Schmalspurganoven

Originaltitel
Small Time Crooks
Land
Jahr
2000
Laufzeit
95 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 17. März 2011

Woody Allen hat es eigentlich nicht mehr nötig, sich in Arbeit zu stürzen oder über irgendwas groß aufzuregen. Mit inzwischen 64 Jahren gehört er zu den etabliertesten Filmemachern unserer Tage, hat seinen Scheidungsskandal mit Mia Farrow lange hinter sich gelassen, steht dank Meisterwerken wie „Der Stadtneurotiker“ oder „Purple Rose of Cairo“ in allen Filmgeschichtsbüchern, prägte die New York-Komödie wie kein Zweiter, und spielt immer noch jede Woche in seinem Lieblingsclub Klarinette. Gefestigt nennt man so einen Zustand im allgemeinen. Trotzdem macht Allen mit schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr einen Film. Aber vielleicht liegt es gerade an dieser Stabilität seines Daseins, daß Allen’s Werke langsam mehr in Richtung Durchschnitt tendieren und den kreativen Schwung früherer Tage vermissen lassen.
„Schmalspurganoven“ ist die 31. Regiearbeit von Woody Allen, und ganz sicher eine der schlechteren. Was bei einem Mann mit so eindrucksvoller Konstanz nicht gleich einen in der Tat schlechten Film erahnen läßt, sondern halt einen der zwar nett, aber ganz sicher nicht toll ist.

Mit seinen gewohnt einfachen Mitteln (Allen war noch nie ein Mann großer Budgets) erzählt er hier von dem relativ simpel gestrickten Ehepaar Ray und Frenchy, Tellerwäscher und Maniküre. Um den gemeinsamen Ruhestand in Florida zu sichern, kommt Ray eines Tages mit dem Plan für einen Banküberfall nach Hause. Aus einem leerstehenden Geschäft will er sich in die wenige Meter weiter gelegene Bank graben und den Tresor ausräumen. Während er und seine Kumpel im Keller buddeln, soll Frenchy im Erdgeschoss einen Keksladen betreiben, sozusagen zur Tarnung. Doch während unter der Erde so allerhand schief geht, entwickeln sich Frenchy’s Kekse zum absoluten Renner. Die ganze Stadt ist verrückt danach, und nachdem ein hilfsbereiter Polizist das Wort „Franchise“ ins Spiel gebracht hat, macht der Film einen Zeitsprung um ein Jahr, und Ray und Frenchy sind auf einmal die steinreichen Präsidenten des größten und beliebtesten Keks-Fabrikanten des Landes. 
Das klingt so dermaßen an den Haaren herbeigezogen, daß es nur ein billigster Plot-Device sein kann, und das ist es auch. Nur schade, daß anschließend Ray’s grenzdebile Komplizen von der Bildfläche verschwinden und auch die etwas Allen-untypischen, aber durchaus amüsanten Ansätze von Slapstick ein Ende finden. Denn jetzt geht die eigentliche Geschichte erst los, die sich indes als enorm uneinfallsreich entpuppt. Mit jeder Menge Schotter ausgestattet, könnte sich das fröhliche Pärchen eigentlich ein duftes Leben machen, doch wie das so ist: Mit dem Geld kommt auch der gesellschaftliche Umgang in höheren Kreisen, und da passen unsere beiden Arbeiterklasse-Gesellen natürlich rein wie eine Gruppe Fußball-Hooligans in die Staatsoper. Ray stört das nicht wirklich, aber Frenchy lechzt nach Anerkennung, nach Klasse, nach Stil, Kultur, Bildung und gutem Geschmack. Der Konflikt ist vorprogrammiert: Er schreit nach Cheeseburgern, sie will bei einem Society-Schnösel (Hugh Grant) Nachhilfe nehmen. 

Diese alte Mär vom Neureichen, der etwas sein will, was er nicht ist, und sich seiner selbst schämt, weil seine neue Umgebung nicht mit seiner alten klar kommt, wird hier zwar ansprechend, aber ohne jegliche Variation oder neue Aspekte aufgewärmt. So reitet der Film mächtig offensichtlich auf der einfachen Botschaft dieses alten Motivs herum, erzählt dabei eine allzu simpel gestrickte Geschichte mit „Deus ex machina“-Effekt und wäre eigentlich schlichtweg langweilig, wenn da nicht noch die Dialoge wären. Woody Allen ist nicht umsonst bereits 13mal für den Drehbuch-Oscar nominiert worden (und hat diesen zweimal gewonnen), wenn seine scharfzüngigen und gut beobachteten Dialoge nicht stets der heimliche Höhepunkt eines jeden Films wären. Heimlich ist das hingegen in diesem Falle nicht mehr, denn dank des unerwartet hölzernen Auftretens einiger Darsteller braucht man schon ein ordentlich geschliffenes Wort, damit der Zuschauer nicht doch noch in allgemeines Mißfallen umschwenkt. Auch wenn Allen schon wesentlich bessere Skripts produziert hat, sind die Wortgefechte seiner Figuren doch von gewohnter Klasse, bergen realistische Sprachmuster und einen tiefgründigen, geistreichen Witz, der zwar nur selten für lautes Gelächter, aber dafür umso häufiger für ein amüsiertes Schmunzeln sorgt. Wie es bei Allen eben schon immer der Fall war.

Die Routine kehrt ein beim Altmeister der sophisticated comedy, und sie kehrt auch ein bei seinen Zuschauern. Er macht halbwegs geistreich-niveauvolle Filme, wir zollen ihm dafür jedes Jahr den verdienten Respekt. Die Abstände zwischen seinen großen Würfen wachsen, unser Wohlwollen wächst mit. Manche Leute sind einfach so etabliert, daß man ihnen selbst dann nicht böse werden kann, wenn sie nachlassen. Woody Allen gehört ganz sicher dazu.

Bilder: Copyright

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