Die Idee war vielleicht nicht unbedingt naheliegend, ist aber nicht ohne Reiz: Eine Nebenfigur (noch dazu eine „böse“) aus dem über fünfzig Jahre alten Disney-Zeichentrickklassiker „Dornröschen und der Prinz“ bekommt Ihren eigenen Film. Die vormals auf Deutsch „Malefiz“ getaufte Fee gehörte zu den charismatischeren Gegenspielern im Disney-Universum und wer sich bereits im Vorfeld ihre moderne Version mit den markanten Zügen Angelina Jolies (bei ihrem Kino-Comeback nach gut drei Jahren) anschaute, durfte durchaus gespannt sein, was man sich hier beim Griff ins eigene Studio-Archiv hat einfallen lassen. Das Ergebnis namens „Maleficent – Die dunkle Fee“ spielt dann erwartungsgemäß die aktuellen Effektmöglichkeiten aus und präsentiert sich als äußerst ernsthaftes, mitunter sogar düsteres Fantasy-Spektakel, dass aber in seinen leiseren Zwischenmomenten auch zu berühren weiß.
In unmittelbarer Nähe zueinander existieren die völlig unterschiedlichen Reiche des Feenwaldes und der Menschen, deren Herrscher im hoch aufragenden Schloss des Königs leben. Trotz ihrer Scheu vor den Menschen freundet sich die junge Fee Maleficent mit dem Jungen Stefan an, doch der hat ehrgeizige Pläne und verrät seine Freundin an den König, indem er ihre mächtigen Flügel abschneidet. Enttäuscht und verbittert beschließt die Erwachsene Maleficent (Angelina Jolie) sich zu rächen und verflucht die neugeborene Tochter des mittlerweile zum König aufgestiegenen Stefan (Charlto Copley). An ihrem sechzehnten Geburtstag soll Aurora (Elle Fanning) sich an einem Spinnrad stechen und in einen ewigen Schlaf fallen. Der König ergreift daher Schutzmaßnahmen, um seine Tochter vor diesem Schicksal zu bewahren, doch Maleficent ist ihm dabei stets einen Schritt voraus.
Die Anzahl der Versuche klassische, allgemein bekannte Märchengeschichten aufzupeppen und mit einem neuen „Twist“ fürs heutige Publikum interessant zu machen, war in den letzten Jahren zahlreich. Auch im TV bedient man sich bei „Grimm“ oder „Once upon a Time“ fleißig aus dem Märchenfundus, doch der Erfolg der letzten Kino-Adaptionen von „Schneewittchen" (gleich zweimal) oder „Rotkäppchen“ war eher überschaubar. Bei Disney bedient man sich nun immerhin im eigenen Hause, auch wenn „Dornröschen und der Prinz“ allgemein nicht zu den stärksten abendfüllenden Filmen des Animationsstudios gezählt wird. Es sind dann auch nur noch rudimentäre Elemente aus dem ursprünglichen Film übrig geblieben und wenig überraschend darf die nun zur Titelfigur mutierte „Maleficent“ nicht mehr wirklich böse sein. Sie ist allerdings auch keine strahlende Heldin, sondern eine recht vielschichtige, mit sich selbst und ihren negativen Gefühlen hadernde Figur, und dieser Ansatz erweist sich allemal als interessant.
Ohne zu viel von der weiteren Entwicklung der Handlung vorwegzunehmen, wird doch schnell klar, dass unsere dunkle Fee alsbald Skrupel bekommen wird, ihren finsteren, im Zorn ausgesprochenen Fluch auch in die Tat umzusetzen. So richtig fies darf sich Angelina Jolie daher auch nur in ganz wenigen Szenen gebärden, den Rest über betrachten wir ihren Charakter meist im inneren Kampf mit sich selbst. Den tatsächlichen Schurken oder zumindest denjenigen, der hier uneinsichtig und unfähig zur Umkehr ist, gibt dagegen Sharlto Copley („District 9“, „Oldboy“) der als machtgieriger König Stefan sein eigenes Unglück heraufbeschwört. Frei von jeglicher Bosheit und so liebenswert und rein als wäre sie einer Anleitung für familienfreundliche Disney-Heldinnen von ungefähr 1950 entsprungen, schwebt und tanzt dagegen Elle Fanning durch die verzauberte Gegend, die sich im Hinblick auf eine nachhaltige Filmkarriere anscheinend gegen ihre früher mal vorn liegende Schwester Dakota endgültig durchgesetzt hat.
Da ist es für die sie beobachtende Maleficent dann aber auch wirklich schwer nicht verzückt zu sein. Doch bleiben wir fair, ansonsten ist diese Disney-Produktion recht frei von zu vielen zuckersüßen Zutaten. Ganz im Gegenteil gibt sich das Setting überwiegend düster, insbesondere das Innere des Königsschlosses ist so ziemlich das Gegenteil einer Attraktion im Reisehandbuch. Humorvolle Sequenzen gibt es nur wenige und die sind dann, z.B. im Hinblick auf die drei zwar gutmütigen, aber leider ziemlich unfähigen Feen auch nur mäßig gelungen. Und wann ist es schon mal der Fall, dass man bei Disney zur Schere greifen muss, um die übliche und angestrebte Freigabe ab sechs Jahren zu erhalten – knapp 40 Sekunden fehlen daher nun in der deutschen Fassung des Films.
„Maleficent“ gibt sich bildgewaltig und natürlich darf auch eine größere Schlacht im Finale nicht fehlen, doch ufert der Film mit einer Laufzeit von unter 100 Minuten nicht so ermüdend aus wie es im Blockbusterkino zurzeit meistens üblich ist. Und die stärksten Momente sind hier eh diejenigen, in denen auf der emotionalen Klaviatur gespielt wird und man Zeuge einer im Grunde sehr traurigen und fast rührenden Geschichte wird. Das „fast“ gehört hier als Einschränkung vor allem deshalb hin, weil man sich da als gestandener Erwachsener natürlich keine Blöße geben will. Aber doch, das ist schon alles sehr nett gemacht.
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