Whisky mit Wodky

Jahr
2009
Laufzeit
104 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 2. Juni 2010

 

Nach "Sommer vorm Balkon" stellt "Whisky mit Wodka" die zweite Zusammenarbeit des Regisseurs Andreas Dresen mit dem erfolgreichen Drehbuchschreiber Wolfgang Kohlhaase dar. Außerdem ist der Film für Dresen, nach seinem hoch erfolgreichen Low-Budget-Projekt "Wolke 9" (der für seine Verhältnisse unglaubliche 500.000 Zuschauer in die Kinos lockte) die Rückkehr zum Erzählen in Cinemascope. Da trifft es sich gut, dass "Whisky mit Wodka" ein Film über das Filmemachen selbst geworden ist.

Im Zentrum steht der langsam alternde, dafür aber umso stärker trinkende Schauspieler Otto Kullberg (Henry Hübchen), der mit seinen zahlreichen Aussetzern und Eskapaden die Dreharbeiten für den neuen Film des ehrgeizigen Regisseurs Martin Telleck (Sylvester Groth) an den Rand des Scheiterns bringt. Kurzerhand beschließt der Produktionsleiter Herbert (Peter Kurth), dass man Kullberg unter Druck setzen muss, indem man ihm einen jüngeren Schauspieler als Zweitbesetzung vor die Nase setzt und ihm damit droht, dass der Neue im Zweifelsfall die Rollen spielen wird. Denn den alternden Schauspielstar - so die Überlegung - packt man am besten bei seinem Stolz. Doch auch die Zweitbesetzung, Arno (Markus Hering), beschwert sich schon bald über seine Rolle als Mittel zum Zweck, was die Dreharbeiten auf Rügen zu einer immer größeren Belastungsprobe für den Regisseur, seine Geldgeber und das ganze Team werden lässt.

Filme übers Filmemachen haben eine gewisse Tradition, und betrachtet man Meisterwerke wie Truffauts "Amerikanische Nacht", Fellinis "8 1/2", Godards "Die Verachtung", Altmans "The Player" oder auch Vincete Minellis "Stadt der Illusion", so ist man gewillt festzustellen, dass sich dieses Sujet hervorragend als Filmstoff eignet. Tatsächlich schafft es Dresen in der ersten halben Stunde, durch den schnellen und fließenden Wechsel zwischen Dreharbeiten und den Film-im-Film-Aufnahmen eine gehörige Portion Witz zu erzeugen. Darin unterstützt ihn ein hervorragendes Darstellerensemble. Henry Hübchen verkörpert den alternden Darsteller Otto Kullberg mit einer seligen Mischung aus widerlicher Eleganz und hingebungsvoller Nonchalance. Daneben glänzt in wesentlich leiseren und kühleren Tönen Corinna Harfouch, die die weibliche Hauptrolle neben Kullberg spielen soll, gleichzeitig aber vor ihrem Ehemann, dem Regisseur Telleck, zu verbergen versucht, dass sie vor vielen Jahren eine Liebesbeziehung mit ihrem Co-Star hatte. Doch über ihnen allen thront Sylvester Groth als ständig angespannter, cholerischer Regisseur, dessen wütender Schrei: "Ich bin doch kein Eimer, in den jeder reinscheißt", durchaus das Zeug zum Filmzitat des Jahres hat.
Es sind daher alle Elemente versammelt, die Andreas Dresen-Filme bisher auszeichneten. Jedoch muss man mit einer gewissen Enttäuschung feststellen, dass man nach der Vorführung von "Whisky mit Wodka" mit einem gewissen Gefühl der Leere das Kino verlässt. Hier fehlt irgendetwas. Es hat wohl etwas damit zu tun, dass Dresen die tolle Fähigkeit besitzt, Figuren - egal wie überzeichnet oder irreal sie manchmal erscheinen - dem Zuschauer nahe zu bringen. Man entwickelt eine gewisse Fürsorge für diese Charaktere und ihre Lebensumstände. Diese Nähe macht den besonderen Reiz vieler seiner Filme aus. In "Whisky mit Wodka" muss man nun bestürzt feststellen, dass man diese Nähe zu diesen Figuren nicht entwickeln kann. Die Schicksalsschläge, die die Charaktere ereilen, die Sorgen und Beziehungsgeflechte, die der Film um sie herum baut, wirken so unecht und falsch wie der Trailerpark des Filmteams, der am Ostseestrand einen hässlichen Fremdkörper darstellt.

Man fühlt sich zwangsläufig an den zweiten Kinofilm dieses Jahres erinnert, der das Motiv der Dreharbeiten für einen Film als Kulisse für seine Geschichte nahm. In Pedro Almodovars "Zerissene Umarmungen" ist das Kino Leidenschaft und Lebenselixier in einem. Seine Figuren scheinen nur durch und mit dem Film leben zu können. Bei Dresen wirkt der Film als Element eher lästig.
Fast erscheint die emotionale Gleichgültigkeit, mit der man den Geschehnissen auf der Leinwand begegnet, gewollt. Vielleicht will "Whisky mit Wodka" uns das Umfeld des Filmemachens als ein eiskaltes Ökosystem präsentieren, in dem man nur auf Zuruf seine Gefühle und Emotionen abrufen kann und im wahren Leben bei den einfachsten Kommunikationswegen versagt. Vielleicht lässt der finanzielle Druck, am Ende einer Deadline ein fertiges Produkt abliefern zu müssen, keinen Platz mehr für die abgrundtiefe Liebe zum Medium.
Doch dann kann man sich berechtigt fragen: Wieso tun sich alle diesen Stress, diese unwürdige Behandlung eigentlich an? Frank Capra sagte einmal: "Film is a disease. When it infects your bloodstream, it takes over as the number one hormone; it bosses the enzymes. As with heroin, the antidote to film is more film." Dresens neuem Film ist diese Auffassung traurigerweise fremd. Der Blick aufs Kino, als kapitalistisches Wirtschaftssystem, mag in "Whisky mit Wodka" zwar beabsichtigt sein, doch überzeugen kann er nicht.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.