Business as usual - Der Filmszene-Jahresrückblick 2013

von Frank-Michael Helmke / 19. Dezember 2013

Blickt man auf das Kinojahr 2013 zurück, fällt ins Auge, dass eigentlich fast nichts ins Auge fällt. Unerwartete Ausreißer nach unten oder oben gab es so gut wie keine, von daher war es wieder mal ein gutes Jahr für die Leute, die es berechenbar mögen. Betrachtet man das Kino aus Perspektive der Geschäftsleute in Hollywood, dann stellte 2013 quasi eine Konsolidierungsphase dar: Keine Experimente, keine Neuerungen, keine Innovationen, sondern Abschöpfen etablierter Erfolgsmodelle. So hat man fast ein gewisses Déja-Vu-Gefühl, wenn man auf die erfolgreichsten Filme des Jahres blickt: Die „Built-in audience“, über die wir an dieser Stelle vor einem Jahr gesprochen haben, war auch 2013 der alles bestimmende Faktor für Hollywoods Produktpalette. Die Erfolgs- und Geschäftsformel in der Traumfabrik hat sich tatsächlich derart verfestigt, dass in die Phalanx von Big-Budget- und Event-Filmen quasi nur noch eine einzige Variante der aussterbenden Mid-Budget-Produktionen eindringen kann – die „R-Rated Comedy“, über deren Siegeszug wir wiederum in unserem Jahresrückblick vor zwei Jahren bereits kurz gesprochen haben.

Sieht man sich die Liste der erfolgreichsten Filme an der US-Kinokasse an (z.B. hier: boxofficemojo.com/yearly/chart/?yr=2013&p=.htm), so gibt es unter den Top 20 genau vier Filme mit einem Produktionsbudget von (deutlich) unter 80 Millionen Dollar: Den Horror-Film „The Conjuring“, und die „R-Rated Comedies“ „Wir sind die Millers“, „Taffe Mädels“ und „Voll abgezockt“. Dass die beiden letztgenannten beide „Odd Couple“-Varianten mit Melissa McCarthy sind, macht die wohlbeleibte Komödiantin tatsächlich zum faktisch größten Kassen-Star des Jahres – denn sie war die einzige, die ohne großes Budget und „Built-in audience“ im Rücken in der Lage war, eine größeres Publikum anzulocken.

Alles andere, was sich in der illustren Liste der Kassenknüller tummelt, war ebenso teuer wie in seinem Erfolg berechenbar. Der einzige Film in den amerikanischen Jahres-Top Ten, der nicht eine Fortsetzung und/oder Buchadaption ist und ergo nicht von vornherein hier erwartet werden konnte, ist Alfonso Cuaróns genial konzipierter Weltraum-Thriller „Gravity“ – den wir nicht nur wegen dieses bemerkenswerten Erfolgs zum Kinofilm des Jahres ausrufen, sondern auch und vor allem, weil er der einzige Film war, der 3D als sinnvolles Mittel filmischer Erzählung zu nutzen wusste und sich damit alleinig das Prädikat „Muss man im Kino gesehen haben“ verdiente.

Einzig bedauerlich ist, dass „Gravity“ hierzulande mit knapp 1,3 Millionen Zuschauern (Platz 21 der Jahresbestenliste, siehe z.B. hier: www.wulfmansworld.com/Kinocharts/Kinocharts_2013) nicht ganz so sehr einschlug wie in den USA. Indes zeigte 2013 ohnehin einmal mehr, dass die standardisierten US-Erfolgsformeln nicht so 1:1 aufs hiesige Publikum übertragbar sind. Der ungebrochene Boom an Comic-Adaptionen funktioniert jenseits des Atlantiks auch deshalb so gut, weil die Amerikaner nach wie vor ein besonderes Faible für Superhelden haben – mit „Iron Man 3“, „Man of Steel“ und „Thor: The Dark World“ auf den Plätzen 1, 4 und 11 der Kassenknüllerliste. In Deutschland hingegen reichte es für Tony Stark nur für Platz 12, das zweite Abenteuer des Donnergottes landete auf Platz 15, und der „Superman“-Reboot stieß hierzulande gar auf so wenig Interesse, dass „Man of Steel“ in der Publikumsgunst nur weit abgeschlagen auf Platz 43 landete.

