Es ist ein Comeback durch die Hintertür. Auf eigene Faust und für schlankes Geld hat M. Night Shyamalan seinen neuen Film „The Visit“ inszeniert, bevor er dann das fertige Produkt anbot und Universal schließlich zugriff. Es ist auch eine Rückkehr zu den Horror/Mystery-Wurzeln, mit denen der Filmemacher einst auf der Bildfläche erschien, als ihn Erfolge wie „The Sixth Sense“ oder „Signs“ in die oberste Hollywood-Liga spülten, bevor er es sich dort dann mit diversen wichtigen Playern verdarb und ihm selbst das treue Publikum nur noch in geringer Zahl in die Gefilde von „The Happening“ folgen mochte. Die anschließenden Auftragsproduktionen wie die durchweg verrissene „Legende von Aang“ und der ob seiner pseudo-religiösen Botschaft allgemein verlachte „After Earth“ trugen auch nicht zur Verbesserung des Rufes bei. Nun also wieder ein Genre-Film bei dem auch der Name des Regisseurs nicht mehr wie zuletzt verschämt im Hintergrund gehalten, sondern offensiv beworben wird. Ja, seht her: Dies ist ein Shyamalan-Film, ein Werk des Machers von „The Village“ und „Sixth Sense“. Und es ist ein gelungener Film.
Der einwöchige Urlaub bei den Großeltern soll dafür sorgen, dass Becca (Olivia deJonge) und Tyler (Ed Oxenbould) diese endlich richtig kennenlernen. Denn seit einem nicht näher beschriebenen Streit war der Kontakt innerhalb der Familie über Jahre abgebrochen. Vor allem Becca ist motiviert in die Historie ihrer Familie einzutauchen und daraus ihren eigenen kleinen Dokumentarfilm zu basteln. Doch so herzlich sich Nana (Deanna Dunagan) und „Pop Pop“ (Peter McRobbie) auch zunächst geben, das Verhalten der Beiden kommt den Kindern zusehends merkwürdiger vor. Sind es wirklich nur die für alte Leute halt nicht untypischen Verschrobenheiten oder stimmt mit den Großeltern tatsächlich etwas nicht? Deren seltsame, mitunter sogar aggressive Auftritte häufen sich jedenfalls und irgendwann wünschen sich Becca und ihr Bruder nur noch, dass die Tage bei Oma und Opa doch möglichst schnell vorbeigehen mögen. Sie haben allen Grund dazu…
Es könnte tatsächlich sein, dass wir so etwas noch nicht hatten im sonst doch sehr ausgelutschten Horror-Genre. Dass die Bedrohung für die Hauptcharaktere von den eigenen Großeltern ausgehen soll ist zumindest ein origineller Ansatz und das Drehbuch spielt dann auch sehr nett mit der daraus resultierenden Ambivalenz, die typische „Alte Leute“-Momente in dieser Situation entwickeln. Sind Nanas nächtliche Anwandlungen ganz rational medizinisch erklärbar oder wirkt das nicht fast schon wie Besessenheit? Ist es einfach nur die Altersvergesslichkeit oder steckt doch mehr hinter Pop Pops gelegentlichen Ausrastern, von denen er anschließend nichts mehr wissen will? Überhaupt gab es wohl selten eine unpassendere Namensgebung für einen alles andere als liebevoll-väterlich agierenden älteren Herren als dieses trügerische „Pop Pop“.
Es ist aber auch ein Hinweis auf den durchaus subtilen Humor, mit dem der Film gelegentlich daher kommt. Denn streckenweise entpuppt sich „The Visit“ auch als eine echte Horrorkomödie, die mit ihrer Situationskomik den einen oder anderen Lacher generieren kann. Auch wenn dieser Stimmungswechsel von Comedy zum nächsten Schockmoment nicht immer ganz passend eingesetzt wird, so macht es das Ganze doch noch ein wenig interessanter und geht letztendlich nicht allzu stark auf Kosten des Gruselfaktors. Der erreicht seinen Höhepunkt spätestens dann, wenn die Großmutter wie einst bei „Hänsel und Gretel“ das junge Mädchen auffordert doch bitte in den Ofen zu klettern um diesen auch richtig von innen zu säubern.
Die Filme dieses Regisseurs zeichneten sich schon immer durch eine eher bedächtige Inszenierung aus und nicht wenige behaupten ja, dass man deren Langsamkeit überhaupt nur durch die Aussicht auf einen irgendwann folgenden, möglichst genialen Plot-Twist ertragen konnte. Nun, eine Art Wendung erfolgt hier zwar auch irgendwann, doch handelt es sich dabei eher um die im Horrorfilm nötige Auflösung des Mysteriums, die sich zwar einerseits das Prädikat „nicht schlecht“ verdient, andererseits aber bei genauerem Nachdenken doch ein wenig die Plausibilität der präsentierten Geschichte strapaziert. Wenn das Finale also schon nicht unbedingt Shyamalan-spezifisch daherkommt, so gilt dies erst recht für die Art der Inszenierung selbst, denn der hat sich für die beliebte (aber natürlich ebenfalls schon arg strapazierte) „Found Footage“-Methode entschieden bzw. sehen wir das Geschehen in Form des von Becca gedrehten Dokumentarfilms. Zum erhöhten Realismus trägt dabei der völlige Verzicht auf einen das Geschehen untermalenden Soundtrack bei, ein im Horrorbereich ansonsten selten zu findendes, hier aber sehr wirkungsvolles Stilmittel.
Solide gespielt und effektiv inszeniert, dazu mit einer (unerwarteten) Prise Humor angereichert, gibt es beim Fazit nicht viel zu meckern an diesem feinen kleinen Genrefilm. Man muss Herrn Shyamalan deshalb sicher nicht gleich wieder als „Genie“ feiern, aber ein bisschen was hat er anscheinend doch noch drauf.
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