Michael Fassbender spielt den titelgebenden Anwalt (den jeder seiner Funktion nach nur „counselor“ nennt), der seinen Einstieg in den Drogenschmuggel des mexikanischen Kartells teuer bezahlt. Zuerst sieht allerdings alles gut für ihn aus. Er hat eine ihn liebende Freundin (Pénelopé Cruz) und will demnächst mit seinem Kumpel Reiner (Javier Bardem) eine hippe Bar aufmachen. Aber: Lebemann Reiner, dessen Freundin Malkina (Cameron Diaz) eine Vorliebe für Wildkatzen und wilde Sexeskapaden hat, ist der Mann, der ihm den Kontakt zum Kartell ermöglicht, welches dem Anwalt widerum das Kapital für sein zukünftiges Business einbringen soll. Über den Kontaktmann Westray (Brad Pitt) wird der Deal eingefädelt, und alles scheint seinen Gang zu gehen. Bis der Laster mit einer Riesenladung Kokain abhanden kommt und durch eine Verwicklung unglücklicher Umstände für das Kartell alles darauf hindeutet, dass der Anwalt ein falsches Spiel treibt...
Die Zeit der Meisterwerke von Ridley Scott ist offenbar vorbei. Das alleine ist noch nicht weiter schlimm. Aber die Zeiten von verlässlich ziemlich guten Ridley Scott-Filmen sind offenbar auch vorbei, und das ist weitaus dramatischer. Zwei Flops hintereinander hat Scott zuletzt vor über fünfzehn Jahren hingelegt (mit der wenig inspirierenden „White Squall“-“G.I. Jane“-Kombo), aber selbst das ist verhältnismäßig verständlich angesichts des Ausgangsmaterials, von dem ein Regisseur wie Scott immer abhängig ist. Gerade das macht seine Doppelstinkbomben aus den Jahren 2012-2013 so bedenklich: Eigentlich sprach ja alles für Scott: Gute Ensembles und Stoffe, die entweder aus sich heraus Klasse versprachen („Prometheus“) oder durch die Teilnahme eines renommierten Drehbuchautoren wie in diesem Falle.
Denn nicht wenige hatten – und dies durchaus zurecht – erwartet, dass „The Counselor“ ein Meisterstück wird. Schließlich hat niemand anderes als der große Literat Cormac McCarthy hier die Geschichte verfasst, als sein erstes Originaldrehbuch. Man konnte also davon ausgehen, dass es hier etwas Besonderes gibt. Wirft man dann die illustre Besetzung in die Waagschale – Pitt! Cruz! Fassbender! Diaz! Und natürlich Bardem! – sowie die Tatsache, dass der ehemalige Werbefilmer Scott auch eine abgefilmte Zahnwurzelbehandlung noch gut aussehen lassen könnte, so war es naheliegend zu vermuten, dass mit „The Counselor“ ein Highlight des Kinoherbsts wartet. Weit gefehlt. Scotts zweiter Flop in Folge ist sogar noch schlechter als die Gurke „Prometheus“, die wenigstens Ambitionen und den ein oder anderen packenden Moment hatte. Beides ist in „The Counselor“ nicht vorhanden, mit desaströsem Resultat.
Selten waren Drogenhandel und Kartelleskapaden so öde und langweilig wie in „The Counselor“. Würde man die Spannungskurve dieses Films zeichnen, sähe diese aus wie eine EKG-Linie der meisten Figuren gegen Ende des Films: eine flache Nulllinie. Überhaupt ist die Bezeichnung "Thriller" irreführend, denn das hieße ja, dass es hier etwas Thrillendes, also Aufregendes, zu finden gäbe. Gibt es aber nicht. Stattdessen wird hier viel gesabbelt. Und noch mehr gesabbelt. Und dann noch ein bisschen mehr gesabbelt. Wäre „The Counselor“ eine Talkshow, so wäre es die wohl deprimierendste, nihilistischste Talkshow diesseits von Jerry Springer, aber es wäre nicht die Mogelpackung, die er letztlich ist. Wieder mal lügt der Trailer, denn wer sich (wie der Rezensent) nach der Ansicht des durchaus Appetit machenden Kurzfilms zu Werbezwecken von „The Counselor“ einen düsteren, klaustrophobischen Thriller ähnlich der McCarthy-Adaption „No Country For Old Men“ erwartete, der wird böse enttäuscht. Denn trotz der pervers unbefriedigenden Auflösung und einem merkwürdigen Ende hatte „No Country For Old Men“ unter den meisterhaften Händen der Coen-Brüder aufregende set pieces, teilweise extreme Spannung und eine gnadenlos voranmarschierende Handlung. All dies fehlt „The Counselor“ in bedenklichem Maße und die Schuld liegt eindeutig bei dem Mann, der diesem Projekt Prestige und Klasse bringen sollte: Cormac McCarthy selbst.
