überhaupt in "Jerichow" sehr sparsam und lakonisch gesprochen wird. Was wiederum wenig wundert, wenn Petzold in einem Interview sagt: "In den meisten Filmen sind 50 Prozent der Dialoge vollkommener Unsinn". Auch die genaue Geschichte der Figuren werden wir als Zuschauer nie erfahren (z.B. warum Thomas als Soldat entlassen worden ist). Und doch ist die gesamte Vorgeschichte der Charaktere auf magische Weise in allen Szenen präsent.

Dass "Jerichow" funktioniert, liegt auch an den wunderbaren Darstellern, wie Benno Fürmann, der endlich mal wieder zeigen darf, dass er nicht nur durch große Event-Filme stolpern kann. Nina Hoss verkörpert Laura gewohnt kalt und introvertiert, was mittlerweile zu ihrer Visitenkarte geworden ist. Doch bei aller Bewunderung für Hoss' Qualitäten; was der fulminante Hilmi Sözer als Ali hier präsentiert und leistet, ist schlicht und einfach unvergesslich.

Christian Petzold hat einen düsteren Film gedreht. Ein Film über gescheiterte Seelen, die sich nur noch an einer hoffnungslosen Phantomliebe festhalten. Der Regisseur beweist damit eindringlich, dass er zu Recht als der zurzeit beste deutsche Autorenfilmer angesehen werden darf. "Jerichow" ist jetzt schon das erste große deutsche Kinohighlight des Jahres.


2
2/10

9 Punkte für diesen miesen film? Nie im Leben!!!

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3
3/10

deutsches kino ist nicht jedermanns sache

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1
1/10

sorry- völlig überbewertet. total arg konstruierte dreiecksgeschichte - völlig unglaubwürdig und einfach nur schlecht. verstehe die guten rezensionen für den film nicht. nicht mein ding!

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