Gut zwei Jahre ist es her, dass ein französischer Dokumentarfilm für Furore sorgte. Seine Protagonisten: Kaiserpinguine. Was im Normalfall vielleicht wenige Zehntausend interessiert, entwickelte sich zum weltweiten Erfolg und Politikum gleichermaßen. "Die Reise der Pinguine" wurde zur zweiterfolgreichsten Dokumentation aller Zeiten und beglückte amerikanische fundamentalistische Christen, da er angeblich Werte wie Familie, Fürsorge und Aufopferungsbereitschaft propagierte. Zusammenfassen ließ sich das am Ende mit dem schönen Zitat: "Ob man es glaubt oder nicht: Es sind bloß Vögel." Ganz nebenbei setzte die Pinguin-Reise auch noch einen Boom in Gang, ohne den Animationsfilme wie "Happy Feet" oder "Könige der Wellen" wohl nicht zustande gekommen wären. Ein ähnlicher Hype ist um "Der Fuchs und das Mädchen", sozusagen das Nachfolge-Werk, wohl nicht zu erwarten. Der Spielfilm handelt - man mag es schon vermuten - von einem Fuchs. Und einem Mädchen. Und hält eine frohe Botschaft für viele Kinogänger bereit: Denn dieses Mal können die Tiere nicht "reden".
Ein kleines Mädchen ohne Namen (Bertille Noël-Bruno) läuft mit seinem Fahrrad über eine Wiese, als es eine Entdeckung macht, die ihr Leben verändern wird: Ein Fuchs macht Jagd auf trickreiche kleine Erdbewohner, von denen er sich ein ums andere Mal veräppeln lässt. Das Mädchen nähert sich ihm zaghaft und erst im letzten Moment nimmt der Fuchs von ihr Notiz und Reißaus. Der Fuchs ist weg, doch die Neugier in dem Mädchen geweckt. Fortan opfert es seine gesamte Zeit für die Suche nach ihm, angetrieben vom innersten Wunsch, ihn einmal berühren zu dürfen. Auf ihrer Suche scheut das Mädchen weder Wind noch Wetter, und zwischen Mensch und Tier entwickelt sich ein kleines Katz- und Mausspiel. Doch je länger und hartnäckiger das Mädchen an seinem Ziel festhält, desto näher scheint es ihm tatsächlich zu kommen.
Luc Jacquet, Regisseur und Autor zugleich, beschreibt diesen Film als ein Märchen, das ihm - schon lange vor den Pinguinen - eine Herzensangelegenheit war. Ein Märchen ist ihm auch in der Tat gelungen. Nur leider spielt er damit oft mit den Nerven des Zuschauers. Eine Stimme aus dem Off kommentiert die Geschehnisse - es ist das erwachsene Mädchen, das auf diese Begegnung mit dem Fuchs vor vielen Jahren zurückblickt. Und es spricht, als säße im Kinosaal einzig eine Grundschulklasse. Die Sichtweise der Frau ist nicht reflektierend, sondern sie schildert genau das, was damals im Kopf des kleinen Mädchens vor sich gegangen ist. Naiv, romantisch verklärt, und sie schreckt selbst davor nicht zurück, dem Fuchs Gedanken anzudichten, ihn zu vermenschlichen.
Nur gut, dass der Kinostart in die Weihnachtszeit fällt, da ist man vielleicht eher gewillt, so etwas guten Willens hinzunehmen. Die "Pinguine" waren natürlich auch voll von solchen Momenten, doch ist es schon ein Unterschied, ob sich ein Film um eines der größten Wunder des Lebens dreht, oder um eine im Vergleich dazu eher gewöhnliche "Beziehung" zwischen einem Kind und einem Fuchs.
Die Rechtfertigung für den Dokumentarfilm-Oscar errang die "Reise der Pinguine" vor allem mit seinen spektakulären, großartigen, teils unglaublichen Bildern. Und auch hier fragt man sich manchmal staunend, wie sie diese oder jene Einstellung bloß hinbekommen haben. Die Kamera filmt beispielsweise, wie sich ein Fuchs nach langer Verfolgungsjagd in einen Baumstumpf rettet. Allerdings tut sie dies aus dem Unterschlupf heraus. An anderer Stelle fährt die Kamera mehrere Sekunden durch den dichten Wald und man wundert sich, wie dies logistisch nur machbar war. Es lässt sich wohl nur erahnen, wie viel Geduld die gesamte Crew beim Dreh einzelner Szenen aufbringen musste. Das Ergebnis sind mitunter eben wunderschöne Aufnahmen von Tier und Natur, doch den Vergleich mit den Pinguin-Bildern halten sie nicht stand. Das ist sicherlich auch eine Frage des alltäglich Vertrauten. Wälder und selbst Füchse bekommt man halt eher mal zu Gesicht als Kaiserpinguine im Polarsturm.
Die nur bedingt spektakulären Bilder sind auch gar nicht das Kernproblem. Auch nicht das "Märchenhafte". Der Fuchs ist ein wunderschönes Tier und der Wald ein Ort voller Geheimnisse - das bietet genügend Stoff für einen wundervollen Dokumentarfilm. Doch leider versteht sich "Der Fuchs und das Mädchen" als fiktiver Spielfilm und erzählt als solcher auch eine Geschichte. Und die ist nur selten wirklich spannend, mitunter sogar nervig, wenn sich das "Lässt er sie an sich heran?"-Spiel an irgendeinem Punkt nur noch wiederholt. Luc Jacquets zweite große Regie-Arbeit macht Lust auf Urlaub, auch in diesen Tagen, kann seinem Vorgänger aber nicht das Wasser reichen, weil sie sich im Kern die simple Frage gefallen lassen muss: Ein Fuchs, ein Mädchen - und dafür 97 Minuten?
Neuen Kommentar hinzufügen