Dass wir uns hier nicht falsch verstehen: McCarthy ist einer der wichtigsten amerikanischen Romanciers, der mindestens zwei Meisterwerke („Blood Meridian“ und „The Road“) verfasst hat, wahrscheinlich sogar mehr (auch die sogenannte „Border“-Trilogie, deren erstes Buch „All die schönen Pferde“ nur mittelgut verfilmt wurde, ist ein Kandidat). An seinen Fähigkeiten als Schriftsteller gibt es also nichts zu zweifeln. Aber wenn „The Counselor“ etwas zeigt, dann dass ein grandioser Romancier nicht zwangsläufig einen guten Drehbuchautoren abgibt. So hat McCarthy etwa vergessen, dass man bei einem Film, der als Thriller firmiert, vielleicht so etwas wie Vorwärtsbewegung oder Spannungsmomente braucht. Stattdessen vermutet McCarthy, dass der geneigte Zuschauer einfach nicht genug von seinen typisch lyrischen und nihilistischen Dialogen bekommen kann. Und deswegen wird hier geredet und geredet, als gäbe es kein Morgen.
All das wird in ein Minimum aus Plot gesteckt, der zudem noch ewig braucht, bis er überhaupt mal in die Gänge kommt. Im Grunde genommen geht es nur um einen Tanklaster voller Kokain und wie dieser den Anwalt in Probleme bringt, aber bis dieser Plotstrang überhaupt mal richtig losgeht, ist schon eine geschlagene Stunde um. Was dann die Frage zulässt, womit der Film seine gesamte erste Stunde Spielzeit füllt: Nämlich mit dem erwähnten Palaver, in der Kontaktmann Westray oder Kumpel Reiner den Anwalt ewig lang kryptisch oder weniger kryptisch warnen, was es heißt, sich mit dem Kartell einzulassen. Charaktere halten endlose Monologe, die tiefgründig und philosophisch sein sollen, aber letztlich nur pompös daherkommen.
McCarthy ist so versessen darauf, dem Zuschauer seine nihilistische Weltsicht in prätentiösem Monolog um prätentiösem Monolog aufzudrängen, dass man schon lange vor dem Ende die Nase voll davon hat. Zumal die Wiederholung und Einseitigkeit dadurch nur noch weiter betont wird – McCarthy glaubt, dass Menschen grausam und brutal sind und ihre Leben genau so wie ihr Sterben nichts bedeuten. Schön und gut, aber das möchte man nicht als fast zweistündige Philosophieabhandlung in lustiger Dealertalkshowrunde sehen. Zumal McCarthys Script angesichts seiner hochtrabenden Ambitionen mehrmals reichlich platt vorgeht. So benutzt er diverse Dialoge der ersten halben Stunde, um düstere Vorausahnungen für seine Charaktere zu treffen, geht dabei aber erschreckend unsubtil vor. Während etwa der Dialog mit dem von Bruno Ganz dargestellten Diamantenhändler noch zu den besten Momenten gehört, so ist klar, wenn Reiner haarklein die Funktion einer „Bolita“ genannten automatischen Mini-Garotte erklärt, dass am Ende des Films eine Figur den Effekt dieser Maschine zu spüren bekommt. Und wenn der Anwalt und seine Freundin ihre Verlobung mit ominösen Schwüren begehen („Ich werde versuchen, dich zu lieben, bis ich sterbe“ – „Ich zuerst“) dann ist es wirklich nicht sehr schwer zu erahnen, was einer oder beiden dieser Figuren hier wohl bevorsteht. Subtile Vorausdeutung geht anders, Herr McCarthy.
