Im
Jahr 1983 feiert die Plattenfirma Motown Records ihr 25jähriges
Bestehen. Der Bassist James Jameson muss sich eine Eintrittskarte
kaufen, um an der Jubiläumsgala teilzunehmen. Drei Monate später
stirbt er. Er war einer der legendären Funk Brothers: Sie hatten
mehr Nummer-1-Hits als Elvis, die Beatles oder die Rolling Stones.
Und doch erinnert sich niemand an sie.
"That's Motown. But they never know us.", sinniert heute
ein übrig gebliebener Funk Brother in Paul Justmans Dokumentarfilm
"Standing in the Shadows of Motown" enttäuscht. Ihre
Musik ist weltbekannt, doch ihre Namen wissen die wenigsten. Die
Musiker der Funk Brothers stehen hinter fast jeder Motown-Produktion
der sechziger und frühen siebziger Jahre: Diana Ross and the
Supremes, The Temptations, Marvin Gaye oder Stevie Wonder - sie
alle spielten ihre Hits bei Motown Records, zusammen mit den Funk
Brothers, ein.
Nach
dem Zweiten Weltkrieg boomt in Detroit die Autoindustrie. Nahezu
die ganze Stadt arbeitet in der Montagehalle - nicht so die Funk
Brothers. Sie wollen nicht zwischen Autoteilen enden; sie wollen
Musik machen. Berry Gordy gründet vor Ort seine Plattenfirma
Motown Records. Und in den späten 50ern beginnen die ersten
Proben der Funk Brothers in der sogenannten ‚Schlangengrube'
oder dem ‚Studio A' - einer zum Musikstudio umfunktionierten
Garage.
Motown Records ist als "Hitsville USA" legendär geworden.
Doch dass die eigentliche Hit-Maschine dahinter die Funk Brothers
waren, ist eines der kleinen Geheimnisse der Pop-Musikgeschichte.
Regisseur, und unübersehbarer Fan Paul Justman fühlte
sich berufen, diese Perlen des Funk vor dem Vergessen zu bewahren.
Egal, ob bereits verstorbene Kultfiguren, gealterte Ikonen oder
aktuelle Soul- und Funkstars - Justman verbeugt sich mit seinem
Dokumentarfilm, "Standing in the Shadows of Motown" gebührend
vor jedem einzelnen.
Das lässt den Zuschauer natürlich nicht unberührt:
Wem fangen nicht die Füße an zu zucken bei den ersten
Takten von "Dancing in the Streets"? Wer spürt die
Schwingungen nicht; "… diese Kreativität und diese
irren Grooves … ", wenn wir sehen, wie zum Beispiel die
Klassiker "Where did our Love go" oder "My Girl"
aufgenommen werden. Man kann Justman nicht Faulheit vorwerfen oder
dass er nicht gründlich recherchiert hätte. Doch zuviel
Verliebtheit in all die vielen Blickwinkel einer Geschichte kann
einem den Spaß am großen Ganzen verderben - insbesondere,
wenn es um Musik geht. Wie heißt es so schön - Kill your
darlings! Der
Zuschauer muss sich in der Dokumentation über die Funk Brothers
aus einer Vielzahl von Perspektiven seine klare Linie zusammenbasteln:
Konzertbilder mit jungen Künstlern wie z.B. Ben Harper, Archivaufnahmen
der jungen Musiker, Studioproben der ‚Übriggebliebenen'
(zum Teil mit jungen Künstlern wie MeShell Ndegeocello oder
Montell Jordan) und nachgestellte Szenen aus alten Tourtagen gemixt
mit soziokulturellen Archivbildern machen es zugegebenermaßen
sehr schwierig diese Linie zu finden.
Weniger ist eben doch mehr. Aber auch wenn Paul Justmans Leidenschaft
ab und an ein wenig zügellos wirkt (O-Ton:"Das sind großartige
Menschen, nicht nur großartige Musiker."), ist "Standing
in the Shadows of Motown" doch ein liebevoller, bewegender
Film und für jeden, der auch nur den Ansatz Funk in sich spürt,
ein absolutes Must.
Nur noch mal zur Erinnerung: Das sind die Jungs, bei deren großen
Hits wir heute noch Gänsehaut bekommen. Vielleicht hilft dieser
kleine Film, dass sich auch wieder jemand an ihren Namen, Funk Brothers,
und nicht nur an ihre Plattenfirma Motown Records erinnert.
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