Auslöschung

von Matthias Kastl / 16. März 2018

Auslöschung PosterIst das die Zukunft? Eigentlich hätte “Auslöschung“, der neuste Film des für “Ex-Machina“ vielgepriesenen Regisseurs und Autors Alex Garland, parallel zum US-Start im Februar auch in den internationalen Kinos anlaufen sollen. Dann war der Auftraggeber Paramount aber nicht wirklich glücklich mit den ersten Testvorführungen des Films, die darauf hindeuteten, dass der Streifen wohl für das Publikum eine Spur zu "intellektuell" daherkommen könnte. Da sich Regisseur Garland Gerüchten zufolge dann auch noch mit Händen und Füßen gegen jegliche Art von Nachdrehs und einen Neuschnitt wehrte, entschloss man sich bei Paramount einfach dazu, sich dem ungeliebten Film zumindest international zu entledigen und verkaufte die weltweiten Verwertungsrechte. Das kein geringerer als Netflix dann zuschlug, ist mehr als bezeichnend dafür, dass intelligente Stoffe inzwischen bei den Streaming-Giganten eher ein wohlbehütetes Zuhause finden, da ein Nischenprodukt dort nicht gleich Bilanzgift bedeutet - denn in jeder Nische lauern schließlich neue, dankbare Abo-Kunden. Während viele der kreativsten Köpfe der Filmbranche in den letzten Jahren sich vor allem im Serienbereich bei den Streaming-Diensten austoben konnten, ist “Auslöschung“ nun der erste Fall, bei dem ein großes Studio ein eigentliches Kino-Prestigeobjekt zumindest teilweise einem Streaming-Anbieter überlässt – und man wird das Gefühl nicht los, dass dies wohl kein Einzelfall bleiben wird.

Ist “Auslöschung“ nun also zu intellektuell für die Mehrheit des Kinopublikums? Ehrlich gesagt, ein klein wenig kann man die Entscheidung von Paramount schon nachvollziehen, denn Garland hat (auf Basis der Buchvorlage von Jeff VanderMeer) einen wirklich ungewöhnlichen Film abgeliefert. Bei Paramount hoffte man wohl ursprünglich auf einen ähnlichen Erfolg wie bei “Arrival“, der dem Studio nicht nur Geld, sondern auch gleich acht Oscarnominierungen einbrachte. Und auch wenn es tatsächlich einige Parallelen zwischen den beiden Filmen gibt, hat Garland im selben Genre doch das deutlich sperrigere Werk abgeliefert.

Lena und KaneWie bei “Arrival“ ist auch hier eine vermutlich außerirdische Lebensform auf der Erde gelandet, mit der sich der erste Kontakt denkbar schwierig gestaltet. Anstatt von Raumschiffen handelt es sich dabei aber um einen sich stetig ausbreitenden rätselhaften Schimmer: eine Art Schild, das sich jeden Tag ein Stück weiter ausbreitetet und so die Existenz der Menschheit bedroht. Das Schild ist zwar durchlässig, doch noch keiner, der es durchschritten hat, ist je wieder lebendig zurückgekehrt. Das ändert sich, als der seit einem Jahr vermisste Ehemann Kane (Oscar Isaac, “Star Wars: Die letzen Jedi“, “Inside Llewyn Davis“) der Molekularbiologin Lena (Natalie Portman, “Black Swan“, “V wie Vendetta“) eines Tages zu ihrer Verblüffung wieder das Haus betritt. Kane, ein Elite-Soldat, ist von seiner Reise durch den Schimmer allerdings körperlich und psychisch schwer mitgenommen und bricht kurz darauf zusammen. Auf der Suche nach Antworten erklärt sich Lena bereit, unter der Leitung von Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh, “The Hateful Eight“), zusammen mit drei weiteren Forscherinnen in den Schimmer aufzubrechen.
 

