
Es steht nicht gut für die Menschheit, seit vor einigen Jahren außerirdische Armeen die Erde angriffen und sich dann von Hamburg (!) aus über Europa ausbreiteten. Als nächstes droht Großbritannien zu fallen und es wird zusehends schwieriger noch Freiwillige für den Kampf an der Front zu gewinnen. Zu der wird schließlich gegen seinen Willen auch Major Bill Cage (Tom Cruise) abkommandiert, der sich zuvor eigentlich als PR-Stratege für die Rekrutierung anderer betätigt hat. Ohne jegliche Kampferfahrung ist Cage selbst in seinem hochtechnisierten Anzug völlig chancenlos und stirbt bereits wenige Minuten nach Beginn der Schlacht - nur um sofort wieder in dem Moment zu erwachen, an dem er Tags zuvor in der Militärbasis ankam. Erneut erlebt er den fatalen Einsatz, und seinen Warnungen, dass die Menschen in eine Falle laufen, schenkt niemand Glauben. Wieder überlebt er nur kurz und ein weiteres Mal erwacht er daraufhin am Vortag. In einer anscheinend endlosen Zeitschleife gefangen bewegt sich Cage wieder und wieder in den ausweglosen Kampf, bis er schließlich auf die erfahrene Soldatin Rita Vrataski (Emily Blunt) trifft, die offensichtlich weiß was mit ihm geschieht. Nach seinem nächsten „Tod“ wird Cage sie gezielt aufsuchen.
Tom Cruise in einem Science-Fiction-Film nach dem bekannten „Murmeltier“-Schema? Warum nicht, denn obwohl nicht mehr von allzu großem Neuigkeitswert, funktioniert das Prinzip des in einer Zeitschleife Gefangenen schließlich immer wieder gut, wie zuletzt Duncan Jones mit „Source Code“ bewies. Und der nicht mehr allerorts populäre Mr.Cruise lieferte schließlich erst vor kurzem mit „Oblivion“ auch einen sehr brauchbaren SF-Beitrag ab. „Edge of Tomorrow“ ist aber noch ein Stück stärker geraten und entpuppt sich als echter Volltreffer von höchstem Spannungs- und Unterhaltungswert.
Nach nur wenigen Minuten geht es sofort ins Geschehen, doch auch das Vorspiel hat es in sich. Dort werden wir nämlich nicht nur auf den aktuellen Stand des Krieges gegen die "Mimics“ getauften Außerirdischen gebracht, sondern müssen auch erkennen, dass unser „Held“ eigentlich ein ziemlicher Feigling ist, der zwar gerne Andere dazu überredet in die lebensgefährliche Schlacht zu ziehen, aber mit allen Mitteln versucht sich selbst aus dem Fronteinsatz herauszuwinden. Dies trägt ihm sowohl den Zorn seines vorgesetzten Generals (Brendan Gleeson) ein, als auch die Verachtung seiner neuen Kollegen, die in dem ängstlichen Schreibtischtäter nicht mehr als sicheres Kanonenfutter sehen. Doch da Cage nun stets aufs Neue die Gelegenheit bekommt es beim nächsten Versuch besser zu machen, gewinnt er natürlich rasant an Erfahrung. So richtig viel nützt ihm das allerdings nicht, denn am Ende findet er in jeder Variante seines unendlichen Tages erneut den Tod – und das muss auch so sein, wie ihm schließlich die toughe Rita Vrataski erklärt, der einzige Mensch der ihm glaubt und der sogar die Regeln zu kennen scheint, nach denen dieses merkwürdige Spiel verläuft.
In zig verschiedenen Versionen wird dieses Muster wiederholt, von denen wir manchmal nur wenige Sekunden zu sehen bekommen, doch jedes Mal gibt es mindestens ein neues Element zu entdecken, und durchgängig bleibt die Anspannung und der gewaltige Druck im Angesicht nicht nur des wahrscheinlichen eigenen Todes, sondern des Untergangs der gesamten Menschheit spürbar. Trotzdem kommt auch der Humor nicht zu kurz, der sich bemerkenswerterweise vor allem in der ausgeprägten Humorlosigkeit der Dame Rita bemerkbar macht, die halt auch mal ohne lange zu fackeln ihrem Partner Cage eine Kugel in den Kopf jagt, wenn der nicht schnell genug lernt – gleiches Spiel also nochmal von vorne und diesmal bitte besser anstellen. Auch Bill Paxton gelingt es als Drill Sergeant so etwas wie eine eigene kauzige Persönlichkeit zu entwickeln, obwohl er ja im Prinzip nur immer wieder die selben Sätze raushaut. Das Prinzip, dass die in der Zeitschleife agierende Person dann bald sämtliche Macken der Anderen kennt und deren Aktionen natürlich schon im Voraus kommen sieht, ist ein Stilmittel, welches wir tatsächlich schon seit „...und täglich grüßt das Murmeltier“ kennen, dass aber auch hier wieder prächtig funktioniert.
Es gab aber vor allem noch keinen Film dieses feinen kleinen Sub-Genres, der mit derartigen Schauwerten aufwarten konnte. Das Schlachtfeld ist geradezu angsteinflößend realistisch und vermittelt mit seinem Setting am Strand einen Hauch von „Soldat James Ryan“, nur das hier in hochtechnisierten Anzügen gekämpft wird und gewaltige Maschinen die Szenerie beherrschen. Die Aliens sind schnell und brutal, scheinen kaum besiegbar. Wie Tom Cruise dabei die Wandlung seiner Figur vom nicht besonders sympathischen Drückeberger zum entschlossenen und immer kompetenter werdenden Hoffnungsträger verkörpert ist durchaus beeindruckend, und dass ihm mit Emily Blunts erfahrener Soldatin eine gleichwertige Partnerin zur Seite steht, macht die Sache dann so richtig schön rund. Doch bevor es irgendwann doch noch droht zuviel des zweifelsohne Guten in leicht abgeänderten Varianten zu werden, nimmt die Handlung schließlich eine Wendung und entwickelt sich noch mehr als einmal in eine neue Richtung.
Eine Auflösung der vertrackten Situation muss natürlich auch noch her, und obwohl der finale Showdown dann nicht ganz das Tempo und die Dynamik des bis dahin Gesehenen halten kann, bleibt er zumindest weitgehend sinnvoll und frei von den in diesem Bereich natürlich an jeder Ecke lauernden Logikfehlern. Auch diese Aufgabe meistert der stets in unterschiedlichen Genres agierende Regisseur Doug Liman also letztendlich souverän. Sein „Edge of Tomorrow“, der übrigens auf der in diesen Tagen auch auf deutsch (sowohl als Roman als auch als Manga) erscheinenden japanischen Vorlage mit dem deutlich martialischeren Titel „All you Need is kill“ beruht, bereichert die Science-Fiction zwar nicht mit wirklich viel Tiefsinn oder philosophischen Gedankenspielen, bietet dafür aber ein äußerst intensives und höllisch unterhaltsames Kinoerlebnis - das ist uns dann auch mal eine hohe Wertung wert.
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