Saint Jacques... Pilgern auf Französisch

Originaltitel
Saint Jacques - La Mecque
Land
Jahr
2005
Laufzeit
103 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Februar 2011

 

Ob es an der religiösen Renaissance oder an der spirituellen Sinnsuche der modernen Europäer liegt - Pilgerreisen sind in aller Munde. In Deutschland liegt das Interesse an der mittelalterlichen Wallfahrt zum größten Teil an dem Erfolg von Hape Kerkelings Reisebericht "Ich bin dann mal weg". Seine persönliche und nicht nur aufs Komische abzielende Darstellung seiner Wanderung auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela findet immer mehr Nachahmer. Ob Wandervogel, Landschaftsliebhaber, gesellschaftlicher Aussteiger oder Eventjäger; die modernen Pilger haben wohl kaum mehr die religiösen Bedürfnisse und Hoffnungen auf himmlisches Heil wie ihrer mittelalterlichen Vorfahren. Ihre verklärten Gesichter nach der Rückkehr sprechen dennoch von einer geistigen Erweckung aus dem dumpfen Alltag des Konsums. Der Ausbruch in die Natur zur Findung seines eigenen Wesens - ist das überhaupt möglich?

Schenkt man den Begebenheiten der neun Pilger aus "Saint Jacques… Pilgern auf Französisch" Glauben, ist eine Pilgerreise zumindest eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Nur etwa die Hälfte der Wanderer kommt freiwillig und muss sich dennoch den Anstrengungen des Laufens und der Einfachheit der Herbergen unterwerfen. Sie machen Reiseleiter Guy (Pascal Légitimus) das Leben schwer. Allen voran die drei Geschwister Clara (Muriel Robin), Pierre (Artus de Pengueren) und Claude (Jean-Pierre Darroussin). Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und haben sich entsprechend wenig Herzliches zu sagen. Doch ihre verhasste Mutter zwingt die drei noch aus dem Grab, sich zu versöhnen: Um das gewaltige Vermögen der betuchten Dame erben zu dürfen, müssen sie zu dritt eine Pilgerreise unternehmen. Da Claude, ein geschiedener Alkoholiker mit kleiner Sozialhilfe, und Clara, Lehrerin mit großer Familie in renovierungsbedürftigem Haus, ziemlich pleite sind, überreden sie den reichen und nervösen Unternehmer Pierre sich ihnen anzuschließen.
Auch die anderen Pilger haben ihre Zimperleine: Araber Saïd (Nicolas Cazalé), schon ewig verliebt in die hübsche Camille (Marie Kremer), hofft nun auf der Pilgerreise die lang ersehnte Annäherung an seine Liebste zu bewerkstelligen. Mit dabei: Sein Cousin Ramzi (Aymen Saïdi), ein Legastheniker, der fest davon überzeugt ist, nach Mekka zu pilgern, um dort für die Heilung seiner "Dummheit" zu beten. Auch die stille und in sich gekehrte Mathilde trägt eine problematische Vergangenheit mit sich rum.

Coline Serreau ("Drei Männer und ein Baby") hat gut daran getan, die Umsetzung des Wallfahrtsstoffes als Komödie anzulegen. So umgeht sie geschickt mögliche Problematisierungen in religiöser und spiritueller Hinsicht und schweift nicht in eine Landschaftsdokumentation ab. Obwohl die Inhaltsangabe schlicht klingt, sind die Themen von "Saint Jacques" sehr umfangreich. Da es die Länge des Films nicht zulässt, die Wünsche und Probleme aller neun auftretenden Pilger gleichermaßen sorgfältig zu behandeln, beschränkt sich Serreau auf fünf Figuren, die im Film eine Weiterentwicklung erleben dürfen. Bei den übrigen belässt sie es bei Andeutungen.

"Saint Jacques" ist eine Tragikkomödie, die spielend und ernst zugleich mit ihren Protagonisten umgeht. Alkoholismus, Krebs, Kindererziehung und zerbrechende Beziehungen sind die großen Sorgen, die sich hinter den Anstrengungen des Wanderns und den schmerzenden Füßen verstecken und selten zum Vorschein kommen. Als Zuschauer begleitet man die Pilger als Mitreisender, Einblick in ihr Inneres bekommt man nur durch ihre Träume.
Diese surrealistischen Inszenierungen, eingerichtet in der erwanderten Landschaft, durchbrechen die klassische Filmtechnik der Tagesaufnahmen. Poetisch und mystisch reihen sich Fabeltiere, Masken und Begegnungen aneinander und geben den Blick frei auf die Träume, Wünsche und Ängste der Wanderer, die sehr oft im Widerspruch zu ihrem Handeln und Verhalten stehen. Diese ästhetisch wunderbaren Szenen bereichern die Bilder der Wanderungen und ergänzen die Entwicklung der Charaktere.

Durch "Saint Jacques…" zieht sich eine ausgewogene Mischung aus Tragik und Komik, die nichts banal erscheinen lässt. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Pierre und Mathilde ist zart angedeutet und ertränkt sich nicht in Kitsch. Auch die zerbrechende Ehe von Guy springt nicht durch Effekt heischende Dramatik und große Gestik auf die Leinwand, sondern schleicht sich langsam heran - wie im richtigen Leben. Zum Ende hin lässt der spielerische Umgang mit den Personen nach und sucht doch noch nach einem dramatischen Abschluss. Manche Dinge sind vorhersehbar, manche überraschend, fast immer jedoch stimmt die Mischung.
"Saint Jacques…" ist leicht und nicht oberflächlich, ein schöner Film zum Träumen, der die Abenteuer- und Wanderlust kitzelt. Er erscheint etwas zu modisch korrekt auf der Kinoleinwand und nimmt sich ähnlich wie "L'auberge espagnol - Barcelona für ein Jahr" einen Trend zum Thema, dem gerade viele potentielle Zuschauer folgen oder folgen werden. Aber das soll seinen Genuss nicht schmälern.

Bilder: Copyright

9
9/10

Eines unserer diesjährigen Firmprojekte ist das Thema "Jakobusweg". In der Vorbereitungsphase haben wir Firmbegleiterinnen uns Gedanken gemacht, wie wir den Jugendlichen Zugang zum Jakobusweg verschaffen. Der Film "Pilgern auf Französisch" von Saint Jacques war der gelungene Einstieg dazu. Die Jugendlichen im Alter von 14-15 Jahren erlebten in diesem Film die Szenerie eines zerstrittenen Geschwisterpaares, wurden mit den unterschiedlichsten Alltagslasten der Pilgerer konfrontiert. Die Inszenierung dieses Filmes hatte für uns Zuschauer zu Beginn des Filmes eine starke Auswirkung auf die Lachmuskeln. Im weiteren Verlauf schwenkte der Film von spaßiger Komödie in Nachdenklichkeit um, wobei so manches Taschentuch nicht trocken blieb. Für die Jugendlichen und uns Erwachsenen war dies ein toller Film zu unserem Projekt, der auch darüber hinaus zu Diskussionen anregte.

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10
10/10

Ich habe mir den Film im Kino angesehen und war angenehm überrascht.
Toller Film mit (für mich) typisch französischen Humor.

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