Es war eine wirklich sehr schwere Geburt. Mehr als ein Jahrzehnt brauchte es von der konkreten Idee bis zum fertigen Film über das Leben des „Queen“-Sängers Freddie Mercury. Die Kandidaten für die Hauptrolle gaben sich die Klinke in die Hand, die Ausrichtung der Biographie in Richtung Familienfreundlichkeit war stets umstritten. Doch genau so hat man es nun durchgezogen, obwohl kurz vor Drehschluss sogar nochmal der Regisseur ersetzt werden musste (Bryan Singer erhielt dennoch den vollen Regie-Credit). Auch wenn „Bohemian Rhapsody“ nur in wenigen Punkten die konventionellen Pfade eines typischen Biopics verlässt, fällt es dennoch schwer von dem, was geboten wird, nicht beeindruckt zu sein. Und das liegt vor allem an Hauptdarsteller Rami Malek und der phantastischen Inszenierung der Musik.
Zu Beginn der 70er Jahre träumt der junge Einwanderersohn Farrokh Bulsara (Rami Malek) davon, aus seinem kleinbürgerlichen Leben auszubrechen und die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen. Auch als sich die Gelegenheit ergibt in die Band des Gitarristen Brian May (Gwilym Lee) und seines Schlagzeugers Roger Tylor (Ben Hardy) einzusteigen, ist Farrokh damit keinesfalls zufrieden. Er will mehr und ist selbst nach dem ersten Hit nicht bereit einfach ein weiteres ähnliches Stück hinterherzuschieben. Stattdessen setzen er, der sich nun den Künstlernamen Freddie Mercury gibt und seine mittlerweile noch um den Bassisten John Deacon (Joseph Mazzello) ergänzte Band „Queen“ dazu an, mit einem geradezu unerhörten und noch nie dagewesenen Mix aus schwülstigem Pop und Klassik alle Regeln zu brechen. Gegen alle Wahrscheinlichkeit und Widerstände wird „Bohemian Rhapsody“ zum Superhit und „Queen“ gehören von da an zu den absoluten Topstars der Branche. Die Chemie in der Band wird dabei allerdings immer wieder durch Freddies Eigenwilligkeit und seinen wilden Lebensstil gestört. Und auch privat schlägt er schließlich einen anderen Weg ein, als er seiner langjährigen Freundin Mary (Lucy Boynton) gesteht, eigentlich auf Männer zu stehen.
Der Mythos, der sich um Freddie Mercury und „Queen“ rankt, hat zu einem guten Teil natürlich auch mit dessen frühem Tod aufgrund einer AIDS-Erkrankung zu tun. Zu einer Zeit, als solch eine Diagnose noch den sicheren Tod innerhalb weniger Jahre bedeutete, war Mercury sicher kein zufälliges Opfer dieser tückischen Krankheit, denn sein Lebensstil wird mit dem Begriff „ausschweifend“ vermutlich nur unzureichend beschrieben. Nachdem er sich irgendwann seiner Homosexualität gestellt und diese auch für sich selbst akzeptiert hatte, kannte Mercury nach allem was überliefert ist dann auch kein Halten mehr, schlief mit hunderten Männern und feierte Happenings, für die der Begriff „Orgie“ wohl mal erfunden wurde. Davon ist im Film nun nur wenig zu sehen, im Gegenteil macht sich Freddie hier so gezielt auf die Suche nach einem bestimmten Mann (dem er zuvor nur einmal kurz begegnet war), dass man eher an Monogamie denkt als an hemmungslosen Sex, Drogen und Alkohol.
Das ist es dann auch, was mit „familienfreundlich“ gemeint war und was z.B. einen Sacha Baron Cohen dazu brachte, bei so einem Drehbuch lieber auf die Rolle zu verzichten. Man darf die in diesem Aspekt zweifellos sehr weichgespülte Biographie dann auch durchaus kritisch betrachten, aber es ist auch eine andere Sichtweise zulässig. Denn „Queen“, das war schließlich nie die Realität, sondern immer die ganz große Show. Selbst seinen nahenden Tod inszenierte Mercury, indem er noch dafür sorgte, dass direkt danach der pompöse Song „The Show must go on“ veröffentlicht wurde. Freddie Mercury symbolisierte nach außen hin stets überlebensgroßes, absichtlich künstliches und mitunter auch kitschiges Entertainment. Nicht ohne Grund wurde die Band dafür von der seriösen Musikpresse entsprechend lange abgestraft und nicht ernst genommen. Wenn ein Film nun also genau diese Musik und Inszenierung abfeiert, dann darf man das schon so machen. Und es ist auch nicht so, dass der private Freddie nun völlig außen vor bliebe. Seine Trennung von Mary, der Kampf um die Anerkennung seiner sehr konservativen Eltern – all das bekommt hier durchaus Raum.
Und diesen Raum nutzt dann Rami Malek, auf den man durch seine fabulöse Darstellung der Hauptfigur in der Serie „Mr. Robot“ aufmerksam wurde. Schon die äußerliche Ähnlichkeit zu Mercury ist verblüffend, auch wenn da natürlich an einigen Stellen (vor allem bei den berühmten Zähnen) nachgeholfen werden musste. Aber auch in Sachen Gestik, Bewegung und Sprache (die Originalfassung ist hier natürlich zu empfehlen) kommt Malek dem Vorbild sehr, sehr nahe. Bemerkenswert aber auch, dass das Werk trotzdem keine reine Solo-Show seines Hauptdarstellers geworden ist, denn auch die einzelnen Bandkollegen werden gut charakterisiert und bekommen alle ein paar schöne und starke Szenen ab. Wie elementer auch May, Taylor und Deacon für den Erfolg waren, wird im Film an den Stellen deutlich in denen Mercury sich auf Solopfade begibt, weil er glaubt, dass er die Band nicht mehr braucht.
War da noch was? Oh ja, die Musik natürlich. Hier greift man größtenteils auf den Originalgesang von Freddie Mercury zurück und mixt ihn nur gelegentlich mit Maliks eigener Stimme. Dabei zeigt sich dann wie kraftvoll die Musik von „Queen“ nach wie vor ist und wie toll die einfach auf der großen Leinwand wirkt. Was den Machern auch selbst absolut bewusst ist, denn sie beenden ihren Film mit dem legendären Auftritt der Band beim „Live Aid“-Konzert von 1985 – und spielen diesen hier dann gleich in kompletter Länge nach! Das ist dann auch die inhaltlich ungewöhnlichste Entscheidung, denn so ausufernd viel Musik am Stück gibt es im Genre Biopic sonst doch eher selten zu sehen. Auch daran kann man herumkritteln und wissend anmahnen, dass dieser Auftritt doch noch lange nicht das Ende von „Queen“ darstellte und das Mercury von seiner schweren Erkrankung auch erst deutlich später erfuhr. Mag sein, aber dramaturgisch ist dieses Finale einfach perfekt und steht somit symbolisch für das was „Bohemian Rhapsody“ sein will: Eine Hommage an die ganz große Show und einen ihrer größten Entertainer.
Neuen Kommentar hinzufügen