Blickt man auf das Kinojahr 2013 zurück, fällt ins Auge, dass eigentlich fast nichts ins Auge fällt. Unerwartete Ausreißer nach unten oder oben gab es so gut wie keine, von daher war es wieder mal ein gutes Jahr für die Leute, die es berechenbar mögen. Betrachtet man das Kino aus Perspektive der Geschäftsleute in Hollywood, dann stellte 2013 quasi eine Konsolidierungsphase dar: Keine Experimente, keine Neuerungen, keine Innovationen, sondern Abschöpfen etablierter Erfolgsmodelle. So hat man fast ein gewisses Déja-Vu-Gefühl, wenn man auf die erfolgreichsten Filme des Jahres blickt: Die „Built-in audience“, über die wir an dieser Stelle vor einem Jahr gesprochen haben, war auch 2013 der alles bestimmende Faktor für Hollywoods Produktpalette. Die Erfolgs- und Geschäftsformel in der Traumfabrik hat sich tatsächlich derart verfestigt, dass in die Phalanx von Big-Budget- und Event-Filmen quasi nur noch eine einzige Variante der aussterbenden Mid-Budget-Produktionen eindringen kann – die „R-Rated Comedy“, über deren Siegeszug wir wiederum in unserem Jahresrückblick vor zwei Jahren bereits kurz gesprochen haben.
Sieht man sich die Liste der erfolgreichsten Filme an der US-Kinokasse an (z.B. hier: boxofficemojo.com/yearly/chart/?yr=2013&p=.htm), so gibt es unter den Top 20 genau vier Filme mit einem Produktionsbudget von (deutlich) unter 80 Millionen Dollar: Den Horror-Film „The Conjuring“, und die „R-Rated Comedies“ „Wir sind die Millers“, „Taffe Mädels“ und „Voll abgezockt“. Dass die beiden letztgenannten beide „Odd Couple“-Varianten mit Melissa McCarthy sind, macht die wohlbeleibte Komödiantin tatsächlich zum faktisch größten Kassen-Star des Jahres – denn sie war die einzige, die ohne großes Budget und „Built-in audience“ im Rücken in der Lage war, eine größeres Publikum anzulocken.
Alles andere, was sich in der illustren Liste der Kassenknüller tummelt, war ebenso teuer wie in seinem Erfolg berechenbar. Der einzige Film in den amerikanischen Jahres-Top Ten, der nicht eine Fortsetzung und/oder Buchadaption ist und ergo nicht von vornherein hier erwartet werden konnte, ist Alfonso Cuaróns genial konzipierter Weltraum-Thriller „Gravity“ – den wir nicht nur wegen dieses bemerkenswerten Erfolgs zum Kinofilm des Jahres ausrufen, sondern auch und vor allem, weil er der einzige Film war, der 3D als sinnvolles Mittel filmischer Erzählung zu nutzen wusste und sich damit alleinig das Prädikat „Muss man im Kino gesehen haben“ verdiente.
Einzig bedauerlich ist, dass „Gravity“ hierzulande mit knapp 1,3 Millionen Zuschauern (Platz 21 der Jahresbestenliste, siehe z.B. hier: www.wulfmansworld.com/Kinocharts/Kinocharts_2013) nicht ganz so sehr einschlug wie in den USA. Indes zeigte 2013 ohnehin einmal mehr, dass die standardisierten US-Erfolgsformeln nicht so 1:1 aufs hiesige Publikum übertragbar sind. Der ungebrochene Boom an Comic-Adaptionen funktioniert jenseits des Atlantiks auch deshalb so gut, weil die Amerikaner nach wie vor ein besonderes Faible für Superhelden haben – mit „Iron Man 3“, „Man of Steel“ und „Thor: The Dark World“ auf den Plätzen 1, 4 und 11 der Kassenknüllerliste. In Deutschland hingegen reichte es für Tony Stark nur für Platz 12, das zweite Abenteuer des Donnergottes landete auf Platz 15, und der „Superman“-Reboot stieß hierzulande gar auf so wenig Interesse, dass „Man of Steel“ in der Publikumsgunst nur weit abgeschlagen auf Platz 43 landete.
