Ben (Viggo Mortensen) lebt mit seiner vielköpfigen Familie im Wald, wo der Aussteiger seinen Kindern eine ganz eigene Erziehung angedeihen lässt, die aus hartem körperlichem Training und einer philosophisch-geistigen Schulung besteht, die sich stark von dem absetzt was das offizielle amerikanische Bildungssystem eigentlich vorsieht. Doch auf die vermeintliche Idylle fallen Schatten, als sich Bens schon länger depressive Frau trotz Behandlung in einer Klinik das Leben nimmt. Um ihr die letzte Ehre zu erweisen, vor allem aber auch um die von seinen Schwiegereltern geplante christliche Beerdigung zu verhindern, machen sich Ben und die Kinder in ihrem klapprigen Bus auf den Weg und erleben auf ihrer Reise eine unvermeidliche Konfrontation mit der modernen Zivilisation.
Der Road-Trip, den Regisseur und Drehbuchautor Matt Ross in seinem ersten größeren Spielfilm auf die Leinwand bringt, enthält alle Zutaten einer Tragikomödie, in der sich leichtere und humorvolle Momente mit bitteren Erfahrungen und Erkenntnissen abwechseln. Erfreulich ist dabei die relative Ausgewogenheit, mit der die unterschiedlichen Positionen zu ihrem Recht kommen. So wirkt der Blick in dieses „Familienleben“ zunächst erst einmal sehr befremdlich, wenn gleich zu Beginn ein Initialisierungsritus ansteht, bei dem einer der Söhne offiziell zum Mann erklärt wird, nachdem er sich auf der Jagd bewährt hat und sich dabei von seiner mit wilder Kriegsbemalung versehenen Familie anfeuern lässt. Und wer in den Nachrichten hin und wieder von Eltern hört, die ihre Kinder dem staatlichen Schulsystem entziehen, um ihnen ihre eigene Form der Bildung anzueignen, der kommt meist schnell zu der Schlussfolgerung, dass es sich dabei um ziemliche Spinner handelt, wozu das Auftreten dieser Leute dann oft auch seinen Teil beiträgt. Auch gegenüber dem von Viggo Mortensen glaubhaft und mit einer gehörigen Portion Wut verkörperten Ben lassen sich gewisse aggressive Reaktionen kaum vermeiden, angesichts der Arroganz und Selbstgerechtigkeit mit der er für seine Überzeugung eintritt.
Doch dann ertappt man sich im Verlauf bei immer mehr Momenten, in denen man ihm durchaus Recht geben und Anerkennung zollen muss, sei es bei der Offenlegung des bigotten Verhaltens der Ordnungshüter, die zwar keine Gnade gegenüber verdächtigen „Linken“ kennen, ein paar offensichtlich völlig durchgeknallte religiöse Extremisten aber lieber unbehelligt ziehen lassen. Auch das Familien-Motto der Darwin-Anhänger, welches da lautet: „Man darf sich über niemanden lustig machen, außer über Christen“ wird vom Autor dieser Zeilen durchaus mit Sympathie begleitet. Man kann daher auch tatsächlich Bens Verzweiflung darüber nachvollziehen, dass seine Frau mit einer aufgeblasenen religiösen Zeremonie zu Grabe getragen werden soll, die sie mit Sicherheit verabscheut hätte. Einen weiteren Aha-Augenblick liefert die Sequenz, in der Ben von seinen Verwandten dafür angegriffen wird, seine Kinder der Schule zu entziehen und so ungebildet zu lassen. Wenn seine achtjährige Tochter Zaja daraufhin einen Vortrag über die amerikanische Verfassung hält und die Zitate mit eigenen Gedanken anreichert, offenbart sich doch sehr hübsch eine gewisse Überlegenheit gegenüber den kaugummikauenden und über das Daddeln von Videospielen noch nicht hinausgekommenen Kindern seiner Schwester.
Einerseits, denn auf der anderen Seite scheitern vor allem Bens Söhne immer wieder daran mit der „normalen“ Welt zu interagieren und offenbaren gewaltige soziale Defizite. So muss Bodevan (die Kinder tragen sämtlichst „einmalige“ Namen) recht schmerzvoll lernen, dass es nicht unbedingt üblich ist, einem Mädchen nach dem ersten zarten Kuss sofort einen Heiratsantrag zu machen und dabei auf die Knie zu fallen. Vor allem aber zeigt sich die Schattenseite dieses etwas anderen „American Way of Life“ dann sehr deutlich, wenn Ben seine vermeintlich austrainierten Sprösslinge zu Aktionen anstiftet, die sie schließlich sogar in Lebensgefahr bringen.
An diesem Wendepunkt der Geschichte bleibt Autor Ross mit seinem Skript sehr optimistisch was die Punkte Einsicht und Umkehr angeht, so dass sein Film zum Finale hin doch noch einen leichten Trend in Richtung Rührseligkeit nimmt, den er bis dahin gekonnt vermieden hatte. Insgesamt ist das Ergebnis jedoch weitgehend überzeugend geraten und regt abwechselnd genauso sehr zum Schmunzeln wie zum Nachdenken an.
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