
In dem kleinen Dorf in einer nicht näher bekannten Zeit hat man sich eigentlich mit den Umständen arrangiert: Um von dem durch die Wälder streifenden Werwolf verschont zu bleiben, opfert man ihm regelmäßig ein Tier. Doch eines Nachts tötet dieser trotzdem die Schwester der schönen Valerie (Amanda Seyfried), so dass sich kurz darauf die Bewohner aufmachen die Bestie zur Strecke zu bringen. Die Jagd scheint erfolgreich, doch als kurz darauf der berühmte Werwolf-Jäger Pater Solomon (Gary Oldman) im Dorf eintrifft, hat dieser für die ihm präsentierte Trophäe nur Spott übrig. Ein ganz normaler Wolfskopf sei das, denn schließlich würde sich ein Werwolf nach dem Tod wieder in seine menschliche Gestalt zurückverwandeln. Ergo: Der echte Werwolf befinde sich noch immer mitten unter den Bewohnern und jeder von Ihnen könne es sein. Eine Zeit der Angst und des Misstrauens beginnt, besonders für die nicht nur von gleich zwei jungen Männern umworbene Valerie. Denn auch das Untier zeigt ein ganz besonderes Interesse an der jungen Frau und sät damit weitere Zwietracht unter den Einwohnern. Als sich Valerie schließlich in ihrem rotem Umhang auf den Weg zur Großmutter macht, weiß sie schon lange nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen kann.
Catherine Hardwicke kann nur Teenies. Während die Filmmacherin zu Beginn ihrer Karriere aber mit "Dreizehn" oder "Dogtown Boys" noch mit durchaus ernsthaften und realistischen Dramen über junge Menschen aufwarten konnte, hat sie sich nun seit dem ersten, von ihr inszenierten "Twilight"-Film aber anscheinend ganz der übernatürlichen Fantasy-Romanze verschrieben. Das Rezept sieht dabei offensichtlich folgendermaßen aus: Man nehme eine hübsche, aber etwas unsichere weibliche Protagonistin, die sich zwischen zwei attraktiven Männern entscheiden muss, welche sowohl Geborgenheit als auch Gefahr versprechen, da sie mehr oder weniger mit tödlichen Fabelwesen zu tun haben. Ob sie daher Beschützer oder doch eher Bedrohung sind, ist dann die Frage und stellt eine Konstellation dar, die offenbar vor allem für das junge weibliche Publikum schlicht unwiderstehlich scheint.
Denn auch wenn es Trailer und Inhaltsbeschreibung von "Red Riding Hood" nicht sofort erkennen lassen, so ist doch tatsächlich auch diese sehr freie Version des bekannten "Rotkäppchen"-Märchens letztlich nur eine weitere Variante der bereits aus der "Twilight"-Saga bekannten Ausgangssituation. Daher verwundert es auch wenig, dass der arme Holzfäller Peter (Shiloh Fernandez) dem sanften Vampir Edward nicht nur äußerlich ähnelt und sich mit dem wohlhabenden und eigentlich auch irgendwie ganz netten Henry (Max Irons) als lästigen Nebenbuhler herumschlagen muss. Ratlos dazwischen steht dann die "Mamma Mia"-Entdeckung Amanda Seyfried, passend ausgestattet mit bleichem Teint, großen Augen und einer selbst in den gefahrvollsten Situationen nicht zu übersehenden Schönheit. Und damit auch noch der Letzte mitbekommt, in welchem Terrain wir uns hier bewegen, hat Frau Hardwicke dann der Einfachheit halber auch gleich Billy Burke mit rübergeholt, der in den "Twilight"-Filmen den Vater der Hauptfigur Bella spielt und hier nun also den, richtig geraten, Vater der Hauptfigur Valerie.
Wenn das alles bis hierhin ein wenig spöttisch klingt, rührt das natürlich daher, dass man bei "Red Riding Hood" so überdeutlich die Absicht und Masche erkennt, mit der hier recht schamlos auf einen Trend aufgesprungen wird, und es soll schließlich keiner glauben, dass wir das nicht merken würden. Aber von dieser mittelschweren Dreistigkeit abgesehen gibt es ansonsten nur sehr wenig, was man an diesem Werk ernsthaft kritisieren kann. Genau genommen ist es nämlich, im Vergleich zu den (hiermit nun auch zum letzten Mal erwähnten) "Twilight"-Filmen sogar die bessere Wahl.
Denn erst einmal sieht der Film wesentlich besser aus und weiß mit seinem detaillierten Märchenwald-Setting, den herrlichen Farben und Schneeflocken sowie einigen wirklich wunderschönen Panorama-Einstellungen schon mal ganz unabhängig von der eigentlichen Geschichte außerordentlich zu gefallen. Doch selbst die gibt sich keine große Blöße, sondern versteht es im Gegenteil sehr geschickt, das Rätsel um die wahre Identität des Werwolfs lange offenzuhalten. Immer wieder werden kleine Hinweise gestreut, natürlich auch um den Zuschauer bewusst etwas in die Irre zu führen, vor allem aber um ein munteres Mitraten zu ermöglichen - bis 15 Minuten vor Filmende darf hier gerne jeder noch seinen Tippschein abgeben.
Eine weitere Trumpfkarte sind sicherlich auch die feinen Nebendarsteller, vor allem bei den weiblichen Figuren von Valeries Mutter und Großmutter. Erstere gibt die immer gute (und irgendwie auch überhaupt nicht älter werdende) Virginia Madsen ("Sideways"), letzteres ist eine schöne Gastrolle für die Veteranin Julie Christie ("Doktor Schiwago"). Ach ja, und dann haben wir da ja auch noch den guten Pater Solomon, der zunächst noch wie die wissende Stimme der Vernunft auftritt, sich aber im Verlauf immer mehr in einen fanatischen und willkürlich agierenden Hassprediger verwandelt (hey, er wird schließlich von Gary Oldman gespielt).
Fazit: Diese wilde, nur noch in Ansätzen als Adaption der "Rotkäppchen"-Vorlage zu identifizierende Fantasy-Schmonzette funktioniert alles in allem bemerkenswert gut, sieht fantastisch aus und macht durchgehend Laune. Und auch in kommerzieller Hinsicht könnte die wohl kalkulierte Rechnung aufgehen, nimmt man die geradezu euphorischen Reaktionen der bei der Pressevorführung anwesenden Jugendlichen zum Maßstab. Catherine Hardwicke dürfte demnach also bald mit weiteren Aufträgen versorgt werden. Schließlich warten wir nun auch noch auf die romantischen Teenager-Varianten von "Frankenstein" und der "Mumie". Oder etwa nicht?
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