Elviz
(Denis Moschitto) hat ein Problem. Der nächtliche Tanzwettbewerb,
den er veranstaltet, wird von der Polizei aufgelöst: sein Publikum
besteht fast nur aus Minderjährigen. Schade, aber nicht wirklich
schlimm, wären da nicht die 50.000 Euro, die er sich von seinem
vermögenden und geldgierigen Onkel Cengiz (Meray Ülgen)
geliehen hat und für die er das Haus seiner Mutter in der Türkei
verpfändete. Sein älterer Bruder (fabelhaft: Hilmi Sözer),
bei dessen Familie Elviz lebt, ist am Boden zerstört und zwingt
den Kleinen zur Arbeit in seiner Pita-Bäckerei. Nicht ganz
das richtige, findet Elviz und hat zusammen mit seinem Freund Olaf
(Martin Glade) eine geniale Geschäftsidee: die erste türkische
Sexhotline. Alles läuft gut, schnell sind die richtigen Frauen
angeheuert und schmeißen den Laden. Als aber eines Tages Elviz'
Schwarm Anna (Marie Zielcke) vor der Tür steht, um sich für
den Job als ‚Telefonistin' vorzustellen, findet Elviz die Idee
mit der Hotline plötzlich nicht mehr so klasse.
Die
Geschichte von "Süperseks" ist eigentlich nicht besonders
originell: Cleverer Junge will das große Geld machen, unterwegs
läuft so manches schief und dann taucht auch noch die große
Liebe auf und macht alles noch komplizierter. Dass "Süperseks"
von Regisseur und Spielfilmneuling Torsten Wacker, der bislang überwiegend
Werbe- und Imagefilme drehte, trotzdem für erfreuliche Kinounterhaltung
sorgt, hat mindestens drei gute Gründe. Erstens wird die Story
mit Szenen ausgeschmückt, die zwar nicht unbedingt genial sind,
aber dennoch ausgezeichnet unterhalten, zweitens wartet der Film
mit tollen Darstellern auf und drittens spielt "Süperseks"
in einer der hübschesten Städte, nämlich Hamburg.
Seiner simplen und übersichtlichen Handlung verpasst Wacker
ihren ganzen eigenen Dreh mit vielen vergnüglichen Details
und Figuren. Amüsant, wie die scheinbar nicht deutsch sprechende
Frau im Vorstellungsgespräch für die türkische Hotline
stumm neben ihrem plappernden Ehemann sitzt und als dieser hinausgeht
plötzlich in akzentfreiem Deutsch sagt: " Ich habe drei
Jahre für Beate Uhse gearbeitet". Oder als die selbstständige
und jung gebliebene Mutter von Tarik und Elviz (viel zu selten im
Kino zu sehen: Emine Sevgi Özdamar), die gerade ihr Haus in
der Türkei verloren hat, unerwartet in Hamburg vor der Tür
steht und ihrem ältesten erst mal eins überzieht, weil
der nicht besser auf den kleinen Bruder aufgepasst hat. Überhaupt
zeigt der Film einen Haufen selbstbewusster Frauen, die sich keineswegs
von ihren große Reden schwingenden Männern unterdrücken
lassen. Dem
gegenüber steht ein wunderbares Spiel mit männlicher Doppelmoral,
wenn dieselben Männer, die sich gerade noch bei der Sexhotline
haben bedienen lassen und ihre eigenen Frauen dort Anheuern lassen,
auf einmal gegen das boomende Jung-Unternehmen wettern. Hier finden
sich natürlich jede Menge Klischees: der schnauzbärtige,
türkische Familienpatriarch, die duckmäuserische Türkenfrau,
die hinter Ehemanns Rücken alle Fäden in der Hand hält
oder der erfolgreiche und assimilierte Türke, für den
es nicht Schlimmeres gibt, als eine Tochter, die mit einem "echten"
Türken zusammen ist. Der Film suhlt sich ausgelassen in diesen
Klischees, aber er tut dies stets in freundlicher Absicht, ohne
sie auszunutzen oder seine Figuren bloßzustellen.
Auch
wenn in "Süperseks" fast ausschließlich türkische
Figuren auftauchen, ist der Film weder Randgruppenkino noch bemühte
Sozialstudie. Die ernsthafte Problematisierung von Mischkultur ist
seine Sache nicht, stattdessen unterhält der Film lieber schlicht
und kurzweilig. In seiner Einfachheit funktioniert "Süperseks"
überaus gut. Ohne Wenn und Aber. Den Drehbuchautoren Kerim
Pamuk und Daniel Schwarz ist es gelungen, überflüssige
Handlungsstränge oder Figuren größtenteils zu vermeiden.
Selbst Nebenfiguren, wie die ewig Kürbiskerne knackenden Männer,
die im Film den ganzen Tag herumsitzen, tragen zum Gelingen der
Geschichte bei und lassen den Altonaer Kiez lebendig werden. Die
großartige Auswahl der Darsteller sorgt für ein übriges
und kann sich wirklich sehen lassen. Neben gestandenen Akteuren
wie Hilmi Sözer und Tayfun Bademsoy sind viele Jungstars zu
sehen, allen voran Denis Moschitto in der Hauptrolle, Marie Zielcke
als Anna, und die großartige Meral Perin als selbstbewusste
und kluge Ehefrau von Tarik. Bis in die Nebenrollen ist der Film
grandios besetzt, nicht zuletzt glänzt Peter Lohmeyer als zwielichtiger
"Porno-Schneyder" mit einem kultverdächtigen Kurzauftritt.
"Süperseks" ist sicher kein großes Kino, aber
allemal gut gemachte und sehr charmante Unterhaltung, die eine Stippvisite
im Kino durchaus verdient hat, bevor es in die Fernsehverwertung
geht. Stellenweise wirkt die Kameraführung zwar etwas bemüht,
doch das verzeiht man gerne angesichts des zauberhaften Kameraflugs
im Vorspann: vom Hamburger Hafen kommend, über das Heiligengeistfeld
und das St. Pauli-Stadion, direkt auf den Hochbunker - ein echter
Genuss. Und ein echter Geheimtipp, nicht nur für Hamburger:
Wenn die Tage mal wieder so richtig grau sind, der Nebel über
der Stadt hängt und es nicht hell werden mag, dann ist das
der richtige Tag für "Süperseks". Nicht, dass
man die Stadt hinterher liebt, aber die Welt sieht auf jeden Fall
nicht mehr ganz so trübe aus.
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