McG kommt aus einem Business, in dem alles ganz schnell gehen muß. Als Regisseur in der bunten Welt von Werbung und Videoclips hat man nicht mehr als 30 Sekunden respektive dreieinhalb Minuten Zeit, um rüber zu bringen, was auch immer man rüber bringen will. Vielleicht hat der gute Mann auch deshalb so ein knackig kurzes Pseudonym gewählt. Ganz sicher jedoch haben diese Erfahrungswerte auf sein Regiedebüt abgefärbt, die Verfilmung der Kult-Krimiserie aus den Siebzigern. Denn hier geht alles sehr, sehr schnell.
Es dauert etwa dreißig Sekunden, bis der Film klar gemacht hat, welchen Ton er anschlägt: In der Eröffnungssequenz wird auf recht unkonventionelle Weise eine Bombe aus einem Flugzeug entfernt. Auf dem Fernseher in der ersten Klasse läuft „T.J. Hooker – The Movie“. Den gibt es natürlich nicht, aber diese Anspielung auf die Polizeiserie mit Toupé-Träger William Shatner, die aus heutiger Sicht ähnlich amateurhaft-amüsant wirkt wie „Drei Engel für Charlie“, macht sofort klar, daß dieser Film weder sich noch seine Vorlage für auch nur eine Sekunde ernst nehmen wird. Womit der Weg frei ist für die beste Actionkomödie seit Jahren.
Es dauert etwa drei Minuten, um jegliche Skepsis seitens des Publikums in lautes Gelächter und aufgerissene Augen zu verwandeln. Dann ist die besagte Eröffnungssequenz (schon ein Spektakel sondergleichen) vorbei und die drei Engel wurden auf schwungvolle und herrlich selbstironische Art vorgestellt. Wer auch immer daran gezweifelt hat, ob diese Verfilmung eine gute Idee war und das Projekt nicht vielleicht fürchterlich baden gehen würde, ist bereits jetzt eines besseren belehrt worden. Denn es wäre echt eine Schande gewesen, hätte dieser Film nie das Licht der Welt erblickt.
Es dauert anschließend etwa 90 Sekunden, um die Exposition für die eigentliche Handlung über die Bühne zu bringen. Die drei Engelchen werden ins Büro zitiert (das auch genau so aussieht wie damals im Fernsehen), telefonieren mit ihrem mysteriösen Boss Charlie über den bekannten weißen Lautsprecher (der Running Gag der Serie: Der Millionär, dem die Detektiv-Agentur „Charlie’s Angels“ gehört, war nie wirklich zu sehen) und werden auf ihren nächsten Auftrag eingestimmt: Das junge Computergenie Eric Knox ist entführt worden, und mit ihm eine extrem wertvolle Spracherkennungs-Software, welche die unverwechselbare Stimme jedes einzelnen Menschen unterscheiden kann und somit, in Verbindung mit einem guten Satelliten-Netzwerk und dem Telefonsystem, als weltweites Peilgerät einsetzbar ist. Besonders verdächtig: Knox‘ Rivale Roger Corwin, der das nötige Satellitensystem besitzt, aber vergeblich versucht hatte, die Software zu kaufen. Und so machen sich die Engelchen mit Charlie’s rechter Hand Bosley an ihrer Seite und vielen hübschen Kostümen im Koffer an die Arbeit, mit ihrer ganz persönlichen Note.
Es war anzunehmen, daß die Story bei diesem Film nur ein dünnes Vehikel sein würde. Umso erfreulicher ist dann die tatsächliche Entwicklung, denn der Plot bleibt nicht so platt und unüberraschend, wie es zunächst den Anschein hat. Wäre aber auch nicht schlimm gewesen, denn das eigentliche Erlebnis dieses Films sind, natürlich, die Engel (und für unsere männlichen Leser: Ja, es gibt lecker was zu gucken. Es gibt kaum eine Szene, in der nicht mindestens eine der Damen mit einem einladenden Ausschnitt vom Geschehen ablenkt): Man tat gut daran, nicht die alten Charaktere zu übernehmen (wer könnte auch Farrah Fawcett oder Kate Jackson ersetzen?), sondern den drei flippigen Hauptdarstellerinnen perfekte Rollen auf den Leib zu schreiben.
