We Used To Be Friends, A Long Time Ago: Ein Blick zurück auf die Abenteuer von Veronica Mars

von Simon Staake / 12. März 2014

Das unglaubliche Comeback der Veronica Mars findet dieser Tage in ausgewählten Lichtspielhäusern statt – diese Tatsache allein ist schon mal erstaunlich. Schließlich war die Serie 2007 nach drei mit katastrophalen Quoten versehenen Staffeln ("Veronica Mars" war konstant auf den letzten Plätzen von immerhin etwa 150 Programmen der amerikanischen TV-Primetime) eingestellt worden. „Veronica Mars“ ist quasi die Definition einer Serie, die trotz der Abwesenheit von kommerziellem Erfolg einzig aufgrund des positiven Feedbacks der Kritiker am Leben gehalten wurde. Weswegen drei Staffeln schon für sich eine respektable Leistung darstellen. Und dass die Serie sich eine eingeschworene Fangemeinde erarbeitet hat, die dank Kickstarter-Kampagne nun die Rückkehr der jungen Hoddydetektivin mit der großen Klappe auf der großen Leinwand ermöglichte, wird auch in unserer Rezension zum jetzt anstehenden Film beleuchtet.

Veronica Mars

Und auch wenn die Rückkehr von Neptunes schlauster Einwohnerin etwas getrübt wird von der Tatsache, dass nicht alle Veronicas Abenteuer auf der großen Leinwand erleben können (der Film läuft in den USA nur in etwa 250 Kinos an und ansonsten weltweit nur in Großbritannien, Irland und Deutschland, da man im Rahmen der Kickstarter-Kampagne so vielen Leuten Gratis-Downloads versprach, dass sich ein weitflächigerer Start nicht rechnet), so nehmen wir den Kinostart des Films dennoch als freudigen Anlass, einen Blick zurück auf Veronica Mars' Fernseh-Abenteuer zu werfen. Und wie Veronica selbst spielen wir Detektiv und sammeln Beweise dafür, warum diese Serie unbedingt von einem größeren Publikum entdeckt werden sollte.


Beweisstück A: Der Genremix. Klar, Teenieserien gibt es viele, aber Teenieserien, die die üblichen (auch romantischen) Dramen dieses Genres mit dem Detektivfilm und Elementen des Film Noir vermischen, das gibt es dann doch entschieden seltener oder gar nicht. Als „Brick“ 2006 erschien, war das – auch dank des tough guy-Dialogs – mal was ganz Anderes, „Veronica Mars“ hatte das Thema „Privatschnüffler an kalifornischer High School“ aber schon zwei Jahre vorher aus der Taufe gehoben. Geschickt spielt die Serie mit diesen Genreversatzstücken und setzt sich so deutlich von den üblichen Serien ab, die sich um amerikanische High School-Schüler drehen. Das Konzept war zudem enorm flexibel, so dass je nach Geschichte, die erzählt wird, das eine oder andere Genreelement stärker betont werden konnte. Ergebnis: Eine Serie über und für Teenager, die auch für Erwachsene jeden Alters ihren Reiz hat.

Veronica Mars
 

Beweisstück B: Das Storytelling. Im heutigen Serien-Zeitalter ist das Uralt-Konzept der Einzelepisoden ohne verbindende Hintergrundgeschichte bei jeder Serie, die etwas auf sich hält, längst passé. "Veronica Mars" leistete dafür vor zehn Jahren Pionierarbeit, indem die Serie beides aufbot: Die ersten beiden Staffeln sind ein strategischer Schachzug, der es sowohl dem Gelegenheitszuschauer erlaubt, einen „Fall der Woche“ anzuschauen, als auch eine sich stetig voranschreitende Story zu verfolgen. Mehr noch: Geschickt wird das Hauptmysterium Stück um Stück, Puzzleteil um Puzzleteil vorangebracht, zusammen mit Veronica quasi. In der ersten Staffel werden uns Veronica und ihr Hintergrund vorgestellt, die beide untrennbar von dem Hauptmysterium dieser ersten Staffel sind.