Und wer in Deutschland ordentlich lachen will, der geht dafür nicht zwingend in Hollywoods Komödien für Erwachsene (die beiden Melissa McCarthy-Vehikel müssen sich mit den Plätzen 48 und 55 begnügen), sondern vertraut auf die Kost aus der heimischen Küche. Unter den zehn erfolgreichsten Filmen finden sich drei deutsche Komödien: Til Schweigers „Kokowääh 2“, Matthias Schweighöfers „Schlussmacher“ und Bora Dagtekins „Fack ju Göhte“, der sich mit Stichtag 15. Dezember zum offiziell erfolgreichsten Film des Jahres mauserte und mit nun 4,6 Millionen Besuchern den Frühjahrs-Hit „Django Unchained“ überflügelte. Was uns nicht nur freut, weil der Erfolg absolut verdient ist, sondern auch weil es schön ist zu sehen, dass der große Triumph am Ende nicht den kalkulierten Gefälligkeiten aus der Schweiger/Schweighöfer-Schmiede gehört, sondern den unerschrockenen Unkorrektheiten von Bora Dagtekin. Der im Übrigen nun das zweite Jahr hintereinander den erfolgreichsten deutschen Film des Jahres gemacht hat (nach „Türkisch für Anfänger“ 2012) und damit Til Schweiger die Krone als Deutschlands Kinokönig abnehmen darf. Wenn das mal keine gute Nachricht ist.

Eine schlechte Nachricht hingegen war nicht nur der tragische Unfalltod von Paul Walker, sondern auch die Tatsache, dass der massive Erfolg von „Fast & Furious 6“ die Produzenten der Raser-Reihe sowohl dazu verleiten wird, die laufende Produktion des siebten Teils weiterzuführen, als sicherlich auch mit einem achten Teil weiter zu machen. Dass der Star einer Film-Franchise um Autoraser bei einem Verkehrsunfall wegen Autoraserei ums Leben kommt ist nicht nur bittere Ironie, sondern wäre schon allein aus Pietät Grund genug, die Reihe sofort einzustellen. Pietät ist allerdings etwas, was in der Geschäftswelt nicht viel zählt. Es steht sogar zu befürchten, dass die Produzenten aus dem „Vermächtnis“ von Walker noch zusätzlichen Umsatz generieren können. Das wäre zwar sehr zynisch. Aber Zynismus ist – im Gegensatz zu Pietät – gut fürs Geschäft.

Es ist entsprechend nicht zu erwarten, dass sich 2014 am Angebot auf dem Kinomarkt etwas maßgeblich ändern wird. Im Gegenteil kann man jetzt schon ziemlich verlässliche Wetten darüber abschließen, welche Filme sich in zwölf Monaten in den Top Ten der Erfolgreichsten wiederfinden werden. Unsere Tipps: Need for Speed, Rio 2, The Amazing Spider-Man 2, X-Men: Days of Future Past, Dawn of the Planet of the Apes, Fast & Furious 7, Transformers 4, Drachenzähmen leicht gemacht 2, Die Tribute von Panem 3, Der Hobbit 3.

Wir verbleiben einzig gespannt, womit Bora Dagtekin uns als nächstes zum Lachen bringen wird. Ansonsten wünschen wir all unseren Lesern frohe Weihnachten und präsentieren traditionell wie jedes Jahr die Tops und Flops unserer Redakteure – jene Listen, bei denen es nicht ums Geld, sondern nur um Qualität geht.

