Q&A zu "Trunk" mit Regisseur und Autor Marc Schießer

von Frank-Michael Helmke / 27. Februar 2024

Anlässlich des Streaming-Starts von "Trunk - Locked in", für den unser Mitarbeiter Marc Schießer als Regisseur, Autor und Cutter verantwortlich zeichnete, hatten wir euch angeboten, per Kommentar oder Mail eure Fragen zum Film an Marc loszuwerden. Hier jetzt unser kleines Q&A mit den interessantesten Fragen, die uns erreicht haben, und Marcs Antworten dazu.

Warum hat eigentlich euer deutscher Film keinen deutschen Titel? Also schlicht "Kofferraum". Ich hab bei "Trunk" zuerst gedacht, es geht um ein Getränk. ;-)

Der Film wurde über Prime Video auf der ganzen Welt ausgewertet, brauchte daher also auf jeden Fall einen international funktionierenden Titel. "Trunk" ist schön simpel, wuchtig und auf den Punkt, was den Film widerspiegeln sollte. Um eben genau diese Getränkeassoziation im deutschen Raum zu vermeiden, musste (leider) der Untertitel "Locked In" hinzugefügt werden.

Wie haben Sie denn die wirklich tolle Hauptdarstellerin gefunden?

Ganz klassisch, über einen mehrwöchigen Castingprozess mit der Berliner Casting-Agentur von Liza Stutzky. Die wunderbare Sina Martens hat sich ihre Sporen bisher vor allem als Theaterschauspielerin verdient und brachte von dort genau die physische und psychische Stärke mit, die die Rolle erfordert hat. Jetzt startet sie gerade auch im Filmbereich so richtig durch.

Wie läuft das, wenn man einen Film bei einem Streamer hat? Erfährt man was über die Zugriffszahlen? Oder halten die das sogar vor den Filmemachern selbst geheim, wie viele Leute genau sich den Film angeguckt haben? Und wenn ja, hat man irgendeinen Indikator dafür, ob der Film nun erfolgreich ist oder nicht?

Man erfährt nicht viel, genaue Zahlen und Statistiken bleiben beim Streamer. Wir haben jedoch mitgeteilt bekommen, dass Prime Video sehr happy mit dem Film ist und die Abrufzahlen weit über den Erwartungen liegen. Der Film war in über 40 Ländern in den Top 10 und konnte auch vor allem in den USA sehr starke Zahlen verbuchen. Aufgrund des Budgets und der sehr speziellen Natur des Films hat er sich im Vergleich mit den übrigen Hollywood-Produktionen mehr als respektabel geschlagen und kann definitiv als deutscher Genre-Erfolg gewertet werden.

Der Kofferraum ist ja kein echter Kofferraum, sondern ein Set. Oder? Hätte man das nicht noch enger machen können? Das wirkte alles unnatürlich groß.

Es sind mehrere Kofferräume für verschiedene Kameraeinstellungen und Funktionen, welche genau kann man im Making-of herausfinden: https://www.youtube.com/watch?v=_mEP_UOBp94

Alle sind baugleiche echte Kofferräume, also abgeschnittene Autoteile von Audi 100 Fahrzeugen, die nicht vergrößert wurden. Der Audio 100 wurde gewählt, weil es ein sehr ausdrucksstarkes, dezidiert deutsches Automodell ist und vor allem, weil sein Kofferraum mit den zwei großen Radkästen visuell sehr viel Abwechslung im Staging und Blocking ermöglicht. Diese Fahrzeugklasse hat generell wesentlich größere Kofferräume als ein moderner Fiat Panda. 

Ich habe ganz bewusst Objektive gewählt, die den Kofferraum mal größer und mal kleiner erscheinen lassen, um den Film interessant und variantenreich zu halten und vor allem verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten in der Kameraführung zu haben. Ich wollte keinen Film machen, in dem die Linse immer nur Millimeter vom Körper der Hauptdarstellerin entfernt ist und sie nur komplette Dunkelheit umgibt, da der Film sich stark von "Buried" abheben sollte. Ein Kofferraum ist kein Sarg und in meinen Recherchefahrten, die ich darin verbracht habe, war ich genau wie die Hauptdarstellerin durchaus in der Lage, mich zu bewegen.