Und wer in Deutschland ordentlich lachen will, der geht dafür nicht zwingend in Hollywoods Komödien für Erwachsene (die beiden Melissa McCarthy-Vehikel müssen sich mit den Plätzen 48 und 55 begnügen), sondern vertraut auf die Kost aus der heimischen Küche. Unter den zehn erfolgreichsten Filmen finden sich drei deutsche Komödien: Til Schweigers „Kokowääh 2“, Matthias Schweighöfers „Schlussmacher“ und Bora Dagtekins „Fack ju Göhte“, der sich mit Stichtag 15. Dezember zum offiziell erfolgreichsten Film des Jahres mauserte und mit nun 4,6 Millionen Besuchern den Frühjahrs-Hit „Django Unchained“ überflügelte. Was uns nicht nur freut, weil der Erfolg absolut verdient ist, sondern auch weil es schön ist zu sehen, dass der große Triumph am Ende nicht den kalkulierten Gefälligkeiten aus der Schweiger/Schweighöfer-Schmiede gehört, sondern den unerschrockenen Unkorrektheiten von Bora Dagtekin. Der im Übrigen nun das zweite Jahr hintereinander den erfolgreichsten deutschen Film des Jahres gemacht hat (nach „Türkisch für Anfänger“ 2012) und damit Til Schweiger die Krone als Deutschlands Kinokönig abnehmen darf. Wenn das mal keine gute Nachricht ist.
Eine schlechte Nachricht hingegen war nicht nur der tragische Unfalltod von Paul Walker, sondern auch die Tatsache, dass der massive Erfolg von „Fast & Furious 6“ die Produzenten der Raser-Reihe sowohl dazu verleiten wird, die laufende Produktion des siebten Teils weiterzuführen, als sicherlich auch mit einem achten Teil weiter zu machen. Dass der Star einer Film-Franchise um Autoraser bei einem Verkehrsunfall wegen Autoraserei ums Leben kommt ist nicht nur bittere Ironie, sondern wäre schon allein aus Pietät Grund genug, die Reihe sofort einzustellen. Pietät ist allerdings etwas, was in der Geschäftswelt nicht viel zählt. Es steht sogar zu befürchten, dass die Produzenten aus dem „Vermächtnis“ von Walker noch zusätzlichen Umsatz generieren können. Das wäre zwar sehr zynisch. Aber Zynismus ist – im Gegensatz zu Pietät – gut fürs Geschäft.
Es ist entsprechend nicht zu erwarten, dass sich 2014 am Angebot auf dem Kinomarkt etwas maßgeblich ändern wird. Im Gegenteil kann man jetzt schon ziemlich verlässliche Wetten darüber abschließen, welche Filme sich in zwölf Monaten in den Top Ten der Erfolgreichsten wiederfinden werden. Unsere Tipps: Need for Speed, Rio 2, The Amazing Spider-Man 2, X-Men: Days of Future Past, Dawn of the Planet of the Apes, Fast & Furious 7, Transformers 4, Drachenzähmen leicht gemacht 2, Die Tribute von Panem 3, Der Hobbit 3.
Wir verbleiben einzig gespannt, womit Bora Dagtekin uns als nächstes zum Lachen bringen wird. Ansonsten wünschen wir all unseren Lesern frohe Weihnachten und präsentieren traditionell wie jedes Jahr die Tops und Flops unserer Redakteure – jene Listen, bei denen es nicht ums Geld, sondern nur um Qualität geht.
Die Tops und Flops im Kinojahr 2013 aus Sicht unserer einzelnen Redakteure
Frank-Michael Helmke Top Ten
Patrick Wellinski Top Ten
Maximilian Schröter Top Ten
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Volker Robrahn Top Ten
Margarete Semenowicz Top Ten
Johannes Miesen Top Ten
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Simon Staake Top Ten
René Loch Top Ten
Matthias Kastl Top Ten
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