Im Zentrum von "Abbitte" stehen drei Personen: Cecilia Taliss (Keira Knightley), die schöne, eigenwillige Tochter einer reichen Familie. Robbie (James McAvoy), der Nachbarsjunge aus dem Arbeitermilieu. Und Cecilias jüngere Schwester Briony (Romola Garai), eine altkluge angehende Autorin. In einem heißen Sommer 1935 werden ihre Schicksale auf immer miteinander verbunden. Die sexuelle Anziehung zwischen Cecilia und Robbie verstört Briony, und so trifft sie eine Entscheidung, die das Schicksal von Cecilia und Robbie nachhaltig beeinflussen wird. Fünf Jahre später, in den Wirren des zweiten Weltkriegs, werden sich die Wege der drei nochmals kreuzen und Briony ist bereit, für ihre Tat Abbitte zu leisten... .
"Abbitte" basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Ian McEwan, der sich trotz unbestreitbaren cineastischen Qualitäten nicht zwangsläufig für eine filmische Umsetzung anbot. Dafür ist die Geschichte mit ihren Szenen-, Erzählzeit- und Perspektivwechseln eigentlich zu komplex, und auch zu selbst-reflexiv. In "Abbitte" geht es auch zu großen Teilen ums Schreiben und die Macht des Wortes. Ein in übermütiger Unbedacht geschriebener Brief, ein sich über Jahrzehnte abgerungenes literarisches Geständnis, eine geflüsterte Aufforderung ("Come Back To Me"): Worte können hier Leben vorbestimmen - und zerstören.
Daher umso beeindruckender, wie souverän Joe Wrights Adaption die vor ihr liegenden Hindernisse überwindet. Um etwa dem literarischen Hintergrund auch thematisch gerecht zu werden, hört man des öfteren das Klicken einer Schreibmaschine, das sich später kongenial mit der musikalischen Untermalung verbindet, eine subtil eingeflochtene Erinnerung an den Subtext von "Abbitte". Und auch die Zeit- und Szenenwechsel werden geschickt vollzogen. Mit einer kaum für möglich gehaltenen flüssigen Eleganz läuft die Geschichte von Schuld und Sühne ab; auch ein Verdienst von Regisseur Joe Wright.
Der zeigte bereits mit seinem Debüt, der Jane-Austen-Verfilmung "Sinn und Sinnlichkeit", sein Talent für Literaturadaptionen und eine sichere Inszenierung. Beides zeigt sich noch deutlicher im vorliegenden Fall, einfach weil die Aufgabe größer war. Diese besteht Wright nicht nur mit Bravour, er hat sogar noch Zeit und Muße zum Schaulaufen. Sein piece de resistance kommt in den Weltkriegsszenen mit der Ankunft von Robbie am Strand von Dünkirchen, die Wright in einer ununterbrochenen, tief beeindruckenden und logistisch äußerst komplizierten fünfminütigen Kamerafahrt abfilmt. Da müssten sogar die bisherigen Meister solcher Plansequenzen wie Scorsese oder de Palma Respekt zollen.
Das andere ganz große Plus dieses Films sind dann die Schauspieler. Keira Knightley hat mit Wright ja schon in "Stolz und Vorurteil" zusammengearbeitet und unter Wright legt sie nach jener Gesellenprüfung nun auch das Meisterstück vor, ihre erste richtige Erwachsenenrolle. Ihre Figur Cecilia ist dabei komplizierter und vielschichtiger als ihre bisherigen Power-Grrrls wie Elizabeth Swann aus "Fluch der Karibik".
Und auch James McAvoy zeigt, warum er als einer von Englands besten Nachwuchsschauspielern gilt. War er in "Der letzte König von Schottland" noch bei allem Talent ein wenig einseitig in der Darstellung, so gibt er hier dem unglücklichen Robbie genau die richtigen Nuancen in dem Gefühlsspektrum, das diese Figur durchlebt. Romola Garai als die "mittlere" Briony spielt gut, wird aber von ihrem jüngeren Pendant Saoirse Ronan ausgestochen, die der 13-jährigen Briony eine eiskalte Intensität gibt.
"Abbitte" ist großes, klassisches Schauspieler- und Ausstattungskino, bei dem einzig das behutsame Erzählen mit einhergehenden kleineren Längen für Abzüge sorgt. Geruhsames Erzähltempo in Ehren, aber bisweilen geht es doch zu langsam voran, gerade weil man in diesen Momenten nicht weiß, wohin der Film will. Und dann ist da noch das Ende, bei dem dann wieder der Bogen zum literarischen Thema geschlagen wird. Sobald Briony als alte Dame (Vanessa Redgrave) auftaucht, schlägt der Film eine Wende, die überraschen, verwirren, zum Nachdenken einladen, beeindrucken, vielleicht auch verärgern wird.
"Abbitte" verhandelt nicht nur die Frage, ob Vergebung einer Leben zerstörenden Lüge überhaupt möglich ist, sondern auch in welcher Form. Und ob es möglich ist, traurige Geschichten ohne Happy End zu erzählen oder ob wir nicht alle die Aussicht auf ein Happy End brauchen, um unsere Leben sinnvoll und ausgefüllt zu leben. "Abbitte" lässt diese Frage offen, und das ist vielleicht seine größte unter vielen Errungenschaften.
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