Mal ehrlich: Muss der Fahrer nicht mitkriegen, dass sie die ganze Zeit telefoniert? Bist du dir als Regisseur solcher Logiklöcher nicht bewusst? Oder denkst du da nur, scheiß drauf, mein Film funktioniert sonst nicht?

Mal ehrlich, 90 % aller Menschen würden sich in so einer Situation wie im Film dargestellt, höchstens in die Hose pinkeln und verängstigt um Hilfe schreien. Wie alle Single-Location-Filme ist "Trunk" NATÜRLICH eine Konstruktion, die darauf ausgelegt ist, spannend und ereignisreich zu sein. Mit solch einer Logikpolizei-Herangehensweise kann man jeden gleichgelagerten Genre-Film auseinandernehmen, wenn man es nur darauf anlegt. In "Buried" z.B. hat Ryan Reynolds Netzempfang, obwohl er mehrere Meter unter der Erde vergraben ist.

>Wenn der Driver Malina ihr Handy in den ersten Minuten wegnehmen würde oder die Polizei sie problemlos orten und befreien könnte, wäre der Film sofort vorbei. Natürlich geht es dann darum, Gründe zu finden, warum eben genau das gerade nicht sofort passiert. Mehrere Dialogpassagen thematisieren, warum das Handy nicht geortet werden kann (übrigens in Zusammenarbeit mit polizeilichen Beratern entstanden) und das Sounddesign betont laut prasselnden Regen auf dem Fahrzeug, der ihre Geräusche überdeckt.

Inwieweit man bereit ist, sich auf diese Begründungen einzulassen, ist sehr stark vom individuellen Sehverhalten jedes Zuschauers abhängig. In der Rezeption von "Trunk" haben wir festgestellt, dass die Amerikaner beispielsweise größtenteils überhaupt keine Probleme mit dem überhöhten Genre-Tonfall des Films (der Emotion und Action vor ein Gefühl der Abbildung der Wirklichkeit stellt) haben, während die deutsche Rezeptionshaltung vor allem Naturalismus und Realismus gewohnt ist und Dinge wie "Logiklöcher" vielmehr zum Thema macht.

Wie lange hat es von der ersten Idee bis zum fertigen Film gedauert? Habt ihr schon ein nächstes Projekt laufen?

Das Drehbuch entstand über ein paar Monate. Vom Startschuss, also dem Greenlight für die Produktion, über den Beginn des Castings, die Vorproduktion, Location-Suche etc. bis zur Abgabe des finalen Films (nach Schnitt, Colour Grading, visueller Effektarbeit etc.) vergingen nur insgesamt acht Monate, was extrem wenig ist und darum mit die größte Herausforderung bei diesem Projekt darstellte. Und ja, wir sind dabei, ein Nachfolgeprojekt auf den Weg zu bringen, was sich wieder im Thriller-Genre bewegt, aber einen deutlich größeren Umfang haben wird.

Ich habe eure Firma mal gegoogelt. Ihr sitzt in Wuppertal? Ist das kein Standort-Nachteil? Warum geht ihr nicht nach Berlin oder München oder so?

Wir fühlen uns hier sehr wohl, profitieren von der guten Anbindung an Köln und Düsseldorf bei sehr viel günstigeren Mieten. Außerdem haben wir in Wuppertal als Produktionsfirma und VFX-Haus ein wesentlich höheres Alleinstellungsmerkmal, als wir es in den genannten Städten hätten. Der Standort für Dreharbeiten hat auch nicht immer viel zu tun mit dem Standort von Dreharbeiten unserer Produktionen: "Trunk" wurde überwiegend im Ruhrgebiet (vor allem in Essen) gedreht.


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