Das Wochenende

Jahr
2012
Laufzeit
97 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 8. April 2013

wochenende 1Nach 18 Jahren im Gefängnis wird der ehemalige Terrorist Jens Kessler (Sebastian Koch) entlassen, eher überraschend und kurzfristig für seine Freunde und Familie. Insbesondere seine ehemalige Freundin Inga (Katja Riemann) zögert zunächst am von Jens Schwester Tine (Barbara Auer) organisierten Zusammentreffen teilzunehmen. Doch schließlich taucht sie genauso auf dem dafür ausgewählten, baufälligen brandenburgischen Landsitz auf wie ihr aktueller Lebensgefährte Ulrich (Tobias Moretti) und der gemeinsame alte Weggefährte Henner (Sylvester Groth). Die Atmosphäre ist von Anfang an angespannt, denn Jens hat sich keineswegs von seinen früheren Idealen losgesagt und sucht noch immer nach dem „Verräter“, der ihn damals der Polizei ausgeliefert hat. Als schließlich auch noch Ingas Kinder, die eine ein unsicherer Teenager (Elisa Schlott), der andere eine wütender junger Erwachsener (Robert Gwisdek) dazu stoßen, droht die eh schon fragile Situation endgültig zu eskalieren.
 

Wenn ein Film offiziell als Romanverfilmung gilt, sich aber gleich mal eine Hauptfigur schnitzt und auswählt, die im zugrundeliegenden Buch bereits zu Beginn der Handlung tot ist, dann muss man wohl von einer sehr freien Adaption sprechen. „Das Wochenende“ ist demnach also ein „nach Motiven“ von Bernhard Schlinks gleichnamigem Buch entstandenes, sehr eigenständiges Werk. Und dieser Film von Drehbuchautorin und Regisseurin Nina Grosse ist zugleich ein Paradebeispiel dafür, warum das gegenwartsbezogene und mit politischen Themen hantierende deutsche Kino immer noch so oft daran scheitert ein größeres Publikum zu erreichen. Das steht zum Zeitpunkt, zu dem diese Zeilen verfasst werden, zwar an sich noch überhaupt nicht fest, wird hier aber ganz einfach mal in voller Überzeugung prophezeit. Denn „Das Wochenende“ ist sicher ein künstlerisch irgendwie ganz toller und großartiger Film, erzählt seine prinzipiell durchaus interessante Geschichte aber mit einer Langsamkeit und Schwere, die das Ausharren im Kinosessel mitunter zu einer kleinen Tortur macht.  

wochenende 2Zunächst dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis sich nicht nur alle Protagonisten endlich zusammengefunden haben, sondern auch die einzelnen Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen diesen halbwegs klar sind. Bis dahin starren die beiden Hauptfiguren Inga und Jens ein paarmal gedankenverloren in die Gegend, um auch von Anfang an keine Fragen hinsichtlich der Schwere der Situation aufkommen zu lassen. In den Dialogen spricht dann jeder nur das Nötigste, damit es auch ja nicht zu früh zu einer Aussprache oder Aufklärung offener Sachverhalte kommt. Trotzdem kommt es vor allem zwischen dem unbelehrbaren Klassenkämpfer (und Mörder) Jens und dem bürgerlichen Unternehmer Ulrich schnell zum Streit und mehr als einmal darf man sich wundern, warum nicht die eine oder andere Partei einfach wieder abreist, anstatt weiter in einem Umfeld zu verharren, in dem sich im Grunde niemand wohlfühlt.

Politischer Tiefgang wird allerdings nicht geliefert. Obwohl der Bezug zur RAF offensichtlich ist und es sich bei Jens Kessler zeitlich gesehen eigentlich nur um einen Aktivisten der dritten Generation der frühen 90er Jahre handeln kann, wird dies nie explizit aufgelöst. Es geht hier fast ausschließlich um die Psyche der Charaktere, um seit Jahren schwelende Konflikte und unausgesprochene Vorwürfe. Wer diese dann tatsächlich auch mal beim Namen nennt ist Jens Sohn Gregor, der sich von den Zeit seines Lebens im Gefängnis sitzenden Vater um seine Jugend betrogen sieht.

Obwohl er erst sehr spät in der Handlung auftaucht und auch nur begrenzte Leinwandzeit zur Verfügung hat, hinterlässt Robert Gwisdek in der Rolle des zornig-aggressiven Gregor hier mit Abstand den stärksten Eindruck und zeigt dabei umso deutlicher auf, welche emotionale Wucht in diesem Stoff eigentlich stecken würde, wenn der nicht die meiste Zeit so furchtbar behäbig präsentiert würde. So muss als vermeintlich spannungsfördernder Kunstgriff eine Pistole herhalten, die Jens gleich zu Beginn in den von seiner Schwester mitgebrachten Habseligkeiten findet und die fortan als Bedrohung im Hintergrund suggerieren soll, dass hier (zumindest theoretisch) jederzeit etwas Dramatisches passieren könnte.  

wochenende 3Damit wir uns nicht falsch verstehen: Im Grunde machen hier sämtliche Darsteller ihre Sache ziemlich gut, auch Katja Riemann kann in einer für sie ungewohnten Rolle durchaus überzeugen. Der ganze Film ist in der Kulisse des leicht heruntergekommenen Landhauses schön fotografiert, das besitzt also alles schon eine gewisse Qualität. Doch die Art der Inszenierung, diese lähmende, bleierne Schwere und Langsamkeit führen dann im Ergebnis halt zu einem Stück Betroffenheitskino, das für alle außerhalb des um sich selbst rotierenden Kunst-Feuilletons leider ziemlich ungenießbar sein dürfte. Und das sind dann eben doch die Allermeisten. 

Bilder: Copyright

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