Das Mädchen Wadjda

Originaltitel
Wadjda
Jahr
2012
Laufzeit
97 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 5. September 2013

Die zehnjährige Wadjda hat sich etwas in den Kopf gesetzt: Sie will ein Fahrrad. Doch das ist alles andere als einfach in ihrem Heimatland Saudi-Arabien, wo Frauen nicht einmal Fahrrad fahren dürfen. Die Regisseurin und Erfinderin von Wadjda, Haifaa Al Mansour, hat sich ebenfalls etwas in den Kopf gesetzt: Einen Kinofilm zu drehen. Auch das ist alles andere als einfach in Saudi-Arabien, wo Kinos seit Jahrzehnten verboten sind. Es erscheint wie ein kleines Wunder, dass der erste komplett in Saudi-Arabien gedrehte Kinofilm auch noch von einer Frau stammt. Haifaa Al Mansour konnte ihre Regieanweisungen nur vor einem Monitor in einem Lieferwagen sitzend per Walkie-Talkie durchgeben, da Frauen dort auch nicht in der Öffentlichkeit mit Männern arbeiten dürfen. Die Mühe lohnte sich: Ihr Film ist ein witziges und doch gesellschaftskritisches Werk, das vor allem von seiner verschmitzt grinsenden Hauptdarstellerin Waad Mohammed lebt.

Wadjda wohnt in Riad und versteht nicht, warum sie manche Dinge nicht darf. Sie hört westlichen Pop, um ihre Mutter zu ärgern, trägt lieber Chucks als brave schwarze Schuhe zu ihrer Abaya und ihr Kopftuch sitzt auch nicht so recht, wie es soll. Als dann noch der Nachbarsjunge Abdullah sie hänselt, dass sie ihn auf seinem Fahrrad nie einholen könnte und ein Wagen mit einem nigelnagelneuen Fahrrad an ihr vorbei zum Spielzeugladen fährt, ist sie sich sicher: Sie braucht unbedingt ein Fahrrad. Das Fahrrad ist so teuer, dass nicht einmal das Geld ausreicht, was ihr der (selbstverständlich verbotene) Verkauf selbstgemachter Fußballclub-Armbändchen an ihrer Schule einbringt. Ihre Mutter hat gerade ganz andere Sorgen. Ihr Mann will sich eine zweite Ehefrau nehmen, weil sie ihm keinen Sohn geboren hat. So sagt sie Wadjda nur, dass Fahrradfahren für Frauen verboten ist, da ihnen das die Jungfräulichkeit nehmen könnte. Doch Wadjda gibt nicht auf. Als an ihrer Schule ein Koran-Rezitationswettbewerb stattfinden soll, dessen Preisgeld für das Fahrrad reichen würde, kauft sie sich eine DVD namens „Einfach den Koran lernen“ und setzt sich vor die Playstation.
 

Die Dialoge von „Das Mädchen Wadjda“ sind sehr witzig. Die Gesellschaftskritik kommt nicht mit dem Holzhammer daher, sondern ist fein gesetzt. Oft sieht das Publikum eher aus der Handlung heraus und aus Situationen, wie sehr die Frauen in ihrem Leben eingeengt sind und was alles nicht erlaubt ist. Die Themen reichen von der Religionspolizei bis zu Polygamie und der Tatsache, dass auf einem Stammbaum nur männliche Familienmitglieder auftauchen. Da der Film aus der Perspektive eines zehnjährigen Mädchens erzählt wird, zeigt sich in Wadjdas naivem Widerstand, dass sich auch in dieser Gesellschaft Dinge bewegen können. Besonders die Beziehung zwischen Wadjda und ihrer Mutter (Reem Abdullah, eine bekannte Sängerin und Telenovela-Darstellerin in Saudi-Arabien) zeigt die Grenzen zwischen Moderne und strengen Regeln im Alltag.

Dass dieser Film gedreht werden konnte, lag vor allem an der Hartnäckigkeit seiner Regisseurin und der deutschen Produzenten Gerhard Meixner und Roman Paul, die schon die Oscar-nominierten „Paradise Now“ und „Waltz with Bashir“ produziert hatten. Geldgeber mussten überzeugt werden von einem Projekt, bei dem jederzeit die Drehgenehmigung entzogen oder auch die Kameras von der Religionspolizei eingesammelt werden konnten. Auch saudi-arabische Darstellerinnen zu finden war aufgrund der strengen Regeln kompliziert. Das Produzententeam glaubt bis heute, dass das Ministerium, das die Drehgenehmigung ausstellte, das Ganze für eine Telenovela hielt, denn Telenovelas und Dokumentarfilme sind so ziemlich das einzige, was in Saudi-Arabien im Fernsehen läuft.

Doch mittlerweile tut sich etwas in Saudi-Arabien: Die Religionspolizei erlaubt seit April 2013 Frauen das Fahrrad fahren. Aber nur in Erholungsgebieten. Und nur in Begleitung eines männlichen Familienangehörigen. Und nur unter Wahrung der Bekleidungsvorschriften.

Bilder: Copyright

8
8/10

Ein wunderbar warmherziger Film, der ruhig beobachtend eine interessante Geschichte erzählt. Die Hauptdarstellerin ist richtig frech und setzt sich in einer frauenfeindlichen Umgebung mit Witz und Entschlusskraft durch. Ein Film, der mehr andeutet als direkt zeigt und eine Menge über das Leben in Saudi-Arabien mitgibt.

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