Liebe Mauer

Originaltitel
Liebe Mauer
Jahr
2009
Laufzeit
105 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 23. August 2010

In Tagen, in denen das zwanzigjährige Jubiläum des Berliner Mauerfalls in allen Medien genauso ausgiebig wie natürlich zu recht gefeiert wird, ist es nicht ganz sicher ob das Publikum auch noch Zeit und Interesse für einen neuen Kinofilm zum Thema aufbringen wird. Es könnte aber gelingen, weil Regisseur und Autor Peter Timm ("Rennschwein Rudi Rüssel", Manta - Der Film") sein durchaus ernsthaftes Anliegen klugerweise mit einer netten Liebes- und Verwechslungsgeschichte garniert, die auf die Herzen der Zuschauer zielt und punktgenau auf ein tatsächlich mal historisch verbürgtes Happy-End zusteuert.

Es ist Herbst 1989, als die Studentin Franzi (Felicitas Woll) mit Ihrem Rucksack in Berlin eintrifft. Das Geld ist knapp und so bezieht sie nicht nur eine günstige Wohnung direkt am Grenzübergang, sondern befolgt auch gleich den Tipp sich zum günstigen Lebensmitteleinkauf in den Ostteil der Stadt zu bewegen. Nach ersten Erfahrungen mit den Schikanen der DDR-Beamten macht sie auf Umwegen die Bekanntschaft des hilfsbereiten Grenzsoldaten Sascha (Maxim Mehmet). Der absolviert eher widerwillig seinen Dienst auf dem Wachturm direkt gegenüber von Franzis Wohnung und bekommt auch schon bald Ärger mit den Vorgesetzten. Doch die Flamme ist entbrannt und bald verabreden sich die beiden Neuverliebten regelmäßig im Osten der Stadt. Beobachtet werden sie dabei aber von den omnipräsenten Geheimdiensten auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, deren willfährige Helfer in ihrer Jagd auf potentielle Informanten oder Geheimnisverräter überhaupt nicht mitbekommen, was sich währenddessen für gewaltige politische Umwälzungen in ihrer unmittelbaren Umgebung ereignen.

Ganz klar: Würde sich diese Liebesgeschichte ein paar Jahre oder auch nur Monate früher abspielen, wäre sie wohl definitiv zum Scheitern verurteilt, angesichts der Umstände und der Autoritäten, die Franzi und Sascha weder ihr Glück gönnen, noch die Beiden überhaupt mal für ein paar Stunden in Ruhe lassen können. So aber wissen wir, dass der Tag, an dem Franzi mit Saschas bester Freundin Uschi (Anna Fischer) die Rollen tauscht, der 9. November 1989 ist und das sich an diesem Abend so Einiges verändern wird.
So erzählt und konstruiert man Kinogeschichten, und das weiß natürlich der Veteran Peter Timm, der schon in Filmen wie "Meier" oder "Go Trabbi Go" die deutsch-deutsche Vergangenheit auf meist komödiantische Weise aufs Korn nahm. Timm rückt aber insbesondere bei seinem aktuellen Film nun die eigene Vergangenheit ins Bild, sah sich der Filmemacher doch vor Jahrzehnten selbst stundenlangen Verhören durch die Stasi ausgesetzt und wurde schließlich gegen seinen Willen aus der DDR ausgewiesen und von seinem zweijährigen Sohn getrennt. Man darf also getrost davon ausgehen, dass der Autor und Regisseur weiß, was er hier schildert und erzählt, und es überrascht fast ein wenig, dass er sich in seinem bisherigen Werk so betont milde und heiter mit dem Thema beschäftigte.
Das gilt für "Liebe Mauer" nun nur zum Teil, denn neben der beschwingten Lovestory bekommen wir auch gebrochene Lebensentwürfe (in der Person von Saschas Vater) und einige Momente zu sehen, welche die gnadenlose Konsequenz und Brutalität, mit der die uniformierten Schergen in jeden noch so kleinen Bereich des eigentlich privaten Lebens eindrangen, deutlich aufzeigen. Das gipfelt dann in einer beinahe schon absurden Szene, in welcher der von Thomas Thieme ("Das Leben der Anderen") gespielte Stasi-Major Kutzner den mit einer Abhörwanze ausgestatteten verunsicherten Sascha mit den Worten anbrüllt: "Mann, die soll Sie doch für einen Aufrührer halten. Also bestätigen Sie gefälligst ihr Bild - natürlich bin ich ein Stasi-Schwein!". Erfreulich in dieser Hinsicht, dass Timm aber nicht an einer einseitigen Abrechnung gelegen ist, denn das Treiben der westdeutschen und US-Geheimdienste, die selbstredend ebenfalls von der Angelegenheit Wind bekommen haben und auch ähnlich abenteuerliche Verrenkungen unternehmen, um sich die Dienste neuer Informanten zu sichern, wird schließlich auch nicht ausgespart. Die Grenze zur Karikatur wird dabei gelegentlich allerdings doch ein wenig mehr als nur leicht gestreift.

Während die Beleuchtung des gesellschaftlichen Hintergrunds also als recht gut gelungen angesehen werden kann, bleibt für die eigentliche Liebesgeschichte fast etwas zu wenig Zeit übrig. Zwar überzeugen Felicitas Woll ("Berlin, Berlin", "Dresden") und Maxim Mehmet ("Männerherzen") als frisch verliebtes und sympathisches Paar, aber nach dem ersten richtigen "Kennenlernen" geht es dann auch schon Hals über Kopf auf zur großen Verwechslungsfarce der finalen Nacht, in der für Charakterentwicklung wenig Zeit bleibt und bei der Peter Timm aufgrund dezent ausbrechender Hektik leider auch noch einige der Möglichkeiten verschenkt, die diese klassische Komödiensituation doch grundsätzlich anbietet. Anna Fischer (die schon an der Seite von Mehmet in "Fleisch ist mein Gemüse" zu sehen war) stiehlt dabei den beiden Hauptdarstellern zudem noch als temperamentvolle und wild drauflos sächselnde Freundin in den meisten ihrer Szenen ein wenig die Schau.

Einen dicken Pluspunkt verdient sich der Film allerdings mit der Inszenierung der Grenzöffnung am Ende, denn die ist (trotz künstlich nachgebautem Mauerset) wirklich sehr überzeugend gelungen und versteht es, auch emotional zu berühren. Und vor allem deshalb ist das Anschauen von "Liebe Mauer" dann eben doch ein brauchbares Mittel, um vielleicht auch jüngeren Leuten, die es selbst nicht bewusst miterlebt haben, dieses bemerkenswerte Ereignis deutscher Geschichte ein wenig näher zu bringen.

Bilder: Copyright

7
7/10

Ich mag ja die Woll :-)

Und hier hat sie mich auch wieder überzeugt, auch wenn ich die Rollentauschgeschichte aufgrund der mangelnden Ähnlichkeit zwischen den beiden Mädels etwas unglaubwürdig finde.

Ansonsten ein netter Film, der das Feeling von damals ganz gut rüberbringt,wa?

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