Ein afroamerikanischer Junge aus der Unterschicht geht seinen Weg und findet zu sich selbst. Das hat man in letzter Zeit öfter gesehen, und egal ob nun mit Waffengewalt und sonstigen kriminellen Verwicklungen (50 Cent in "Get Rich Or Die Tryin'") oder über den Umweg als Zuhälter (Terrence Howard in "Hustle & Flow") - die Musik als treibende Kraft spielt immer eine große Rolle. Drum verwundert es nicht, dass sich auch in "Stomp the Yard" alles um das (sprech-)gesungene Wort dreht, wobei hier speziell der Tanz dazu im Mittelpunkt steht. Oder sind es doch die Liebschaften und sozialen Konflikte? Zwar ist "Stomp the Yard" bedeutend schlechter als die beiden oben erwähnten Filme, jedoch zum Glück nicht so mies, wie mancherorts behauptet wird. Am Ehesten dürfte sowieso die MTV-Generation Gefallen an dem Streifen finden, wurde er doch für sie geradezu maßgeschneidert und zweifach für den jährlich verliehenen Movie Award des Musik-Senders nominiert, darunter in der schier unverzichtbaren Kategorie "Bester Kuss".
DJ (Columbus Short) ist ein Street-Dancer, der sich in heißen Battles gemeinsam mit seinen Kumpels, darunter sein Bruder, mit anderen Street-Dancern misst. Als sich einige davon als schlechte Verlierer erweisen, ändert sich DJs Leben schlagartig: Sein Bruder wird getötet, ihn selbst schicken seine Eltern von Los Angeles zur Verwandtschaft nach Atlanta, wo er die Truth-University für afroamerikanische Studenten besuchen soll. Nebenbei verdient er sich im Geschäft seines Onkels ein paar Dollar dazu. Auf dem Campus wird er schon bald von seiner Vergangenheit eingeholt: Zwei elitäre Bruderschaften konkurrieren seit Jahren um die nationale College-Meisterschaft im Stepp-Tanzen. DJ erregt die Aufmerksamkeit der Thetas und Gammas, als er auf dem Parkett eine kleine, beeindruckende Show hinlegt, so dass sie sich fortan um ihn reißen. Während die einen mit dem Geldbeutel und (aufgrund ihrer Verbindungen) exzellenten Zukunfts-Aussichten winken, versprechen ihm die anderen ein Bündnis fürs Leben, in dem es noch gewisse Werte gibt - für wen er sich da wohl entscheiden wird? Betreffs der Frau seines Lebens ist die Entscheidung jedenfalls schon gefallen: Er hat es auf die vollbusige und -lippige April (Meagan Good) abgesehen - deren Freund dummerweise der Boss jener Bruderschaft ist, für die er sich voraussichtlich nicht entscheiden wird.
Man müsste wohl schon dem Produzenten-Team des Films angehören, um hier von einer Geschichte zu sprechen, in der es um soziale Rivalitäten, Klassenkämpfe und schließlich Musik und Tanz als persönliche Ausdrucksform geht. Quatsch, hier geht's einfach darum, wer die dicksten Eier hat. Nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern vom Millionär zum Multimillionär. Abgesehen von Protagonist DJ schwimmen die Studenten im Geld und die Daddys sitzen in einflussreichen Positionen. Hier wird nur getanzt, gerappt und gebattlet des Geldes und vor allem des eigenen Egos wegen. Um übergroße Egos und übergroßen Stolz, um Schuhlecker und Poser - darum geht's hier eigentlich. DJ taugt dabei tatsächlich als Sympathie- und Identifikationsfigur. Im Vergleich zum abgehobenen Rest ist sein Charakter schon fast als bodenständig zu bezeichnen.
So tragen dann nicht nur die "Brüder" so richtig dick auf, auch für Regisseur Sylvain White bleibt in seiner Videoclip-Optik kaum Platz für Understatement. Kennen muss man den Herrn nicht, es sei denn "Ich werde immer wissen, was du letzten Sommer getan hast" gehört zu den Filmen, die einen Ehrenplatz im heimischen DVD-Regal haben. Verwackelte Kamera-Aufnahmen, Slow-Motion - White gibt sich alle Mühe, mit vermeintlich schicken, aber schon tausendmal gesehenen Effekten selbst die Choreographien zu ruinieren.
Glücklicherweise gelingt es ihm nicht. Die Tanz/Stepp/Battle-Einlagen gehören zweifelsfrei zu den Stärken des Films. Die Choreographien können mitunter richtig begeistern, was speziell in den ersten zehn Minuten auf einen ganz netten Filmgenuss hoffen lässt. Diese Hoffnungen werden jedoch zerstört, sobald die Charaktere zu reden beginnen, sich alle erdenklichen Klischees und hohlen Phrasen aneinanderreihen und sich zudem eine der unrealistischsten Lovestorys der jüngeren Vergangenheit entwickelt, bei der nie klar wird, was die Beiden eigentlich aneinander finden. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, den Charakteren ein wenig mehr Tiefe zu verleihen, aber jegliche Versuche in diese Richtung erweisen sich als Rohrkrepierer.
Man sollte "Stomp the Yard" von der ersten Minute an nicht ernst nehmen. Sich am Besten einreden, die gesamte Handlung sei nur ein Scherz. An den Choreographien, die einen großen Teil der 114 Filmminuten einnehmen, inklusive Soundtrack, lässt sich kaum etwas aussetzen. Der Rest jedoch ist eher zum Vergessen. Regisseur White nimmt als Nächstes übrigens ein Projekt in Angriff, in dem es um einen talentierten Klavierspieler geht, der das Ghetto hinter sich lassen möchte, was sich als gar nicht so einfaches Unterfangen erweist. Kreativität kennt manchmal eben keine Grenzen. Für die Hauptrolle ist der zweifach Oscar-nominierte Djimon Hounsou ("Gladiator", "Blood Diamond") im Gespräch. Kann man nur hoffen, dass der sich vor der Vertrags-Unterzeichnung noch "Stomp the Yard" anschaut - und es sich dann anders überlegt.
Neuen Kommentar hinzufügen