Süperseks

Originaltitel
Süperseks
Jahr
2004
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Beatrice Wallis / 17. März 2011

 

Elviz (Denis Moschitto) hat ein Problem. Der nächtliche Tanzwettbewerb, den er veranstaltet, wird von der Polizei aufgelöst: sein Publikum besteht fast nur aus Minderjährigen. Schade, aber nicht wirklich schlimm, wären da nicht die 50.000 Euro, die er sich von seinem vermögenden und geldgierigen Onkel Cengiz (Meray Ülgen) geliehen hat und für die er das Haus seiner Mutter in der Türkei verpfändete. Sein älterer Bruder (fabelhaft: Hilmi Sözer), bei dessen Familie Elviz lebt, ist am Boden zerstört und zwingt den Kleinen zur Arbeit in seiner Pita-Bäckerei. Nicht ganz das richtige, findet Elviz und hat zusammen mit seinem Freund Olaf (Martin Glade) eine geniale Geschäftsidee: die erste türkische Sexhotline. Alles läuft gut, schnell sind die richtigen Frauen angeheuert und schmeißen den Laden. Als aber eines Tages Elviz' Schwarm Anna (Marie Zielcke) vor der Tür steht, um sich für den Job als ‚Telefonistin' vorzustellen, findet Elviz die Idee mit der Hotline plötzlich nicht mehr so klasse.

Die Geschichte von "Süperseks" ist eigentlich nicht besonders originell: Cleverer Junge will das große Geld machen, unterwegs läuft so manches schief und dann taucht auch noch die große Liebe auf und macht alles noch komplizierter. Dass "Süperseks" von Regisseur und Spielfilmneuling Torsten Wacker, der bislang überwiegend Werbe- und Imagefilme drehte, trotzdem für erfreuliche Kinounterhaltung sorgt, hat mindestens drei gute Gründe. Erstens wird die Story mit Szenen ausgeschmückt, die zwar nicht unbedingt genial sind, aber dennoch ausgezeichnet unterhalten, zweitens wartet der Film mit tollen Darstellern auf und drittens spielt "Süperseks" in einer der hübschesten Städte, nämlich Hamburg.
Seiner simplen und übersichtlichen Handlung verpasst Wacker ihren ganzen eigenen Dreh mit vielen vergnüglichen Details und Figuren. Amüsant, wie die scheinbar nicht deutsch sprechende Frau im Vorstellungsgespräch für die türkische Hotline stumm neben ihrem plappernden Ehemann sitzt und als dieser hinausgeht plötzlich in akzentfreiem Deutsch sagt: " Ich habe drei Jahre für Beate Uhse gearbeitet". Oder als die selbstständige und jung gebliebene Mutter von Tarik und Elviz (viel zu selten im Kino zu sehen: Emine Sevgi Özdamar), die gerade ihr Haus in der Türkei verloren hat, unerwartet in Hamburg vor der Tür steht und ihrem ältesten erst mal eins überzieht, weil der nicht besser auf den kleinen Bruder aufgepasst hat. Überhaupt zeigt der Film einen Haufen selbstbewusster Frauen, die sich keineswegs von ihren große Reden schwingenden Männern unterdrücken lassen. Dem gegenüber steht ein wunderbares Spiel mit männlicher Doppelmoral, wenn dieselben Männer, die sich gerade noch bei der Sexhotline haben bedienen lassen und ihre eigenen Frauen dort Anheuern lassen, auf einmal gegen das boomende Jung-Unternehmen wettern. Hier finden sich natürlich jede Menge Klischees: der schnauzbärtige, türkische Familienpatriarch, die duckmäuserische Türkenfrau, die hinter Ehemanns Rücken alle Fäden in der Hand hält oder der erfolgreiche und assimilierte Türke, für den es nicht Schlimmeres gibt, als eine Tochter, die mit einem "echten" Türken zusammen ist. Der Film suhlt sich ausgelassen in diesen Klischees, aber er tut dies stets in freundlicher Absicht, ohne sie auszunutzen oder seine Figuren bloßzustellen.

Auch wenn in "Süperseks" fast ausschließlich türkische Figuren auftauchen, ist der Film weder Randgruppenkino noch bemühte Sozialstudie. Die ernsthafte Problematisierung von Mischkultur ist seine Sache nicht, stattdessen unterhält der Film lieber schlicht und kurzweilig. In seiner Einfachheit funktioniert "Süperseks" überaus gut. Ohne Wenn und Aber. Den Drehbuchautoren Kerim Pamuk und Daniel Schwarz ist es gelungen, überflüssige Handlungsstränge oder Figuren größtenteils zu vermeiden. Selbst Nebenfiguren, wie die ewig Kürbiskerne knackenden Männer, die im Film den ganzen Tag herumsitzen, tragen zum Gelingen der Geschichte bei und lassen den Altonaer Kiez lebendig werden. Die großartige Auswahl der Darsteller sorgt für ein übriges und kann sich wirklich sehen lassen. Neben gestandenen Akteuren wie Hilmi Sözer und Tayfun Bademsoy sind viele Jungstars zu sehen, allen voran Denis Moschitto in der Hauptrolle, Marie Zielcke als Anna, und die großartige Meral Perin als selbstbewusste und kluge Ehefrau von Tarik. Bis in die Nebenrollen ist der Film grandios besetzt, nicht zuletzt glänzt Peter Lohmeyer als zwielichtiger "Porno-Schneyder" mit einem kultverdächtigen Kurzauftritt.
"Süperseks" ist sicher kein großes Kino, aber allemal gut gemachte und sehr charmante Unterhaltung, die eine Stippvisite im Kino durchaus verdient hat, bevor es in die Fernsehverwertung geht. Stellenweise wirkt die Kameraführung zwar etwas bemüht, doch das verzeiht man gerne angesichts des zauberhaften Kameraflugs im Vorspann: vom Hamburger Hafen kommend, über das Heiligengeistfeld und das St. Pauli-Stadion, direkt auf den Hochbunker - ein echter Genuss. Und ein echter Geheimtipp, nicht nur für Hamburger: Wenn die Tage mal wieder so richtig grau sind, der Nebel über der Stadt hängt und es nicht hell werden mag, dann ist das der richtige Tag für "Süperseks". Nicht, dass man die Stadt hinterher liebt, aber die Welt sieht auf jeden Fall nicht mehr ganz so trübe aus.

Bilder: Copyright

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