Es ist kein Spoiler zu verraten, dass von unseren Forscherinnen nicht alle wieder von ihrer Mission zurückkehren werden. Das teilt uns nämlich auch schon der Film bereits sehr früh mit, in dem er seine Geschichte in Rückblenden aus der Sicht von Lena erzählt. Ob dieses oft ja etwas überstrapazierte Storymittel hier wirklich nötig war, ist allerdings durchaus fraglich, da es der Spannung nur bedingt gut tut und auch nur sehr spärlich eingesetzt wird. Deutlich gelungener sind dagegen die zahlreichen Zeitsprünge, welche die einstige Beziehung zwischen Kane und Lena weiter ausschmücken. Diese Szenen funktionieren nicht nur in Punkto Charakteraufbau deutlich besser, sondern auch noch auf einer zweiten Ebene, die sich aber erst gegen Ende offenbart.

Das TeamDie meiste Zeit ist “Auslöschung“ aber, zumindest auf den ersten Blick, ein klassischer Survivalthriller. Die von den fünf Frauen betretene Welt des Schimmers hält nämlich einige tödliche Überraschungen parat und so ist das Team rund um Dr. Ventress schon bald damit beschäftigt das eigene Überleben zu sichern. Der Gegner ist dabei die Natur beziehungsweise das, was der Schimmer aus ihr gemacht hat. Ein überdimensionaler Riesenalligator ist dabei nur eine von vielen unliebsamen Überraschungen. Der Schimmer entpuppt sich dabei als eine genauso faszinierende wie bedrohliche Abwandlung der heimischen Flora und Fauna. Eine fremdartige Welt, die gleichermaßen so vertraut wie unwirklich wirkt.

Und genau hier hätte “Auslöschung“ sich nun für den einfachen Weg entscheiden und sich ganz alleine auf das Katz-und-Maus-Spiel der Protagonistinnen stürzen können, die mit ein paar wie aus einem B-Movie wirkenden Fabelwesen ums Überleben kämpfen. Aber auch wenn es hin und wieder etwas blutig zugeht - Alex Garland geht es um etwas anderes. Denn hinter all dem steckt, ohne nun zu viel zu verraten, knallharter Science-Fiction-Stoff. Immer wieder gönnt Garland seinen Figuren nämlich eine Atempause in ihrem Überlebenskampf und gibt ihnen Zeit um die Welt zu erkunden und den rätselhaften Phänomenen auf wissenschaftliche Art und Weise ein Stück näher zu kommen.  

Die Welt des SchimmersDie Welt des Schimmers, die der Film entwirft, steckt dabei voller faszinierender Ideen und strahlt, auch wenn die Computereffekte nicht immer überzeugen können, eine unglaubliche Faszination und Atmosphäre aus. Nicht jede Idee wird konsequent weiterverfolgt, wie zum Beispiel die leider nur kurz angerissene Wahrnehmung von Zeit innerhalb des Schimmers. Aber vor allem im späteren Verlauf gibt es einige wirklich sehr poetische Momente in einer Geschichte, die den Zuschauer immer wieder mit wundervollen kreativen Einfällen überrascht. Und auch wenn nicht jede Nebenfigur die nötige Zeit bekommt um Tiefe aufzubauen, funktioniert der Film dann in Person von Lena doch auch erstaunlich gut als Charakterdrama. Das liegt nicht nur an der überzeugenden Natalie Portman, sondern auch an der Tatsache, dass der Film sich die Mühe macht ihre Persönlichkeit Schicht für Schicht freizulegen.