So verzückt Cameron Diaz mit ihrer natürlichen Niedlichkeit das Publikum als Natalie, die in ihrem Herzen ein naiver zappeliger Teenager mit Zahnspange geblieben ist. Drew Barrymore als unbeholfene Dylan wäre gerne die beinharte Männerfresserin, nur sieht es nachher immer so aus, als hätten die Männer sie gefressen. Und Lucy Liu darf als Alex ein weiteres Mal als unverschämt stilvolle Grazie mit Domina-Tendenz glänzen. Gemeinsam erzeugen die drei eine Leinwandchemie, die vor Spielfreude und Harmonie nur so überläuft, und sämtliche Gerüchte über Querelen während der Dreharbeiten ad absurdum führt.
Und auch die Nebenrollen tragen entscheidenden Anteil an dem Nonstop-Vergnügen, daß sich hier entfaltet: Bill Murray weiß die latente Homoerotik, die Bosley schon immer umgeben hat, mit perfektem Feingefühl umzusetzen, und sorgt zwischendurch für einige der besten Lacher des ganzen Films. Matt LeBlanc darf als Freund von Alex seine Rolle aus „Friends“ aufwärmen, und Crispin Glover als schweigsamer Haar-Fetischist ist der stille Star dieses grandiosen Spaßes.
Warum der vollkommene Verzicht auf jegliche Ernsthaftigkeit so ein gelungener Schachzug war, wird vor allem in den sehr zahlreichen Action- und Prügelszenen deutlich (mal ganz abgesehen davon, daß sich hier ein weiteres Mal zeigt, wie sehr „Matrix“ manche Leute beeindruckt haben muß): Spektakulärste Stunts wild durch die Lüfte wirbelnder Körper hätten in ihrer gnadenlosen „Over the top“-Manier andernorts für heftiges Kopfschütteln gesorgt, hier passen sie perfekt ins Konzept. Der augenzwinkernde Humor und die hemmungslose Übertreibung wurden schließlich schon nach dreißig Sekunden als einzig probate Mittel festgelegt. „Drei Engel für Charlie“ hat sich mit Haut und Haaren der perfekten Unterhaltung seiner Zuschauer verschrieben, und erreicht dieses Ziel nicht nur ohne Beanstandung, sondern auch noch mit Auszeichnung und besonderer Erwähnung. Entertainment Magnum cum laude, sozusagen.
Während die brillanten Actionsequenzen kräftig die Augen füttern, wird das Zwerchfell durch pausenlose Character-Gags der Engelchen auf Trab gehalten, die in ihrer frechen Direktheit immer wieder den Spannungsbogen durchbrechen und in Momenten der Aufregung für ein herzhaftes, befreites Lachen sorgen. Beispiel: Wenn die schüchterne Natalie mitten in einer Observierung auf einer Party mit dem Barkeeper flirtet und dafür auch noch über den Knopf im Ohr Tips von ihren beiden Kolleginnen bekommt, ist das schon ein echter Brüller. Wenn dann in den ersten Ausläufern des Showdowns in brenzliger Situation ihr Handy klingelt, eben jener Barkeeper dran ist und sich Natalie in Sekundenbruchteilen in einen kichernden Teenager verwandelt, dann bebt der ganze Kinosaal. Simply hilarious.
Es dauert 93 Minuten, bis der Film auf die Bremse tritt und von seinem irrwitzigen Tempo wieder runter kommt, sich verabschiedet von den sich überschlagenden Eskapaden aus Action und Gags und dem Feuerwerk purer und bester Unterhaltung. Denn dann rollt die zweite Hälfte des Abspanns über die Leinwand (die erste Hälfte sollte man sich auf jeden Fall noch ansehen), und dann ist der unbestritten spaßigste Blockbuster dieses Jahres leider schon vorbei. Da waren sich auch die anwesenden Filmszene-Redakteure absolut einig. Zitat eines Kollegen: „Also, wenn von all den Popcorn-Streifen dieses Jahr einer wirklich Ärsche getreten hat, dann ja wohl der hier.“ Dazu kann man nur noch eines sagen: Richtig.
„Drei Engel für Charlie“ ist genau der Film, der „M:I-2“ und Konsorten gerne gewesen wären: Eine wilde Achterbahnfahrt von der ersten bis zur letzten Sekunde, die mit geradezu zauberhafter Leichtigkeit einen entwaffnenden Charme und unverwechselbaren Stil an den Tag legt, und für den Rest des Tages für ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht sorgt. Das ist uns schon neun Augen wert.
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