
So langsam mausert sich "Gladiator" zu einem der einflussreichsten Filme der letzten Jahre: Der erstaunliche Erfolg von Ridley Scotts Schlachtenepos bei Publikum und Oscar-Verleihung trat ein Revival des Sandalenfilms los, nach Petersens "Troja" erwartet uns demnächst auch noch Oliver Stones Biopic "Alexander der Große" mit Colin Farrell. Historienstoffe als actionlastiger Hollywood-Mainstream, diesen Trend nutzt auch "Gladiator"-Autor David Franzoni gerne nochmal aus, und schrieb eine neue Verfilmung der Legende um Artus und seine Ritter der Tafelrunde. Dass er damit ausgerechnet bei Über-Produzent Jerry Bruckheimer auf offene Ohren traf, dürfte wiederum am "Herr der Ringe" liegen, denn der bewies mit seinen mittelalterlich angehauchten Welten mehr als eindrucksvoll das kommerzielle Potential dieser Geschichtsperiode, und wo großer finanzieller Erfolg winkt, ist die Hit-Spürnase von Bruckheimer meist nicht weit.
Franzonis Variante der Artus-Legende klopft - im Gegensatz zu den mehr als zahlreichen anderen Filmversionen (wie "Excalibur", "Der erste Ritter" oder die Adaptionen von "Die Nebel von Avalon") - auf historische Authentizität, indem er Artus in der Epoche der englischen Geschichte platziert, als er (wenn überhaupt) tatsächlich lebte. Denn das populäre Mythos um Artus und seine Tafelrunde im Schloss Camelot, um die unglückliche Liebe zwischen seiner Gattin Guinevere und dem Ritter Lancelot ist gänzlich das Werk von fiktionaler Legendenbildung aus dem 12. Jahrhundert, die alte Erzählungen über einen Heeresführer der Britannier im Kampf gegen die Eroberungsmacht der Sachsen im fünften und sechsten Jahrhundert in ihre eigene Zeit übertrug.
Von dicken Ritterrüstungen und romantischer Verklärung befreit, darf Artus nun wie sein vermutlicher historischer Vorläufer als römischer Kommandant Artorius eine Gruppe von Sarmaten-Rittern anführen (das osteuropäische Reitervolk war von den Römern erobert worden und musste Generationen von Kriegern zur Grenzsicherung in England abstellen). Das römische Reich, daheim in Italien verstärkt von Invasoren bedroht, gibt seine äußersten Kolonien auf, und während des allgemeinen Rückzugs erhalten Artus und seine Ritter den Befehl zu einem Sondereinsatz: Ein Zögling des Papstes, Sohn eines in England lebenden römischen Edelmannes, muss in kirchlichem Auftrag vor den heranmarschierenden Sachsentruppen gerettet werden, die sich über das verwaiste Land hermachen wollen - ein Himmelfahrtskommando jenseits des Hadrianwalls, der die römischen Gebiete vor Überfällen schützen sollte. Dort treffen Artus, Lancelot, Ghalahad und Konsorten dann auch auf das wilde Volk der Pikten, angeführt von Merlin (ein Seher, kein Zauberer) und seiner Tochter, der tapferen Kriegerin Guinevere.
Als schon früh im Film betont wird, dass auch dieser Artus mit dem sagenhaften Schwert Excalibur kämpft und sich die Ritter an ihrer Tafelrunde versammeln (wenn's auch nur noch sieben sind, und keine zwölf) wird bereits klar, dass es mit den Vorsätzen zu historischer Authentizität bei Autor Franzoni doch nicht sehr weit her ist: Obwohl in keiner Form historisch verbürgt, zitiert er alle populären Details der Artus-Sage (abgesehen von der Suche nach dem heiligen Gral natürlich) und entlarvt schon bald, dass der Rückgriff auf die historische Realität nicht viel mehr als ein Gimmick ist, und man das Publikum nicht wirklich mit Legenden-Dekonstruktion verwirren will. Dementsprechend geht auch der Plot eher in Richtung Actionfilm mit Pferd und Schwert: Wie eine Spezialeinheit auf Rettungsmission schlägt sich die Rittertruppe in feindliches Territorium.