Was “Auslöschung“ nun so sperrig macht, ist eben genau diese Mischung aus B-Movie-Charme (abgedrehte Monster und manchmal etwas billig wirkende Computereffekte), blutigem Gemetzel, ruhigem Charakterdrama und kopflastigem Science-Fiction-Szenario. Für diesen abgedrehten Mix muss man schon offen sein, ansonsten verliert man als Zuschauer schnell die emotionale Bindung zu der Story und seinen Figuren. Das wäre aber ein Jammer, denn im Schlussteil spielt “Auslöschung“ seine große Trumpfkarte aus, in dem er (ähnlich wie “Arrival“) eine existenzielle Frage der Menschheit auf wundervolle Weise direkt mit dem persönlichen Schicksal seiner Hauptfigur verknüpft. Das Finale ist intensiv, poetisch, nachdenklich und einfach ganz großer Science-Fiction.

Kampf ums ÜberlebenMag der Verkauf des Films für Paramount auch aus finanzieller Sicht die richtige Entscheidung gewesen sein, es ist schon verdammt schade, dass es “Auslöschung“ nicht auf die große Leinwand geschafft hat. So viel Mut und Kreativität, wie Garland und sein Team hier an den Tag gelegt haben, muss einfach belohnt werden, und so rühren wir hier mal wieder die Werbetrommel für Netflix. Vor allem für Fans von intelligentem Science-Fiction ist “Auslöschung“ schlicht und ergreifend Pflichtprogramm – auch wenn es nur auf der “kleinen Leinwand“ bewundert werden kann. 

“Auslöschung“ ist in Deutschland exklusiv beim Streaming-Anbieter Netflix erschienen und dort seit dem 12. März verfügbar.


leider wird der Gesamteindruck des recht guten Films durch den in diesem Genre üblichem Schluss daher mehr als getrübt.
Gerade aufgrund der guten Story ist das mehr als enttäuschend.
Schade, denn diese Chance wurde damit erneut verballert

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Mir hat der Film insgesamt nicht so gut gefallen wie dem Rezensenten, was aber nichts mit der Idee oder Geschichte zu tun hat. Im Abspann wird erwähnt, dass „Auslöschung“ eigentlich ein Roman ist – das ist wahrscheinlich der Knackpunkt. Obwohl ich es schön finde, wenn Romane gut verfilmt werden und auch zahlreiche gute Beispiele kenne, haben natürlich fast alle das Problem, dass sie den Stoff kürzen müssen. Und ich denke, das ist auch hier passiert.

Man musste sich mit ein paar Unstimmigkeiten oder zumindest Fragezeichen einfach zufrieden geben, weil „das jetzt halt so ist“, ohne eine tiefere Erklärung zu bekommen und das Gefühl hielt bei mir die ganze Zeit an.

--- SPOILER-Beispiele:

- Die erwähnte Zeitwahrnehmung. Warum passiert das so früh (wenn die Gehirne noch gar nicht groß „befallen“ sein können) und warum ist es später kein Thema mehr?
- Warum schreitet die Mutation zwischendurch mal schneller und mal langsamer voran (Beispiel „Pflanzen auf dem Arm“ im Vergleich zum Ende). Nur durch die Nähe zum „Haupt-Organismus“? Warum ist es bei den Personen so unterschiedlich?
- Was genau ist der Schimmer denn und wieso verschwindet er einfach? Der Kern scheint ja kein kollektives Gedächtnis oder gar eine Intelligenz zu sein, sondern eine Ansammlung schnell mutierender Zellen – das erklärt ja nicht, dass es eine stabile „Blase“ in der Luft gibt
- Die Psychologin am Ende – hatte sie ihr „erstes“ Ich schon verloren oder was erklärt ihr „Gesicht“, ihr merkwürdiges Gerede und ihr Aufplatzen in Lichtpunkte?
- Außerdem kam auch "Auslöschung" nicht ohne den "Klassiker" aus: "Ich komme mit dir" - "Nein, ich gehe allein". Wiesooo sollte das jemand in so einer Situation sagen oder tun?

--- SPOILER ENDE

Das war mir alles ein bisschen zu vage und zu sehr auf coole Effekte aus denn auf nachvollziehbare Aha-Momente.

