Sound of Metal

Originaltitel
Sound of Metal
Land
Jahr
2019
Laufzeit
120 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 23. März 2021

Es beginnt mit einem Metal-Konzert von infernalischer Intensität: Der Schlagzeuger Ruben (Riz Ahmed) performt als Zwei-Personen-Band gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Lou (Olivia Cooke) Musik, die den Lärm zum Akt der Selbstbefreiung erhebt. Doch dieser Lärm, der Rubens ganzes Leben ausmacht, wirft es bald völlig über den Haufen. Eines Tages wacht Ruben mit einem enervierend hohen Pfeifen im Kopf auf. Kurz darauf nimmt er die Welt nur noch als ein dumpf klingendes Etwas wahr und kann seine Mitmenschen nicht mehr richtig verstehen. Ruben hat schlagartig fast komplett sein Hörvermögen eingebüßt. Eine Erfahrung, mit der verständlicherweise nicht sehr gut klarkommt. 

Die erste halbe Stunde von "Sound of Metal" ist nur schwer zu ertragen, gerade weil es dem Film so brillant gelingt, Rubens Erfahrung für seine Zuschauer fühlbar zu machen: Mit einem herausragenden Sound-Design taucht der Film immer wieder in Rubens Wahrnehmung ein und lässt das Publikum das hören, was Ruben hört - oder eben nicht hört. So leidet man mit Ruben durch diese plötzliche, schier unerträgliche Veränderung und kann seine Verdrängungsreaktionen ebenso wie seine panikartigen Verzweiflungsausbrüche nur zu gut nachvollziehen. Es ist auch mehr als begreiflich, wie sehr Ruben sich in dieser Situation an den Hoffnungsschimmer klammert, dass er durch ein Cochlea-Implantat sein Hörvermögen zurückgewinnen könnte. Und wie sehr er mehr denn je auf den Rückhalt durch Lou angewiesen ist, denn der Film deutet schon bald an, wie wichtig ihre Beziehung für die beiden ist, um ihr Leben in Balance zu halten und ihre selbstzerstörerischen Tendenzen einzudämmen. 

Umso erschütternder ist es für Ruben, als ihm der Weg zu einer speziellen Einrichtung für Gehörlose gewiesen wird, wo er lernen soll, mit seiner Taubheit klarzukommen. Doch um sich selbst wieder aufrichten zu können in dieser neuen Wirklichkeit, die jetzt sein Leben ist, muss er zunächst alle Verbindungen zu seiner Vergangenheit aufgeben. Der Moment, in dem Lou Ruben allein lässt, weil sie weiß, dass es der beste Weg ist, wie sie ihm helfen kann, ist mehr als herzzerreißend. 

Ab hier beginnt Rubens langer und schwerer Weg, sich in seinem neuen Leben zurechtzufinden und sein neues Dasein zu akzeptieren - was nicht leicht ist, wenn er insgeheim die Hoffnung nicht loslassen kann, dass er irgendwie doch wieder dorthin zurück kann, wo er hergekommen ist: In ein gemeinsames Leben mit Lou auf der Bühne.

"Sound of Metal" ist ein wahrlich besonderer Film, der völlig zurecht für sechs Oscars nominiert wurde (u.a. als bester Film, für das beste Drehbuch, Ahmed als bester Hauptdarsteller und natürlich für den besten Ton). Denn zu keinem Zeitpunkt fühlt er sich irgendwie gekünstelt an oder vergießt als ein typisches "Leben mit Behinderung"-Drama lebensbejahenden Kitsch, um Rubens Situation unaufrichtig zu beschönigen. Frei von Klischees fängt der Film sowohl die Charaktere seiner Hauptfiguren als auch die spezifischen Besonderheiten seines Haupthandlungsortes - die vom tauben Joe (ebenfalls Oscar-nominiert als bester Nebendarsteller: Paul Raci) geleitete Einrichtung für Gehörlose - so präzise ein, dass man voll und ganz in diese authentische Welt eintaucht.

Dabei hilft auch vor allem das konsequente Verbleiben in Rubens subjektiver Wahrnehmung. Wenn alle um ihn herum Zeichensprache reden, versteht Ruben zunächst gar nichts, und der Zuschauer genauso wenig. In seinem Mittelteil bleibt "Sound of Metal" über weite Strecken stumm, denn genau das ist auch die Welt, in der er sich nun bewegt. 

Resultat ist ein Drama von seltener Intensität. Nur wenige Filme schaffen es, ihr Publikum so tief in die Erlebniswelt ihrer Protagonisten eintauchen zu lassen und es derart stark emotional zu involvieren. "Sound of Metal" geht in jeder Hinsicht tief, und man geht bis zur letzten Sekunde auf Rubens Reise mit. Wie gekonnt und klug er die filmischen Mittel Bild und Ton einsetzt, ist enorm beeindruckend, vor allem wenn man bedenkt, dass Regisseur Darius Marder hiermit sein Debüt abliefert. Diesen Namen sollte man sich merken. Und sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen.  

Bilder: Copyright

8
8/10

Danke filmszene für diese treffende Rezension, durch die ich überhaupt erst auf diesen feinen Film aufmerksam geworden bin und ihn jetzt endlich gesehen habe. Die Kritik trifft den Nagel auf den Kopf: Der Film umschifft alle Kitsch- und Klischeefallen gekonnt und zeigt ausnahmsweise mal nichts, was man schon in Hundert anderen Filmen gesehen. Erfrischend, einfühlsam und packend zugleich.

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