Die große Reise

Originaltitel
Le Grand Voyage
Jahr
2004
Laufzeit
102 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 30. Januar 2011

 Während in Frankreich gerade die Angst vor marokkanischen Jugendlichen umgeht, weil in den Vororten fast der Bürgerkrieg tobt, erreicht uns ein Film, der ein ganz anderes Bild dieser Generation von in Frankreich geborenen Kindern marokkanischer Eltern zeichnet. Das schöne Roadmovie von Ismaël Ferroukhi begleitet einen gläubigen Vater und seinen ganz weltlichen Sohn auf eine Reise nach Mekka, und wurde bei den Filmfestspielen in Venedig als bestes Spielfilmdebüt ausgezeichnet.

Réda (Nicolas Cazalé) steht kurz vor seinem Abitur, als sein Vater ihn zwingt, ihn nach Mekka zu fahren. Der Junge ist mehr als wütend darüber, da er jetzt vielleicht durchs Abitur fallen wird und seine Freundin so lange nicht sehen kann. Die Reise mit dem Auto führt sie von Frankreich aus durch Italien, die Slowakei, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Jordanien und schließlich nach Saudi-Arabien. Anfangs verstehen sich Vater und Sohn überhaupt nicht, sondern streiten dauernd, doch langsam beginnt ein Verständnis, welches über Generationen und Glauben hinweg zu einem anderen Umgang miteinander führt. Verachtet Réda seinen Vater am Anfang noch, weil er ein Analphabet ist und seinen Sohn zu einer für ihn unnützen Reise zwingt, so wird der Vater immer mehr zum verlässlichen Partner, der, je weiter sie nach Osten fahren, umso weiser und kundiger ist als sein moderner Sohn.

Ismaël Ferroukhi inszeniert diese Geschichte sicher und einfühlsam, so dass der Zuschauer sich nicht nur an schönen Landschaftsaufnahmen, sondern auch an einer schönen Geschichte über Einwanderer und ihre - den Traditionen und religiösen Anschauungen so entfremdeten - Kinder der neuen Kultur erfreuen kann. Keiner der beiden Protagonisten wird entblößt oder als besser als der andere dargestellt. Beide haben ihre Fehler, doch lernen sie einander ohne viele Worte zu verstehen und sich zu vertrauen.
Doch gibt es etwas, was der Regisseur versäumte. Es wird dem (nicht-islamischen) Zuschauer zu wenig über die Säulen des Islam erklärt, um die Handlungen der Protagonisten besser verstehen zu können. So erfährt man zwar, dass die Pilgerfahrt nach Mekka eine dieser Säulen des Islam ist, doch fehlen hier Informationen über die anderen (das Glaubensbekenntnis, das Gebet, die Almosensteuer und das Fasten), besonders da die Armensteuer in diesem Film von zentraler Bedeutung ist und ohne Wissen darüber das Ende auch nicht vollständig verstanden werden kann.

So ist "Die große Reise" zwar ein wirklich schöner Film, doch sollte man sich ein wenig im Islam auskennen, um ihn vollständig genießen zu können. Und nebenbei: Auch die Dreharbeiten entwickelten sich zu einem besonderen Abenteuer: Mit einem geringen Budget ausgestattet, musste das Team unter anderem den Ausbruch des Irakkriegs kompensieren, mit Sperrstunden in Serbien (wegen der Ermordung des Premierministers) und um Drehgenehmigungen kämpfen, war dafür aber auch die erste Filmcrew, die einen westlich produzierten Spielfilm in Mekka drehen durfte. Wahrlich eine reife Leistung und eine große Reise.


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