Ein ähnliches Szenario behandelte Regisseur Antoine Fuqua bereits in seinem letzten Film "Tränen der Sonne", der wie schon sein Vorgänger "Training Day" durch eine ebenso brutal realistische wie stilvoll kühle Inszenierung bestach. Beides gelingt Fuqua hier leider nicht, was wohl auch daran liegt, dass derlei Qualitäten bei einem Bruckheimer-Film nicht gefragt sind. Wie immer setzte der Produzent auch bei "King Arthur" die US-Altersfreigabe PG-13 als Richtmaß, um ein breiteres Publikum zu garantieren. Das bedeutet: Gemetzel ja, aber bitte blutfrei. Wo "Braveheart" mit Fleischwunden in Großaufnahme und Blutspritzern auf der Kamera noch neue Maßstäbe in Sachen Realismus setzte, bleibt das Schlachtfeld bei "King Arthur" weitestgehend sauber. Auch hier wird die propagierte Realitätsnähe behutsam unter den Teppich gekehrt.
Wenn man darauf aber ohnehin nicht wirklich wert legt (und wer tut das schon, bei Bruckheimer), kriegt man immerhin ein recht sauber ausgeführtes Mittelalter-Abenteuer serviert, dass mit zwei hervorragend inszenierten Schlachten aufwarten kann, deren strategische Finessen faszinieren und beeindrucken. Im Action-Sektor punktet "King Arthur" eindeutig, die anderen Aspekte der Story können allerdings weniger überzeugen. Viel zu früh setzt Fuqua die Geschichte mit überzogenem Pathos in Szene, den sie in dieser Form einfach nicht hergibt, zumal die Darsteller im ungünstigen Kontrast zum pompösen Soundtrack eher zurückhaltend agieren.
Ohnehin muss man die Besetzung als etwas unglücklich bezeichnen: In der Titelrolle wird beziehungsweise muss der Film von Clive Owen getragen werden. "Clive wer?" mag sich da mancher fragen, denn bisher ist Herr Owen allenfalls durch seine Nebenrollen in "Gosford Park" und "Die Bourne Identität" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Mit dem Waliser Ioan Gruffudd als Lancelot und den anderen männlichen Nebendarstellern verhält es sich ähnlich, wobei man Stelan Skarsgard unter den wallenden Bart- und Haupthaaren des Sachsen-Anführers Cerdic sogar fast nicht erkennen kann (im Gegensatz zu Til Schweiger als sein Sohn Cynric, der hier mit feschem Bärtchen seine Präsenz als Nebendarsteller im amerikanischen Actionkino ausbaut). Und so muss Keira Knightley, bekannt als Gouverneurstochter in "Fluch der Karibik" und Fußball-Teenie aus "Kick it like Beckham", alleine die Last der nötigen Starpower auf ihren zarten Schultern tragen, die denn auch prominent das Filmposter schmücken. Das allerdings ist von daher Etikettenschwindel, als dass Guinevere erst nach einer Dreiviertelstunde Laufzeit im Film auftaucht und im Folgenden auch nur marginal von Bedeutung ist, da die sich entwickelnde Liebesgeschichte sehr knapp und entsprechend unüberzeugend abgehandelt wird. Die meiste Aufmerksamkeit erweckt da noch Guineveres misslungene Garderobe, die unglücklich zwischen altrömischem Chic und dem verzweifelten Versuch der Kostümbildner schwankt, so etwas wie einen sexy Kampfdress fürs frühe Mittelalter zu entwerfen. Das wohl eher für eine kräftige Amazone geeignete Ergebnis sieht an der schmalen Keira Knightley dann doch ziemlich lächerlich aus.
Etwas fehl am Platze wirken auch die Ideale von Freiheit und Gleichheit, die Arthur wild propagierend unter dem englischen Bauernvolk verbreiten will - und das mal schlappe 1300 Jahre vor der Französischen Revolution. Respekt, das ist wahre historische Weitsicht. Oder schlichtweg pathetisches plattes Hollywood-Kino. Und das ist dann auch das Hauptmanko von "King Arthur": Den vorgeblichen Anspruch, großes authentisches Historienkino zu sein, kann der Film mit seiner Legenden-Neubildung nicht einlösen. Stattdessen kommt ein eindeutig nach standardisierten Maßgaben gestrickter Actionfilm im Mittelalter-Setting daher, der als solcher allerdings gar nicht mal schlecht gemacht ist. Wenn man aber ohnehin nur einen Actionfilm sehen will, stören wiederum die halbherzig ausgeführten historischen Details.
So ist "King Arthur" nichts Halbes und nichts Ganzes, und belegt wieder einmal, dass sich Jerry Bruckheimer schlichtweg zu viel zutraut, wenn er die Doppelbelastung aus Actionfilm und Historiendrama zu stemmen versucht - siehe "Pearl Harbor". Und wie damals gibt's die Quittung letztlich vom Publikum: In den USA ist der vermeintliche Blockbuster bereits böse abgeschmiert. Wenn schon populäre Legende mit König, dann doch lieber nochmal die von König Aragorn.
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