Birth

Originaltitel
Birth
Land
Jahr
2004
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Simon Staake / 17. Juni 2010

Zugegeben, sie ist manchmal schon sehr dünn, die Linie zwischen Kunstkino und Kunstkacke. Was dem einen noch künstlerisch, ist dem anderen schon prätentiös. Wo der eine das Tempo behutsam findet, schreit der andere schon "laaangweilig!". Mit "Birth" hat man hier leider einen Film, der vor lauter Kunstanspruch kaum laufen kann und statt dessen frontal auf die falsche Seite der erwähnten Linie klatscht.
Die Warnzeichen waren ja da: Wenn eine Presseinformation die Worte "metaphysische Lovestory" formuliert, kann man schon Bedenken bekommen. Dennoch war Hoffnung da, denn das Konzept an sich hörte sich zweifellos interessant und vielversprechend an. Aber was Jonathan Glazer ("Sexy Beast") mit seinen Mitschreibern draus gemacht hat, nein, das geht einfach gar nicht.

Das interessante Konzept klingt so:
Ein Mann joggt im Park, bricht mit einem Herzinfarkt zusammen und stirbt. In genau demselben Moment wird auf der anderen Seite der Stadt ein Kind geboren. Zehn Jahre später: Anna (Nicole Kidman), die Witwe des damals Verstorbenen, steht kurz vor ihrer Hochzeit mit Joseph (Danny Huston). Bei der Geburtstagsfeier Annas kommt es unter den wachsamen Augen von ihrer Mutter Eleanor (Hollywood-Legende Lauren Bacall) zu einer merkwürdigen Begegnung mit einem ungeladenen Gast. Ein zehnjähriger Junge (Cameron Bright) behauptet gegenüber Anna, er sei ihr verstorbener Mann Sean. Zuerst will Anna davon nichts wissen und schickt den kleinen Sean weg. Aber nach und nach kommen ihr Zweifel, besonders als der kleine Sean intime Details aus ihrem Leben offenbart. Wichtige Fragen stehen an: Ist es wirklich ihr verstorbener Mann? Gibt es Seelenwanderung?

Das "Nein, das geht gar nicht" klingt so:
Wichtige Fragen stehen an: Warum ist es spannender, zwei Stunden lang Raufasertapete anzugucken als diesen Film? Warum brauchte es drei Autoren für ein Drehbuch, das unausgegoren, absurd und bizarr (nicht im guten Sinne) ist? Und vor allem: Was soll das bloß alles?
Und: Wo soll man anfangen mit den schlechten Ideen? Etwa mit der, dass Cameron Bright nach "Godsend" und "Butterfly Effekt" bereits auf den Typ "dämonisches Kind" festgelegt ist und daher nicht wie der wiedergeborene Sean, sondern der wiedergeborene Damien aus "Das Omen" wirkt, und seine Rolle drum ungewollt lachhaft erscheint? Oder mit der, dass man wohl dachte, mit zugegebenermaßen exzellenter Kameraarbeit und erlesenem Design könnte man von den zahlreichen Schwächen ablenken?

Es gibt einen einsamen Lichtblick in dieser ultralahmen Schnurre und das ist die schauspielerische Leistung Nicole Kidmans. Ihr nuanciertes Spiel zeigt in Einzelmomenten immer wieder einmal, was für eine gute Schauspielerin sie sein kann. Gegen die Limitationen von Drehbuch und ihrer Figur kann sie dagegen auch nicht an. Warum ist Anna anfangs überhaupt gar nicht neugierig und weist Sean ab, nur um ohne größere Erklärung später komplett umzuschwenken? Kaum eine der Figuren hier hat irgendwelche gut ausgearbeiteten Motivationen, diese werden zumindest durch die gewählte Präsentationsform zu keinem Moment klar.
Bestes Beispiel für Kidmans aufblitzende Klasse: In einer Sequenz in der die geschockte Anna in der Oper sitzt, und die Kamera anstelle von Umschnitten auf das Bühnengeschehen minutenlang auf ihrem Gesicht bleibt, um die sich abspielenden Emotionen einzufangen, ist das interessant, weil unüblich und von Kidman großartig gespielt. Aber dann stellt man im Verlauf des Films fest, dass dieses Dwig-lang-auf-Gesichtern-verweilen offenbar narrative Strategie sein soll. Ob nun was passiert oder nicht, wir halten schön lange mit der Kamera in Großaufnahme auf die Schauspieler. Und so gibt es endlose bedeutungsschwangere Einstellungen mit wortkargen, trübselig dreinschauenden Leutchen drin. Popcornunterhaltung ist das schon mal nicht, genau genommen nicht mal Unterhaltung. Da wünscht man sich schleunigst ein paar Alien-Invasionen mit Laserkanonen und Weltallgefechten herbei, damit überhaupt mal etwas passiert. Aber nein, stattdessen gibt es noch mehr bedeutungsvolles Starren und Schweigen und geschmackvoll arrangierte Edellangeweile.

Vom drohenden Tiefschlaf wird man nur noch durch ungläubig begutachteten Unsinn abgehalten, in Dialog ("Wir beide werden zusammen weglaufen") und Story. Dass nämlich diese möchtegern-philosophische Geschichte eine enttäuschend prosaische und ernüchternd bodenständige Aufklärung hat, wird den aufgebauten Erwartungen so überhaupt nicht gerecht. Andererseits kann man froh sein, dass die Macher nicht zusätzlich noch irgendwelchen mystisch-verbrämten Quark bemüht haben, der den ohnehin schon lachhaften Film hätte ebenso wenig retten können. Allerdings löst man damit die durch die manipulative und plakative Eingangssequenz geweckten Erwartungen in keinster Weise ein.
Und so ist dieser Film statt der erhofften interessanten Abhandlung über Leben, Tod und mögliches Leben nach dem Tod hauptsächlich ein ereignis- und emotionsarmer Streifen über die Neurosen reicher New Yorker und die fixen Ideen kleiner Jungs. Und das muss, das will man sich in dieser drögen Form nicht angucken. "Birth" ist, Hand aufs Herz, eine künstlerische Todgeburt.


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