Schläfer

Originaltitel
Schläfer
Jahr
2005
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 17. März 2011

 

Der junge Virologe Johannes wird vor seinem ersten Arbeitstag in einem Universitäts-Forschungslabor vom Verfassungsschutz angesprochen, um als Informant über seinen neuen Kollegen Farid zu dienen, ein islamischer Algerier, der von der Behörde für einen möglichen Schläfer gehalten wird - ein Terrorist, der auf seine Aktivierung wartet, um seine Mission auszuführen. Johannes lehnt zunächst bestürzt ab, und Farid entpuppt sich - trotz ihrer beruflichen Rivalität, da sie an ähnlichen Projekten arbeiten - nicht nur als ein fairer Kollege, sondern bald auch als ein echter Freund für ihn. Trotzdem gelingt es Johannes nicht, die leisen Zweifel an Farid loszuwerden, dessen Verhalten den auf ihm liegenden Verdacht nicht entkräften kann. Doch erst, als sich die beiden Freunde in dasselbe Mädchen, die Kellnerin Beate, verlieben, und sie zu immer größeren Konkurrenten im Forschungslabor werden, scheint Johannes' Misstrauen überhand zu nehmen.

Regisseur Benjamin Heisenberg möchte seinen Film auch losgelöst vom aktuellen zeitgeschichtlichen Kontext als allgemeingültiges Statement zum Thema Ver- und Misstrauen, Neid und Freundschaft verstanden wissen. Dennoch funktioniert "Schläfer" vor allem als Geschichte im Hier und Jetzt, wo die latente Angst vor internationalem Terrorismus und die unweigerlich schiefen Blicke in Richtung verdächtiger islamischer Mitbürger unsere Gesellschaft prägen. Gerade die Tatsache, dass Heisenberg mit dieser just sehr präsenten Paranoia spielt, macht seinen Film überhaupt erst interessant. Erwischt man sich doch selbst dabei, wie man mit Johannes zusammen die kleinsten Details in Farids Alltag, Leben und Verhalten auf Hinweise über eine mögliche Sympathie für den Terrorismus untersucht.
Für gut die erste Hälfte des Films funktioniert das auch sehr effektiv. Doch leider entwickelt sich diese auf dem Gefühl der Unsicherheit basierende Spannung nicht weiter, da sich herausstellt, dass die entscheidende Frage bei "Schläfer" nicht die ist, ob Farid tatsächlich ein Terrorist ist, sondern ob Johannes seinen Kollegen schließlich verraten wird oder nicht. Hier verliert der Film leider einen Großteil seiner Spannung, denn während man als Zuschauer die Zweifel von Johannes in der ersten Hälfte noch nachvollziehen kann, entfremdet sich diese vermeintliche Identifikationsfigur im weiteren Verlauf zusehends, da Johannes' Reaktionen nur mehr durch sein ganz persönliches Verhältnis zu Farid (zunehmend ein Rivale in Liebe und Beruf) geprägt werden.
Die Thriller-Elemente, die "Schläfer" hätte haben können, werden also nicht entfaltet, und die Hinweise, die Farid verdächtig erscheinen lassen, bleiben zu nebulös und uneindeutig, um überzeugende Indizien darzustellen. Das liegt so auch offensichtlich in der Absicht des Regisseurs, dem es einzig um den inneren Prozess des als sehr verantwortungsvoll portraitierten Johannes und die Vermischung von Privatem, Beruflichem und Politischem geht. Für das, was Heisenberg erzählen will, ist es letztlich unerheblich, ob Farid schuldig ist oder nicht - deswegen spart er diese Antwort auch konsequent aus. Für die Geschichte, die dann noch übrig bleibt, ist "Schläfer" allerdings eindeutig zu lang geraten, und vom erzählerischen Gehalt her hätte der Film gut eine Viertelstunde kürzer ausfallen können.

"Schläfer" bietet nicht genug Dramatik, um 100 Minuten Laufzeit zu rechtfertigen und überzeugend füllen zu können, weswegen Heisenbergs durchaus interessante thematische Ansätze leider auch etwas an Faszination verlieren, da sie zu weit ausgereizt werden. Schlussendlich ist "Schläfer" mehr ein Statement zu einem Thema als eine Geschichte darüber, und weil es dem Film dementsprechend an einem ordentlichen Erzähltempo und spannenden Wendungen fehlt, eignet er sich auch besser als Diskussionsgrundlage denn als Seh-Vergnügen. Eine überzeugende Leistung des Kino-Debütanten Heisenberg, aber noch kein überzeugender Film.

Bilder: Copyright

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