 

Die Tops und Flops im Kinojahr 2013 aus Sicht unserer einzelnen Redakteure

Frank-Michael Helmke

Top Ten

Gravity
Zero Dark Thirty
The Place beyond the Pines
Silver Linings
Lincoln
Star Trek: Into Darkness
The Best Offer
Iron Man 3
Django Unchained
Fack ju, Göhte

 

Flop Five
Pain & Gain
Die fantastische Welt von Oz
Stirb langsam 5
R.E.D. 2
Die Monster Uni

 

 

Patrick Wellinski

Top Ten

Spring Breakers
Computer Chess
The Act of Killing
Inside Llewyn Davis
Paradies: Liebe
Blau ist eine warme Farbe
No!
Before Midnight
Zero Dark Thirty
Gravity

 

Flop Five
Der große Gatsby
Layla Fourie
Promised Land
Die Nonne
Quartett

 

 

Maximilian Schröter

Top Ten

Gravity
Blau ist eine warme Farbe
Before Midnight
Star Trek: Into Darkness
Lincoln
Der Hobbit - Smaugs Einöde
Frankenweenie
Django Unchained
Die Jagd
Flight

 

Flop Five
Stirb langsam 5
Hänsel und Gretel - Hexenjäger
The Last Stand
The Bling Ring
Man of Steel

 

Volker Robrahn

Top Ten

Rush
Django Unchained
Gravity
Iron Man 3
Die Unfassbaren - Now you see me
Die Tribute von Panem - Catching Fire
The Best Offer
Fack ju, Göhte
Captain Phillips
Stoker

 

Flop Five
Gangster Squad
Inside Wikileaks - Die fünfte Macht
Passion 
Stirb langsam 5
To the Wonder

 

 

Margarete Semenowicz

Top Ten

Gravity
Lincoln
Zero Dark Thirty
Albert Nobbs
Ich und Du
Star Trek: Into Darkness
7 Tage in Havanna
Der Geschmack von Rost und Knochen
The Best Offer
Der Butler

 

Flop Five
Stirb langsam 5 
Renoir
Die Unfassbaren - Now you see me
 
 

 

 

Johannes Miesen

Top Ten

Silver Linings
Les Miserables
Prisoners
Captain Phillips
Rush - Alles für den Sieg
Gravity
Zero Dark Thirty
Der große Gatsby
Die Jagd
Spring Breakers

 

Flop Five
Man of Steel
Django Unchained
Stirb langsam 5
Lone Ranger
Oblivion

 

Simon Staake

Top Ten

Stoker
Side Effects
Prisoners
Blue Jasmine
The Place beyond the Pines
Rush
Gravity
Iron Man 3
Star Trek: Into Darkness
Oldboy

 

Flop Five
Only God forgives
The Counselor
Der Schaum der Tage
Das hält kein Jahr
Man of Steel

 

 

René Loch

Top Ten

The Master
Django Unchained
Blau ist eine warme Farbe
Gravity
Silver Linings
Only God forgives
Spring Breakers
Der Geschmack von Rost und Knochen
Inside Llewyn Davis
Die Jagd

 

Flop Five
Scary Movie 5
Parker
Fast & Furious 6
Warm Bodies
To the Wonder

 

 

Matthias Kastl

Top Ten

Gravity
Silver Linings
Flight
Zero Dark Thirty
Stoker
Lincoln
Django Unchained
Captain Phillips
The Impossible
Oblivion

 

Flop Five
 
 
 
 
 

 

 


Haben die meisten von euch Richard Linklater's Meisterwerk nicht gesehen oder wie kann es sein, dass ein Film mit einem Metascore 94 nur in 2 Top Ten Listen vorkommt und im Text nicht einmal erwähnt wird?

Aus meiner Sicht, knapp vor Gravity, der Film des Jahres!

Ansonsten aber (mal wieder) ein eher enttäuschendes Filmjahr mit viel zu viel Durchschnittsware aus der Traumfabrik.

