Der junge Mwa (Joseph Wairimu) bricht aus den Slums nach Nairobi auf, um seinen Traum Schauspieler zu werden in die Tat umzusetzen. Gleich bei seiner Ankunft wird er auf offener Straße ausgeraubt und steht fortan ohne Geld und Job da. Hilfe findet er bei dem Gangleader Oti (Olwenya Maina), mit dessen Bande er fortan durch die Straßen zieht, um Autoersatzteile zu klauen. Mwas Talent verschafft ihm bald darauf eine Rolle im Phönix Theatre, die zudem ironischerweise sein eigenes Leben wiederspiegelt. Seine schauspielerischen Fähigkeiten sind der neuen Gang zwar von großem Nutzen, doch drohen Mwas Probleme aus der Vergangenheit letztendlich allen zum Verhängnis zu werden. Und seine erwachenden Gefühle für Otis Freundin Amina (Nancy Wanjiku Karanja) komplizieren die Lage zusätzlich.
Der Fokus liegt in „Nairobi Half Life“ ganz klar auf den „kleinen Leuten“, die versuchen, sich durch ehrliche Arbeit oder aber durch Prostitution, Schauspielerei und Diebstahl über Wasser zu halten. Korruption, Betrug, Bestechung, Bandenkriege und Morde - das alles gehört dabei zum Alltag Nairobis. Der kenianische Regisseur Tosh Gitonga feiert mit "Nairobi Half Life" sein Debut und schafft es mit Witz und Action, dass manchmal sehr harte Leben in Kenias Hauptstadt einzufangen. Elemente von Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“ finden sich in Mwas Theaterstück wieder und das Fernando Meirelles „City of God“, dem kenianischen Regisseur als großes Vorbild diente, ist unübersehbar, auch wenn die durchaus beabsichtigte Brutalität durch Mwas Charme etwas in den Hintergrund gedrängt wird.
Denn trotz der ernsten Thematik behält der Protagonist Mwa immer ein Lächeln auf den Lippen, welches das Publikum sofort in seinen Bann zieht und sicherlich nicht ganz unschuldig an der Auszeichnung als „Bester Darsteller“ ist, die Joseph Wairimu verdient für seine erste Rolle auf dem Durban International Film Festival gewann. „Nairobi Half Life“ wurde nun sogar als erster kenianischer Film überhaupt für den besten fremdsprachigen Film bei den Oscars eingereicht. Und zumindest was die „schönste Scheißhaus-Szene“ betrifft, macht er dem vielfach ausgezeichneten „Slumdog Millionär“ durch die Szene, in der Mwa die Gefängnistoiletten putzen muss, ernsthafte Konkurrenz bzw. setzt da noch einmal ganz neue Maßstäbe.
Joeseph Wariumu gehört wie Tosh Gintonga zu den Absolventen des Film-Workshops von 2010, der von One Fine Days Films in Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle Akademie und der in Nairobi ansässigen Firma Ginger Inc. auf die Beine gestellt wurde. "Nairobi Half Life" ist nach dem sehr erfolgreichen Pilotprojekt „Soul Boy“ das Zweite, das von "One Fine Days"-Gründer Marie Steinmann und ihrem Mann, Deutschlands Top-Regisseur Tom Tykwer („Das Parfum“, „The International“) begleitet wird. Über 50 Teilnehmer durchlaufen unter sieben Mentoren aus Deutschland und Großbritannien die verschiedensten Filmabteilungen, wie Drehbuch, Schnitt, Regie und Schauspielerei. Der Anspruch, eine afrikanische Geschichte auf internationalem Niveau zu erzählen, war dabei sehr hoch. Tosh Gintonga, der auch schon bei „Soul Boy“ mitgearbeitet hatte, wurde schließlich als Regisseur ausgewählt und stand vor der Herausforderung, innerhalb von zwei Wochen ein Team zusammenzustellen, die über 70 Drehorte auszuwählen und den Film dann innerhalb eines Monats fertig zu drehen.
Man kann daher durchaus sagen, dass die Filmindustrie in Kenia mit diesem Film einen Meilenstein hinlegt oder vielmehr einen „Goldenen Guss“, wie Oti-Darsteller Olwenya Maina es bezeichnet. Der Film hält sich in seinem Heimatland dann auch bereits länger im Kino als die konkurrierenden amerikanischen Hollywoodblockbuster dieses Jahres. Kleine Pannen oder Auffälligkeiten wie etwa die ständig in die Kamera schauenden Statisten steigern dabei eher die Authentizität des Films als das man von Unprofessionalität sprechen sollte. Denn gemessen an den Bedingungen, unter denen dieser Film entstand, ist das Ergebnis ein beeindruckendes Werk. Eines, das einen mit einem lachenden und weinenden Auge und der Botschaft „Schaut nicht weg“ aus dem Kino entlässt.
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