Man durfte ja durchaus gespannt sein, was M. Night Shyamalan dem Publikum als nächstes präsentieren würde. Denn mit seinem letzten Film „The Visit“ hatte der einst für „The Sixth Sense“ als Genie gefeierte Regisseur, dessen spätere Werke („The Happening“, „Die Legende von Aang“, „After Earth“) aber selbst die größten Shyamalan-Fans mehr und mehr irritierten – oder gleich ganz vergraulten –, bewiesen, dass er es eben doch noch drauf hat. „The Visit“ erzeugte eine durchgehend bedrohliche Atmosphäre und nahm sich im Gegensatz zu einigen früheren Filmen Shyamalans selbst nicht zu ernst. Und auch in seinem neuesten Werk „Split“ gelingt es dem Regisseur nun, sich auf einige alte Stärken zu besinnen und einen weitgehend spannenden Film abzuliefern. Dafür darf man nach den früheren Eskapaden des Regisseurs durchaus dankbar sein.
In „Split“ ist der Titel Programm, denn James McAvoy („X-Men“) spielt hier Kevin – und dazu noch gleich 22 weitere Charaktere. Aufgrund einer dissoziativen Identitätsstörung existieren in Kevin nämlich 23 verschiedene Identitäten, die abwechselnd die Kontrolle über seinen Körper übernehmen. Dies bekommen Casey (Anya Taylor-Joy), Marcia und Claire, drei Mädchen im Teenager-Alter, zu spüren, als sie von Kevin entführt und eingesperrt werden. Voller Angst davor, was ihr Entführer mit ihnen vorhat, müssen die drei miterleben, wie dessen unterschiedliche Identitäten um die Vorherrschaft kämpfen. Gleichzeitig sucht Kevin wieder seine frühere Therapeutin, Dr. Karen Fletcher (Betty Buckley) auf. Diese versucht herauszufinden, mit welcher von Kevins Persönlichkeiten sie nun in Kontakt steht und warum er sich überhaupt wieder an sie gewandt hat. Für Casey und ihre Freundinnen wird die Lage derweil immer brenzliger, als sich in Kevin eine schreckliche 24. Persönlichkeit zu manifestieren beginnt.
Bereits in den ersten Szenen des Films zeigt sich wieder einmal eine von Shyamalans Stärken: ganz alltägliche Situationen mit Spannung und Unruhe aufzuladen und so für den Zuschauer eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, die dafür sorgt, dass man nervös im Kinosessel hin- und her rutscht. Die Entführung der drei Teenager inszeniert der Regisseur mit einigen für ihn typischen Stilmitteln und Kameraeinstellungen, die wohl ganz bewusst an den Beginn von „Unbreakable“ erinnern. Sobald die Mädchen sich schließlich in der Gewalt von Kevin befinden, treten solche bewusst wahrnehmbaren Stilmittel in der Inszenierung jedoch in den Hintergrund und machen einem Spezialeffekt ganz anderer Art Platz: James McAvoy. Der genießt es nämlich sichtlich, hier nicht nur eine einzige, sondern gleich 23 verschiedene Figuren zu spielen (auch wenn es davon nur etwa eine Handvoll zu nennenswerter Leinwandzeit bringt und für die Handlung relevant ist). Ob als gewalttätiger Mädchenentführer, unsicherer neunjähriger Junge oder strenge Frau mittleren Alters – McAvoy spielt all diese unterschiedlichen Charaktere überzeugend und mit klar voneinander abgesetzten Manierismen und Sprechweisen.
McAvoys Schauspiel ist es dementsprechend auch, was diesen Film sehenswert macht. Denn der Rest ist recht konventionell gehalten und hebt sich kaum von ähnlichen Horror-Thrillern ab. Zwar kombiniert Shyamalan die Haupthandlung noch mit einer zweiten, nicht gleichzeitig spielenden Geschichte, doch der sich daraus ergebende Mehrwert hält sich in Grenzen. Auch den Twist, den der Film gegen Ende bereit hält, wird wohl schon ein Großteil der Kinobesucher vorher kommen sehen (man kann sich allerdings gar nicht sicher sein, ob das entsprechende Handlungselement von Shyamalan überhaupt als spektakuläre Wendung gedacht war). Obwohl „Split“ durchgehend spannend inszeniert und gut gespielt ist, weist das Drehbuch doch einige redundante Szenen auf und der Film zieht sich gerade im Schlussteil etwas.
Ein von vielen ungeliebtes Shyamalan-Stilmittel, auf das der Regisseur bei „Split“ nicht verzichtet, ist übrigens sein eigener Gastauftritt im Film. Dieser beschränkt sich allerdings auf eine einzige Szene; die Rolle, die Shyamalan darin spielt, kann man entweder als Zeichen seiner Selbstverliebtheit oder eben als ironisches Augenzwinkern in Richtung aller Kritiker verstehen, die ihm genau diese Selbstverliebtheit vorwerfen. Für noch mehr Diskussionsstoff dürfte aber die allerletzte Szene des Films sorgen, die mit der eigentlichen Handlung von „Split“ zwar nichts mehr zu tun hat, dafür aber dazu beiträgt, den Film noch einmal auf ganz besondere Weise ins bisherige Werk des Regisseurs einzubetten (um hier einmal vage zu bleiben). Je nachdem, wie man zu Shyamalan und seinen Filmen steht, wird man auch diese Szene entweder großartig oder sinnlos und überflüssig finden.
Insgesamt ist Shyamalan mit „Split“ auf jeden Fall ein solider Horror-Thriller gelungen, der genau wie „The Visit“ das Rad zwar nicht neu erfindet, aber auf jeden Fall wieder die Stärken des Filmemachers zum Vorschein bringt. Dass „Split“ wie schon unzählige Filme zuvor einmal mehr psychisch kranke Menschen als gewalttätige Verbrecher dämonisiert, ist schade, aber leider längst Gewohnheit. Von früheren Peinlichkeiten Shyamalans wie „Die Legende von Aang“ oder „After Earth“ ist „Split“ jedenfalls meilenweit entfernt. Das reicht in diesem Fall zwar noch nicht für einen großartigen Film, aber immerhin traut man Shyamalan inzwischen wieder Größeres zu.
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