Frohe Weihnachten
Hollins

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Immer wieder schön mit einem Jahr abzurechnen. Zwar scheint es mir, dass ich jedes Jahr enttäuscht bin, aber offenbar gewöhnt man sich daran, denn zumindest bin ich nicht zornig enttäuscht (was wiederum die oben genannte These der geringen Ausrisse in Positive o. negative bestätigen würde)

Top-Ten:

Gravity
Best Offer
Worlds End
+1
Elysium
Monster Uni
The Master
Europa Report
Pacific Rim
Upside Down

Flop Five

Now you see me
Movie 43
Stirb Langsam 5
Iron Man 3
Der Hobbit 2

Leider NOCH nicht gesehen/weitere Hoffnungen:
The Congress, Blau ist eine warme Farbe, Enders Game, Inside Llewyn Davis

Spontane Vorfreude für 2014:
Walter Mitty, Her, Out of the furnace, X-Men - Day of future past, Knights of Badassdom

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TOP:

1. Inside Llewyn Davis
2. The Master
3. Only Lovers Left Alive
4. Gravity
5. Der Geschmack von Rost und Knochen

FLOP:

1. Der Hobbit: Smaugs Einöde
2. Django Unchained
3. Gangster Squad
4. Oblivion
5. (beliebigen Instant-Blockbuster einfüllen)

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Meine Top-Ten:
1. Django unchained
2. Oh Boy
3. Inside Llewiyn Davis
4. Blue Jasmine
5. Liberace
6. Frances Ha
7. Venus im Pelz
8. The broken Circle
9. Gravity
10. Prisoners

Richtig ärgerlich und enttäuschend waren für mich nur: Elysium und Take this Waltz

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Bin dank Filmszene auch im letzten Jahr wieder gut durchs Kinojahr gekommen und habe zahlreiche Flops umschiffen können. Danke!

2013 war auch bei uns eher wieder ein Serienjahr u.a. mit Breaking Bad-Finale, Dexter 7 und Boardwalk Empire. Die Kino-Highlights waren mal wieder rar. In positiver Erinnerung blieben

- Gravity (optisches Spektakel und Weltraum-Feeling)
- Zero Dark Thirty (ich liebe Jessica Chastain)
- Silver Linings (bis auf das Ende originell und romantisch)
- Oblivion (trotz magerer Story optisch und musikalisch toll, Making-Of sehenswert)
- Stoker (nicht ganz rund, aber einzelne Szenen Oscar-verdächtig)
- Flight (D. Washingon in der letzten Viertelstunde überragend)

Auswahl einiger Enttäuschungen:
- Die Unfassbaren. Totale Zuschauer-Verarsche mit Top-Darstellern auf Sparflamme. So etwas ist hier auch schon mal härter abgestraft worden (Die Vorahnung).
- Iron Man 3. Die coolste Sau im coolsten Comic-Kostüm wird einfach nur noch gemolken. Kein Herz, keine Originalität. Sehr schade.
- Star Trek: Into Darkness. Gute Action und Schauspieler. Story dürftig. Das ist für Star Trek wie auch das kommende Mickey Mouse Star Wars immer noch zu wenig. Da muss noch 'ne Schippe drauf gelegt werden.

Die Vorschau auf 2014 macht nicht unbedingt Lust aufs Kino: Transformers 4, Spider-Man 2 (5), Expendables 3, X-Men wasweißich, 300 Teil 2 und wieder jede Menge Nazis.

Trotzdem ein schönes neues Jahr! :)

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Glaube, so selten wie 2013, war ich seit einem Jahrzehnt nicht mehr im Kino: Kaum Highlights, ein paar ordentliche Filme, viel langweiliger Durchschnitt, eine unfaßbare Menge Schrott. So langsam kann mich das Kino mal. Viele herausragende TV-Serien lassen die Kinoware richtig schnarchig aussehen. Immerhin gab es doch das ein oder andere erwähnenswerte:

Unangefochtene Spitzenplätze:

DJANGO UNCHAINED
GRAVITY

Lohnenswert:

SIDE EFFECTS
THE MASTER

Leider deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben:

THE PLACE BEYOND THE PINES
LINCOLN
THE BROKEN CIRCLE
PRISONERS
KILLING THEM SOFTLY

Besondere Erwähnung:

BLAU IST EINE WARME FARBE
mit einer herausragend intensiven Hauptdarstellerin, die den ganzen Film trägt.

Das einzig Schöne an diesem wieder mal schlechten Kinojahr: die vielen wunderbaren Verrisse von filmszene. So hat alles Schlechte auch sein Gutes und extrem mäßige Filme wissen zumindest auf diese Art zu unterhalten.

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