Ansonsten hatte ich Probleme mit dem Verhalten der Protagonisten. Man weiß in der Basis, dass keines der Teams zurückgekommen ist, trägt aber weder Mundschutz noch Handschuhe oder andere Schutzkleidung (kann ja sein, dass man die Unbedenklichkeit der Luft bereits analysieren konnte, aber das muss dann wenigstens kurz erwähnt werden). Die Nachtwache setzt sich als einzige Lichtquelle mitten ins Dunkel, als wäre das nicht schon unter normalen/bekannten Verhältnissen gefährlich. Dass Lena beim Militär war, wirkt nicht sehr glaubwürdig aufgrund ihres Verhaltens. Und sie gehörte nicht einmal zum ursprünglichen Team – wieso sollte man vier Frauen ohne vernünftige Ausbildung an der Waffe ein so gefährliches Terrain betreten lassen? Was haben die Drohnenaufnahmen gezeigt? Waren die nicht brauchbar, ist das Bild beim „Eintritt“ verschwunden? So etwas muss für den Zuschauer wenigstens kurz geklärt werden.

Und zusätzlich empfand ich gerade die Mischung aus B-Movie-Kram und philosophischem Ansatz als störend. Nicht, weil man das nicht zusammenbringen kann (ich liebe z.B. „Sunshine“ mit all seinen Facetten und mit seinem abrupten "Genrewechsel") , sondern weil geschickte Übergänge fehlten und ich das Gefühl nicht loswurde, dass man irgendwie alles unter einen Hut bringen wollte, obwohl die Spielzeit nicht reicht. Außerdem empfand ich die Dialoge als sehr hölzern, was durchaus auch an der Übersetzung liegen kann.

Die Geschichte fand ich interessant und auch durchdacht, aber sie funktioniert als Roman wahrscheinlich sehr viel besser. Den hätte ich lieber vorher gelesen, wenn ich das gewusst hätte.

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Ich kann nicht anders, obwohl ich das wirklich nicht ins Lächerliche ziehen möchte: Hatte noch jemand einen "Ghostbusters"-Ohrwurm, als die Damen mit Overalls und Rücksäcken direkt vor dem Schimmer standen?

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Nach all den Kritiken hatte ich mir etwas wirklich besonderes versprochen - aber letztlich ist "Auslöschung" m.E. einfach ziemlich schlecht. Schlechtes Drehbuch, schlechter Schnitt, schlechte Effekte, hölzern geschauspielert, unmotiviertes Drama - auch die "tollen Ideen" zünden eher selten, das meiste bleibt unzusammenhängend stehen.
Die Auflösung bringt es letztlich auch nicht.

Als Tarkovski-Fan (Solaris/Stalker) fühlt man sich im Grunde ausgelacht - vermutlich kennt der Regisseur/Drehbuchschreiber diese Filme garnicht.
Stattdessen werden vollkommen unnötig Cliches noch und nöcher reingepackt.

Ein paar visuell gute Einfälle gibt es dann tatsächlich, aber drumrum ist soviel Schrott dass diese leider nicht ins Gewicht fallen.

Dass dieser Film als "Hoffnung Hollywoods" und "Geheimtipp" verkauft wird zeigt vor allem wie schrecklich es um das Mainstream-Kino derzeit bestellt ist.

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Der Film hat Atmosphäre, ist interessant aufgebaut und die Geschichte unterhaltsam.
Ich hätte ihn sehr gerne auf der großen Leinwand gesehen.

Die visuellen Effekte sind teilweise verbesserungswürdig.
Die vertrauten Horror-Elemente nehmen dem Film ein bisschen das Außergewöhnliche.

Generell bin ich erstaunt, dass der Begriff "Meisterwerk" an so vielen Orten gefallen ist.

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Ich begreife überhaupt nicht, wieso es so viele gute Kritiken zu diesem Gurkenfilm gibt. Der Film hat so viele Logiklöcher und die Crew der 5 Frauen verhält sich so absurd dumm und, und, und...

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