Das endlose Gelaber und das verratzte Timing werden übrigens auch im weiteren Verlauf des Films, wenn dieser zumindest nominell die (nicht vorhandene) Spannungskurve anzieht, nicht besser. Vielmehr wird es noch schlimmer. Denn während sich eigentlich die Schlinge um den Anwalt immer mehr zuzieht und dementsprechend die Spannung stetig ansteigen sollte, so ist davon wenig zu spüren, stattdessen gibt es die für McCarthy mittlerweile üblichen Auslassungen, ins Nichts verlaufende Szenen und einen kompletten Antiklimax. Wer mit der Art und Weise wie „No Country For Old Men“ endete nicht zufrieden war, wird hier vermutlich anfangen, zu schreien oder Dinge gegen die Leinwand zu werfen, sofern er nicht vorher in ein Koma gesackt ist.
Denn die Geschichte selbst läuft nach etwa anderthalb Stunden aus, und dann setzt das Warten auf den ein oder anderen Tod einer Figur und auf ein paar schöne prätentiöse Monologe zum Thema Leben und Sterben ein. Unterbrochen etwa von einer kurzen Szene mit den Cameos eines Film- und eines Fernsehstars, die keine sonderliche Relevanz hat noch einen Einfluss auf irgendwas. Offensichtlich geht es nur darum, noch eine Scheußlichkeit unterzubringen. Dies ist der Film, der „No Country For Old Men“ wäre, wenn es keine Jagd zwischen Moss und Chigurh geben würde, keinen Showdown im Hotel und der Monolog von Tommy Lee Jones am Ende statt fünf Minuten über fünfzehn dauert und auf mehrere Personen verteilt wird. Allein der viel zu plakative Schlussmonolog ist so platt und offensichtlich, dass man sich fragt, ob hier wirklich ein Pulitzerpreisträger am Werk war.
Tja und Ridley Scott? Der kann hier wenig retten. Für den Stilisten und visuellen Meister gibt es hier nichts zu holen und er holt aus diesem Film auch nichts heraus. Klar, das ist solide abgefilmt, aber was soll Scott auch machen? Diesen struktur- und spannungslosen Streifen kann man eben nur so weit aufhübschen, zudem gibt es hier nicht eine Bravura-Sequenz, die von Scotts geschultem Auge profitieren könnte. Auch visuell ist dieser Film platt und langweilig. Ähnlich verloren wie ihr Regisseur ist das Ensemble hier. Einzig Bardem ist wie immer ein paar Lacher wert. Und seine Frau Penelope Cruz zeigt eine berührende Verletzlichkeit in den wenigen Szenen, die sie bekommt. Wer will, darf auch Diaz als karikaturhafte Drachenlady noch gut und amüsant finden. Schlecht hat es dagegen Michael Fassbender als die Titel- und eigentliche Hauptfigur getroffen, denn sein Anwalt ist der denkbar passivste Protagonist überhaupt, was den Film zusätzlich schwierig macht. Die erste Stunde des Films macht die Figur nichts außer Warten und danach ist sie fast handlungsunfähig und kann sich nur mehr schlecht als recht verstecken. Einen Protagonisten, mit dem man mitfühlt oder mitfiebert erschafft man so allerdings nicht.
Aber letzlich sind die Figuren hier alle nur Bauernopfer in Cormac McCarthys grausamem Schachspiel und verlieren tun sie am Ende alle, genau so wie der Zuschauer. Denn McCarthys reduktionistische Weltsicht beginnt mit der Zeit nicht nur zu langweilen, sondern regelrecht zu nerven. Zusammengefasst wird sie in einer kurzen Szene gegen Ende des Films, in der die Leiche einer Figur mir nichts dir nichts per Bagger auf eine Müllgrube geworfen wird. Für McCarthy ist der Mensch kaum mehr als Müll, der sich dessen nicht recht bewusst ist, bevor er einen sinnlosen, grausigen Tod stirbt. Danke, Herr McCarthy, aber nein danke. Diesen missratenen Film kann man immerhin gleich mit dazu auf die Müllhalde werfen.
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