Santa Barbara, 1979: Dorothea (Annette Bening) ist die alleinstehende Mutter eines Sohnes im Teenageralter, Jamie (Lucas Jade Zumann). In Abwesenheit einer wirklichen Vaterfigur versucht Dorothea, ihre beiden Untermieter, den etwas verpeilten Althippie William (Billy Crudup) und die junge Feministin/Künstlerin/Aktivistin Abbie (Greta Gerwig) in die Erziehung von Jamie einzubinden. Und dann ist da noch Julie (Elle Fanning), Jamies Freundin aus Kindertagen, in der Jamie vielleicht mehr sieht als nur eine Freundin...
Alter, ist es tatsächlich schon 18 Jahre her, dass Annette Bening mit „American Beauty“ letztmals im Rampenlicht stand? Und auch schon 17 seit Billy Crudup mit „Almost Famous“ doch nicht zu einem großen Star wurde? Alter, bin ich alt geworden! Wem es jetzt so ähnlich geht wie dem Rezensenten: Immerhin kann man jetzt diesen Film als ein Wiedersehen mit alten Freunden sehen, denn wann war das letzte Mal, dass diese beiden Stars nicht nur in irgendwelchen wohlwollenden Nebenrollen verheizt wurden? Klar, Crudups Rolle hier ist auch eine Nebenrolle, dennoch hinterlässt er hier deutlich mehr Eindruck als in den meisten seiner Ausflüge ins Mainstreamkino wie gerade im zeitgleich anlaufenden „Alien: Covenant“. Der Monsterstreifen wird natürlich viel mehr Zuschauer haben, auch wenn – nicht nur für Crudup-Fans – hier der wesentlich bessere Film wartet.
„Jahrhundertfrauen“ ist das, was man gemeinwohl einen „hanging out film“ nennt, also einen Film in dem man hauptsächlich mit den Figuren abhängt, ohne dass diese Zeit mit (hoffentlich) interessanten Figuren groß durch einen Plot gestört wird. Jahrelang war ja Richard Linklater der König dieser Art von Film (und ist es, wie im letzten Jahr bei „Everybody Wants Some!“ gesehen, eigentlich immer noch) und auch wenn Mills nicht ganz an Linklaters große Filme herankommt, so ist ihm doch ein feiner, kleiner Film gelungen, der ein bisschen Zeit im Mikrokosmos seiner halben Dutzend Figuren verbringt, ohne letztendlich mehr erzählen zu wollen, als die kleinen Abenteuer der etwas schrägen Wohngemeinschaft rund um Dorothea. Gänzlich unaufgeregt ist das Tempo hier, und gänzlich unaufgeregt, aber mit einem Lächeln auf dem Gesicht, geht man letztendlich auch aus diesem Film heraus.
„Jahrhundertfrauen“ ist ein Film, der Freunden als Empfehlung schwierig zu beschreiben ist, weil er eben nichts Besonderes besonders außergewöhnlich macht. Was ihn wiederum doch ein bisschen besonders macht. Denn auch die Indie-Dramödien haben mittlerweile ja feste Standards und Plotwendungen, die sich nur noch wenig vom Hollywoodmainstream abheben, und auch um diese kommt „Jahrhundertfrauen“ glücklicherweise herum. Wenn etwa Jamie und Julie in der zweiten Hälfte des Film irgendwann entscheiden, abzuhauen, denkt man unwillkürlich: Ah, Road Trip, jetzt treffen die beiden ein paar schräge Nebenfiguren, der Rest der Wohngemeinschaft begibt sich auf ebenso abgefahrene Verfolgungsjagd etc. etc. Und dann wird dieses Plotsträngchen ebenso unaufgeregt und zudem sehr rasant abgehandelt. Apropos rasant: Angesichts des gemächlichen Tempos ist der Film mit fast zwei Stunden vielleicht einen Tick zu lang geraten.
Freilich ist die entspannte Haltung des Films natürlich auch etwas, was zum Nachteil gereichen kann, denn es fällt dabei wie gesagt schwer, nun Teile des Films gesondert hervorzuheben. Alles läuft hier seinen gemütlichen Gang, abgeschmeckt mit pointierten Beobachtungen zum erwachsen werden oder nie ganz erwachsen sein, zum allein sein inmitten von Leuten oder dem Zusammenarbeiten, zu den Gräben zwischen Mann und Frau und alt und jung – und wie man diese vielleicht überwinden kann. Was man dagegen hervorheben kann sind die ausgezeichneten Leistungen des Ensembles, denn die zentralen Fünf sind allesamt überzeugend, von Indie-Queen Greta Gerwig zum Newcomer Lucas Jade Zumann.
Mike Mills Film ist – und das sieht man diesem warmherzigen Film auch an – eine sehr persönliche Liebeserklärung an seine Mutter geworden, denn auch wenn man vielleicht nicht ganz den semi-autobiografischen Glanz eines „Almost Famous“ erreicht, so ist doch eindeutig, dass Jamie auf Mills selbst und Dorothea auf seiner eigenen Mutter beruht. Und wie der Regisseur erklärt, basieren auch die anderen Castmitglieder auf einer oder mehrerer Personen, die er während seiner Jugend kannte. Und weil sich das Teenagerleben eben außerhalb wilder Hollywoodfantasien eher so abspielt wie hier – lernen, mit Mädchen zu reden; sexuell frustriert sein; mit Augenrollen die gut gemeinte Hilfe der wohlwollenden Mutter überstehen – dürfte sich trotz der Semi-Autobiographie jeder zumindest ein bisschen in den unaufgeregten Abenteuern von Jamie und seiner Ersatzfamilie wiederfinden. Was dann sehr eindeutig für einen entspannten Kinoabend in Begleitung einiger „Jahrhundertfrauen“ spricht.
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