Als beste Freundin der reichen Lilly Kane und festen Freundin ihres Bruders Duncan (Teddy Dunn) gehörte Veronica zumindest adoptiert zu den Reichen und Schönen der kleinen kalifornischen Stadt Neptune. Als jedoch erst Duncan sie verlässt und dann Lilly ermordet wird, ändert sich Veronicas Leben nachhaltig. Als ihr Vater Keith (Enrico Colantoni) als amtierender Sheriff der Kane-Familie einige unbequeme Fragen stellt, wird er aus dem Amt gejagt und von dem tumben Don Lamb ersetzt. Währenddessen hat sich Keith Mars als Privatdetektiv selbstständig gemacht und Veronica hilft ihm bei diversen Fällen aus. Aber sie lässt sich auch von Mitschülern ihrer Highschool immer wieder für kleinere Missionen anstellen oder stolpert quasi über kriminelle Machenschaften in Neptune, die nach ihrem Einschreiten verlangen. Und schließlich haben ihre Recherchen auch einen weiteren privaten (und sehr ernsten) Hintergrund: Bei einer Party wurde Veronica unter Drogen gesetzt und vergewaltigt und versucht nun, auch dieses Ereignis aufzudecken.

Durch die Mischung der zwei Mysterien und der zahlreichen „Fälle der Woche“ vereint „Veronica Mars“ Masterstory im Hintergrund und Einzelerzählungen im Vordergrund (oder umgekehrt, je nach Platzierung in der Staffel), so dass die Serie sowohl Gelegenheitszuschauern gefallen kann als auch den Freund der geplanten und geschickten Langzeiterzählung. Auf die Spitze trieb man diese Entwicklung dann in der zweiten Staffel, in der der mysteriöse Unfall eines Schulbusses, bei dem mehrere Mitschüler Veronicas ums Leben kommen, sich als Mordanschlag erweist und dann gar mit den Ereignissen der ersten Staffel verwoben wird. Die letzte Episode der zweiten Staffel („Not Pictured“) spannt den Bogen zurück zur Pilotfolge, so dass die ersten beiden Staffeln und ihre Mysterien quasi als eine übergreifende, ausufernde Geschichte begriffen werden müssen.

Veronica Mars

Serienschöpfer Rob Thomas befand nicht ganz zu Unrecht, dass er damit die Schraube der Langzeiterzählung so weit gedreht hatte wie nur möglich, ohne Zuschauer komplett zu verwirren oder vor den Kopf zu stoßen, so dass er für die dritte (und wie sich herausstellte letzte) Staffel eine Drittelstruktur vorsah, in der Veronica jeweils über sechs bis sieben Folgen eine Storyline verfolgt und zum Abschluss bringt. Aus verschiedenen produktionstechnischen Gründen blieb es dann bei zwei größeren Storylines (neben vielen „Fällen der Woche“) und die Serie schloss ein wenig unbefriedigend mit einer Handvoll Einzelepisoden ab, aber zu diesem Zeitpunkt hatte die Serie längst bewiesen, wie man Langzeit- und Episodenerzählung geschickt und elegant zusammenführt.


Beweisstück C: Humor und Dialoge. Die beiden staffellangen Mysterien der ersten beiden Seasons sind thematisch und inhaltlich relativ düster (so musste Thomas einige Überzeugungsarbeit leisten, um die Vergewaltigungsstory Veronicas in der ersten Staffel zu behalten), daher ist es notwendig und empfehlenswert, dass die Serie einen Sinn für Humor zeigt. Aber nicht nur das: Der Humor ist die Trumpfkarte der Serie, denn inmitten der Thriller- und Soap-Elemente kann man immer wieder herzlich lachen, besonders über Veronicas spitzes Mundwerk oder die sarkastischen Einschübe von Logan Echolls (Jason Doehring), neben Motorradgangmitglied Weevil (Frank Capra III) einer der bad boys der Serie.

Und besonders gern schmunzelt man über die mal herzlichen, mal sich gegenseitig liebevoll auf die Schippe nehmenden Dialoge zwischen Veronica und ihrem Papa Keith, dem heimlichen MVP der Serie. Nur ein Beispiel aus der Pilotfolge: Als Veronica auf eine nächtliche Überwachungsaktion geht, erinnert Papa Keith seine Tochter daran, für solch einen Einsatz Verstärkung mitzubringen. Was dann für einen hervorragenden Lacher sorgt, wenn wir herausfinden, dass „Verstärkung“ der Name des Familienhundes ist, der einem Agressor die Grenzen aufzeigt. Angesichts der geschliffenen Dialoge, die Rob Thomas und seine Autoren den Figuren hier in den Mund legen, lässt dich der bereits erwähnte Genremix noch weiter ausdehnen: Beizeiten fühlt man sich in die Tradition der Screwballkomödie versetzt, in der (oftmals im Geschlechterkampf) gewitzte Dialogduelle ausgetragen werden. Aber letztlich wären die Dialoge nicht halb so viel wert, hätte man nicht...

