Die harten Kerle mit Spürnase sind zurück. Die Femme Fatales auch. Nur: Sie haben alle noch Pickel und hoffen, beim Abschlusstest nicht durchzufallen. Denn auch wenn es in Rian Johnsons ungewöhnlichem Debüt "Brick" von Gangstern, Muskelbepackten Helfern, undurchsichtigen Frauen und aufrechten Schnüfflern nur so wimmelt, befinden wir uns nicht in den Unterweltkreisen der 1930er, sondern an einer heutigen kalifornischen Highschool. Denn darin liegt der Gimmick von "Brick": Wie erzähle ich eine klassische Noir-Novelle der hartgesottenen Schule im Stil eines Dashiel Hammett, ohne auf aufwendige Kulissen oder teure Stars zurückzugreifen? Eben: Indem ich den Film mit Jungschauspielern besetze und dort filme, wo ich kann - etwa in meiner alten Schule. Und storytechnisch, indem ich einen ebenso sturen wie spürsinnigen Einzelgänger als Hauptfigur habe, so wie etwa Brendan (Joseph Gordon-Levitt), dessen einziger Freund in der gesamten Schule der andere Einzelgänger, der so ominöse wie fast allwissende "Brain" (Matt O'Leary) ist. Und, indem am Anfang der Geschichte eine Leiche steht, die eben jenen Schnüffler dazu bringt, nachzuhaken. Allen Grund dazu hat er, denn das tote Mädchen ist seine Exfreundin Emily (Emilie de Ravin, "Lost"). Und so macht sich Brendan auf die Suche nach den Gründen für ihren Tod. Eine Suche, die ihn bald in den Einflussbereich des mysteriösen Drogenbosses der Stadt, The Pin (Lukas Haas) bringt…
Diese Suche, bei der nach und nach mysteriöse Figuren eingeführt sowie richtige und falsche Fährten verfolgt werden und es auch einiges auf die Mütze gibt, steht dann auch im Mittelpunkt bis zur Auflösung des - wie bei den entsprechenden Film Noir-Vorbildern - reichlich verwickelten Plots. Überhaupt ist hier alles komplett originalgetreu, von der lakonischen Art des Protagonisten bis hin zum gesprochenen tough talk, an den man sich aus dem Mund von Teenagern natürlich erstmal gewöhnen muss. Aber wenn das erstmal geschehen ist, macht es schon Spaß, den mit hippem Slang (und zwar hip im Jahre 1940!) und Doppeldeutigkeiten voll gestopften Wortgefechten zuzuhören. Wie gesagt: ein bisschen sacken lassen muss man diese doch ungewöhnliche Combo schon erstmal - aber wer nach zehn Minuten nicht abwinkt, der bleibt dann auch interessiert dabei und wird mit einem zwar nicht perfekten, aber interessanten und ungewöhnlichen Film belohnt.
Dabei beweist Regisseur und Drehbuchautor Johnson Stilsicherheit und ein Auge für interessante visuelle Momente, die von Kameramann Steve Yedlin auch gut eingefangen werden. Gut auch der zum Teil absurde Sinn für Humor, durch den die grundsätzliche Absurdität des Ganzen gleichzeitig betont und dennoch abgeschwächt wird - wenn sich etwa Schnüffler und Gangsterboss gegenübersitzen, und des Gangsters Mama sucht nach Saft und Keksen für die Jungs, muss man schon mal kurz an David Lynch und sein abnormales Universum denken.
So ein Projekt wie dieses, das immer auf einem schmalen Grat zwischen faszinierend und lächerlich wandelt, braucht dann eben auch gute Darsteller, um das Ganze nicht wirken zu lassen, als würde der Jugendkreis Wanne-Eickel "Chinatown" im Schultheater aufführen. Und die gute Nachricht ist, dass dies auch mit einer Ausnahme sehr gut gelungen ist. Besonders der Hauptdarsteller überzeugt. Joseph Gordon-Levitt mag man momentan nur aus der überdrehten TV-Sitcom "Hinterm Mond Gleich Links" oder vielleicht noch aus der Teenie-Komödie "10 Dinge, die ich an dir hasse" kennen, aber der junge Mann ist gerade dabei, sich in ambitionierten Independent-Filmen (neben "Brick" etwa auch der letztjährige "Mysterious Skin") zu etablieren und dabei wirkliche gute Leistungen zu zeigen.
Und wo wir schon bei bekannten Gesichtern sind: Wer immer schon mal wissen wollte, was aus dem einzigen Zeugen aus dem gleichnamigen Harrison Ford-Film geworden ist, kann sich hier nun Lukas Haas als 30-jährigen anschauen. Interessant, dass Haas nur exakt alle zehn Jahre in einem erinnerungswürdigen Film auftaucht: als Zehnjähriger 1986 in "Der einzige Zeuge", als Zwanzigjähriger 1996 in "Mars Attacks!" und nun zehn Jahre später hier. Heimlich an sich gerissen wird der Film aber von Meagan Good, die ihrem Namen voll gerecht wird und als zickige (Unterwelt-)Königin der High School in jeder ihrer Szenen begeistert.
Neben Limitierungen durchs Drehbuch (Noah Fleiss darf als Muskelprotz Tugger nur tumb und brutal sein) gibt es wie gesagt nur einen echten Ausfall: Ausgerechnet die weibliche Hauptdarstellerin Nora Zehetner vermag in ihrer Rolle als undurchsichtige und den Protagonisten umschwärmende Femme Fatale nicht recht überzeugen. Gerade, wenn sie besonders verrucht tut, kommen einem doch ein oder zweimal die Worte "Wanne-Eickel" und "Schultheater" in den Sinn.
Aber im Großen und Ganzen gibt es wenig auszusetzen an "Brick" - bis auf die Tatsache, dass der Film eben nicht mehr als ein überzeugend aufgebauter Gimmick sein kann. Denn zu mehr reicht es leider nicht. Rian Johnson schafft es nicht hundertprozentig, alle Möglichkeiten seines durchaus faszinierenden Konzepts komplett auszunutzen. Mit etwas mehr Finesse und Schärfe hätte er gleichzeitig eine pointierte Abhandlung über Machtverhältnisse an amerikanischen Highschools abliefern können. Johnson begnügt sich jedoch mit dem bloßen Thrillermaterial und seiner postmodernen Pastiche-Technik.
Da wäre noch mehr herauszuholen gewesen, aber das was da ist, ist ja auch nicht zu verachten: Ein kleines, feines Experiment abseits sattsam bekannter Pfade, welches mit seiner Ausgangsidee und einer weitestgehend stimmigen Umsetzung zu punkten vermag. Als Arbeitsprobe seines Talents reicht dieser Film allemal und man darf gespannt sein, was Herr Johnson als nächstes macht. Vielleicht eine Spukhausgeschichte in der Vorschule?
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