Aufgelegt

Originaltitel
Hanging Up
Land
Jahr
1999
Laufzeit
94 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Januar 2011

Dies ist ganz bestimmt kein Film für Handy-Hasser. Auch wenn der Titel auf das Ende eines Telefongesprächs hinweist, so werden hier Telefonate nur deshalb beendet, um gleich das nächste führen zu können. Bei dieser Mobiltelefon-Aktivität könnte man tatsächlich meinen, man wäre in einem o.tel.o-Werbespot gelandet. Wer also beim Anblick von Leuten mit angewachsenem Handy am Ohr die Krätze bekommt, sollte von „Aufgelegt!“ möglichst weit fern bleiben. Und die anderen eigentlich auch.

Eve, Georgia und Maddy sind drei Schwestern, deren Leben in leicht verschiedenen Bahnen verlaufen. Während Georgia ein eigenes Magazin besitzt und damit landesweite Berühmtheit erreichte, spielt Maddy in einer Daily Soap mit, so daß es an der Partyservice-Besitzerin Eve hängen bleibt, sich um ihren langsam dahinsiechenden Vater Lou zu kümmern. Das bereitet immer mehr Probleme, denn der ehemalige Drehbuchschreiber kann zwar immer noch ganz toll alles angraben, was einen Rock trägt, vergisst aber sonst eine Menge, weshalb er auch schon mal seine eigene Tochter anmacht. So ca. fünfzigmal am Tag ruft Lou seine Tochter Eve an, die wiederum zwanzigmal am Tag ihre Schwestern anruft, um sie über den Zustand ihres Vaters zu informieren.

Wer sich jetzt fragt, wo hier die Story bleibt, der hat die große Schwachstelle von „Aufgelegt!“ bereits ausgemacht. Dieser Film besteht aus einer Exposition, die schlappe 70 Minuten umfaßt, bevor auch nur etwas ähnliches wie eine dramatische Wendung eintritt, und die wirkt dann auch noch unbeholfen. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Delia Ephron, die daraus mit ihrer Schwester Nora das Drehbuch strickte, und die darin ihre eigenen Erlebnisse verarbeitete, als ihr Vater im Sterben lag und sie ihre Schwestern konstant übers Telefon auf dem Laufenden hielt. Dies lässt vermuten, daß „Aufgelegt!“ gar keine wirkliche Story haben soll, sondern lediglich als Charakter-Film funktionieren soll, die Emotionen und Persönlichkeiten seiner Hauptdarsteller einfangend und ihre ganz eigenen Krisen intensiv beleuchtend. Das klappt ... NICHT!

Die einzige der Schwestern, die wirklich an Substanz gewinnt, ist Eve, von Meg Ryan gewohnt herzig und mitfühlend gespielt, und die einzige Person, an der charakterlich wirklich etwas dran zu sein scheint. Die Karrierefrau Georgia (von Regisseurin Keaton verkörpert) und die Pseudo-Schauspielerin Maddy („Friends“-Star Lisa Kudrow) haben etwa soviel Tiefgang wie ein Planschbecken, und da ihre Dialoge zu 80 Prozent aus Telefongesprächen bestehen, ist das auch nicht weiter verwunderlich. Von einem Menschen, der sich über sein Handy definiert, kann man wirklich nicht erwarten, daß er oder sie auch nur ansatzweise auf die reale Welt reagiert. Wenn die persönliche Assistentin wichtiger wird als der eigene Vater, dann kann man sich Sympathiebekundungen getrost abschminken. Der wahre Star dieses Films ist sowieso Walter Matthau. Seine Figur ist zwar so krank, daß er nicht sehr viele Dialogzeilen auf einmal bekommt, dafür aber die besten. Seine Darstellung ist die einzige, der man wenigstens etwas Intensität unterstellen könnte, wobei sicherlich das Wissen mitschwingt, daß es mit Matthau tatsächlich langsam zu Ende geht. In diesem Punkt (und nur in diesem) kann „Aufgelegt!“ einen Pluspunkt verzeichnen: Matthau sollte man genießen, solange es noch geht. Handwerklich ist der Film unterer Durchschnitt. Man könnte Diane Keaton für eine geradezu miserable Regisseurin halten, wenn sie es nicht schon mal besser gemacht hätte. Unnötiger visueller Schnickschnack bei diversen Flashback-Sequenzen stört den restlichen Stil, einige eingestreute Slapstick-Szenen mit einem sehr großen Hund wirken völlig deplaziert und geben dem Film eine Comedy-Note, die er weder braucht, noch nutzt, noch haben sollte. Für mich persönlich ist „Aufgelegt!“ vor allem daher eine Enttäuschung, da ich eigentlich ein großer Fan von Nora Ephro bin. Was sie allerdings hier als Drehbuch abgeliefert hat, bleibt kilometerweit hinter ihrer früheren Arbeit (Harry & Sally, Schlaflos in Seattle, Michael) zurück. Einige Rückblenden, die die Familiengeschichte erläutern sollen, kratzen nur geringfügig an der Oberfläche, ohne irgendwelche Aufschlüsse zu bringen, die sich nicht auch im Hier und Heute hätten zeigen können. Die gesamte erste Stunde des Films könnte man mühelos auf zehn Minuten zusammenstreichen, ohne daß auch nur eine essentielle Information verloren gehen würde.

Wenn man sich nach 90 Minuten ausgiebig gähnend aus dem Kinositz schält, bleibt eigentlich nur eine Weisheit übrig: Manche Bücher bleiben wirklich besser unverfilmt. Ich möchte nicht behaupten, daß ein Film ohne sinnvolle Handlung, ohne einen Punkt und ohne vernünftige Struktur grundsätzlich schlecht ist (dafür gibt es genug Gegenbeweise). Allerdings braucht man dann ein wesentlich besseres Ausgangsmaterial als hier. Dieser Film lässt höchstens die Vermutung entstehen, daß man sein gesamtes persönliches Leben am Telefon erledigen kann, während man arbeitet. Kann man nicht. Auflegen, Handy wegschmeißen, richtig leben.

 

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