In einer perfekten Welt würde es diesen Film nicht geben. Nicht weil er so schlecht ist (naja, vielleicht doch). In einer perfekten Welt hätten es Millionen amerikanischer Hausfrauen nicht nötig, dämliche Selbstfindungs-Romane zu verschlingen, sie würden die Selbstfindung selbst erleben. Wir leben nicht in einer perfekten Welt, und so kann jemand wie Terry McMillan dicke Schmalzschinken á la „Waiting to exhale“ schreiben und damit unglaubliche Auflagen erreichen. Ihr letzter Hit hieß „How Stella got her groove back“, und dieses Buch hat wirklich jede Hausfrau einer bestimmten Einkommensklasse auf dem Nachttisch liegen gehabt. Bücher mit so unglaublichem Erfolg müssen heutzutage einfach verfilmt werden. Egal, wie lächerlich die Vorlage im Grunde genommen ist. Und egal, wie einfach die „Selbstfindung“ einer Frau (bzw. ihr „Groove“) hier gemacht wird.
So weit die einleitenden Worte vom Kollegen Helmke zur literarischen Vorlage. Traurig, daß ich diesen zugegebenermaßen gehässigen Worten nur noch weitere hinzufügen kann. Denn was „Stella’s Groove“ als filmische Umsetzung des „Schmalzschinkens“ bietet, setzt dem Ganzen die Krone auf.
„Stella’s Groove“ ist ein Märchen. Ein schlechtes.
„Stella’s Groove“ ist ein Witz. Ein ganz schlechter.
Und das einzige, was bei diesem Film groovt, ist bestenfalls die Musik.
Aber der Reihe nach. Stella Payne (Angela Bassett) ist eine 40-jährige alleinerziehende Karrierefrau.Die zweiwöchige Abwesenheit ihres Sohnes Quincy nutzt sie dazu, mit ihrer besten Freundin Dee (Whoopi Goldberg) Urlaub in Jamaika zu machen. Kaum dort angekommen trifft sie einen gerade mal halb so jungen Burschen (Taye Diggs), der sich ihr als Winston Shakespeare vorstellt. Stella läßt sich zu einem Urlaubsflirt und dann zu einem One-Night-Stand hinreißen, ohne zu merken, daß sie dabei ist, sich in den charmanten Jungen, der ihr Sohn sein könnte, zu verlieben. Zurück in San Francisco ist sie überrascht, daß sich Winston ein paar Tage später bei ihr meldet. Stella und Winston nähern sich langsam einer Beziehung an, wohlwissend, daß der Altersunterschied zwischen ihnen ihre aufkeimende Liebe beeinträchtigen wird.
Wer überrascht werden möchte, welche Schicksalsschläge bzw. Drehbuchwendungen das ungleiche Paar hinnehmen muß, bevor es sich zum wohlverdienten Märchenhappyend in die Arme schließen kann, sollte hier vielleicht aufhören zu lesen. Zwar sind die pseudo-dramatischen Plot-Turns in der zweiten Hälfte so vorhersagbar wie das süßliche Happy-End, und im allgemeinen ist dieser lächerliche Streifen auch nicht zur Ansicht zu empfehlen, aber es soll auch bei uns frustierte Hausfrauen geben, die sich diesen klischeeüberfrachteten Blödsinn ansehen werden. Wie ich bereits sagte: „Stella’s Groove“ ist ein schlechter Witz. Der Film fängt mit ein paar kurzen Sequenzen an, die uns Stella bei der Arbeit, mit ihrem Sohn etc. vorstellen. Und bereits hier hat der Film verloren. Die gesamte Exposition verkauft uns Stella als reinen Klischeecharakter. Und es wird schlimmer: Der Jamaika-Teil ist derart mit strunzdummen Stereotypen gefüllt, daß im Gegensatz dazu „Baywatch“ wie eine Dokumentarfilmreihe wirkt. Vom tumben „Welcome to Jamaica“-Klischeeneger bis hin zur lachhaft verkitschten Postkartenpromenade wird hier alles verwurstet, was sich eine Mary Lou Jones in Irgendwo/USA als Paradies vorstellt.
Und das alles ist noch der gute Teil des Films. Denn über diese Ansammlung von blöden Plattitüden kann man sich wenigstens noch einigermaßen amüsieren. Richtig schlimm wird es, wenn sich das Drehbuch in Richtung Drama orientiert: Selten hat man auf der Leinwand einen so aufgesetzten und unmotivierten Filmtod gesehen, wie den von Whoopi Goldberg. Man hat das Gefühl, daß dieser nur dazu dient, der mit Taschentüchern bewaffneten Zuschauerin eine Sterbebett- und Beerdigungsszene zu bieten, damit man mal wieder so richtig hemmungslos an der Schulter der besten Freundin weinen kann. Danach nehmen die kleinen und größeren Streitigkeiten von Stella und Winston einen derart breiten Platz ein, der ihnen ganz und gar nicht zusteht. Oberflächlich und klischeehaft werden die (durchaus interessanten) aufgeworfenen Fragen beantwortet, zudem auf eine Art und Weise, die der (intelligenten) Damenwelt nicht sonderlich gefallen dürfte: Nach einem heftigen Streit genügt Stella ein Blick auf den knackigen Körper ihres Freundes, um den Zwist zu vergessen und statt dessen unter der Dusche heftig zu kopulieren. Die ganze Beziehung zwischen Stella und Winston ist so oberflächlich dargestellt, daß man den Eindruck haben könnte, es gehe (zumindest Stella) nur um Sex. „How Stella got her Libido back“. Mit Selbstfindung hat das Ganze nichts zu tun und mit einem intelligenten Beitrag zu dieser Art von Filmen noch weniger.
Zu schade, daß sich auch eine Ausnahmeschauspielerin wie Angela Bassett („Tina-What’s Love Got To Do With It“, „Passion Fish“) zu einer eindimensionalen Klischeefigur degradieren läßt. „Stella’s Groove“ ist wie zu Zelluloid gewordene Fahrstuhlmusik – süßlich, nichssagend, belanglos. Bei Betrachtung dieses Films fallen mir nur drei V’s ein: verkitscht, verklemmt und verlogen. Groovy, Baby? Nein, ganz und gar nicht.
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