Veronica Mars


Beweisstück D: Die Figuren und ihre Darsteller, die diese Dialoge erst mit Leben und Seele füllen. Überhaupt wären vermutlich alle bisher genannten Elemente mehr oder weniger hinfällig, wenn „Veronica Mars“ nicht auf einen quasi perfekten Cast gestoßen wäre. Allen voran natürlich die Hauptdarstellerin. Kristen Bell, die eine perfekte „Veronica Mars“ abgibt. Dazu wie schon erwähnt der kanadische Charakterkopf Enrico Colantoni, mit dem Bell wunderbare Chemie als Vater-Tochter-Duo hat, die – abseits der romantischen und anderweitigen Verwicklungen – das Herz der Serie darstellt. Nicht umsonst endet die Serie mit einer Szene, in der Keith für Veronica kocht, obwohl sie ihm gerade durch ihr vorlautes Mundwerk und eigenwilliges Vorgehen die Chancen auf eine Wiederwahl zum Sheriff versaut hat. Aus dem Teenie-Ensemble stechen Jason Doehring und Frank Capra III als die guten „bösen Buben“ der Serie hervor, während Ryan Dunn und Percy Daggs III (als Veronicas Kumpel Wallace) im Gegensatz dazu etwas unter verhältnismäßig langweiligen Rollen zu leiden haben.

Erwähnenswert sind auch noch Michael Muhney als herrlich dämlicher Sheriff Don Lamb sowie Ken Marino als Keith Mars' opportunistischer Detektivkollege/-rivale Vinnie Van Lowe. Zudem hat sich die Serie mit Steve Guttenberg, Harry Hamlin, und den „Buffy“/“Angel“-Veteranninen Charisma Carpenter und Alyson Hannigan ein paar interessante wiederkehrende Gaststars geangelt. Die neuen Gesichter in der im College-Milieu spielenden dritten Staffel brauchen ein wenig, bis man sich an sie gewöhnt hat, aber über den Verlauf der drei Staffeln hält „Veronica Mars“ das Niveau der gezeigten Darstellerleistungen erstaunlich hoch.

Und damit schließen wir die Beweisführung und gehen direkt über zum Schlussplädoyer: „Veronica Mars“ ist eine kriminell unterschätzte Serie – hauptsächlich, weil sie eben so wenige Leute kennen. Wer dagegen einen Blick auf die Serie und vor allem Kristen Bell wirft, wird sich ruck-zuck ein wenig in Veronica verlieben. Zu gönnen ist es dieser Serie alle Mal.


Moin!
Es gibt Serien wie Sopranos, The Wire oder Six Feet Under und ihr widmet euch in großer Ausführlichkeit Veronica Mars oder auch doctor's diary?!
Gibt es dafür einen Grund?

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Na, könnte der Grund vielleicht der aktuelle Start des dazugehörigen Kinofilms sein?
Nur so ne weit hergeholte Idee....

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An den Gast: Ich hoffe doch stark, dass du da 'Veronica Mars' nicht mit 'Doctor's Diary' gleichstellen möchtest. Du scheinst VMars nicht gesehen zu haben, wenn du es so einfach auf eine Stufe mit 'Doctor's Diary' stellst und dich indirekt über die 'Unwichtigkeit' der Serie im Gegensatz zu deinen Favoriten beklagst. Abgesehen davon dass es sich zum Start des Kinofilm sehr angeboten hat, solch ein Serienspecial zu verfassen, ist VMars wie in der Rezension selbst schon gesagt, etwas besonderes, ein Geheimtipp sozusagen und hat in vielerlei Hinsicht vielen Serien etwas vorraus. Hättest du die Serie gesehen, würdest du dies wissen.
Du solltest nicht so bekannte Serien nicht gleich verurteilen, nur weil sie auf den ersten Blick nicht anspruchsvoll oder durchdacht genug aussehen, deine drei Lieblingsserien da oben dich aber vielleicht schon nach dem ersten Satz der Inhaltsangabe überzeugt haben.
Ach ja, und (das mag jetzt ein wenig unfreundlich wirken, aber das ist mir relativ egal) vergleich eine Serie wie VMars nicht mit so einem Müll wie 'Doctor's Diary'. Abgesehen davon dass diese beiden Serien grundverschieden sind, hat VMars durch seine Kickstarter Geschichte, etc. ganz anderes vollbracht, als 'Doctor's Diary'.

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