
Wer sind die titelgebenden Helden der Nacht? Das kommt wohl darauf an, welche Seite man fragt. Die meisten würden wohl sagen, es sind Männer wie Joe Grushinsky (Mark Wahlberg) und sein Vater Burt (Robert Duvall). Beide sind hochdekorierte Mitglieder der New Yorker Polizei. Es ist 1988 und New York ist noch so, wie es Filme lieben - schmuddelig, gefährlich, mit riesiger Kriminalitätsrate. Genau diese wollen Vater und Sohn senken, vor allem, indem sie die Russenmafia bekämpfen, die sich anschickt, den Drogenmarkt zu übernehmen. Zu dumm nur, dass ausgerechnet Joes Bruder Bobby (Joaquin Phoenix) auf der Gehaltsliste eines mutmaßlichen russischen Mobsters steht. Zwar "nur" als privat den illegalen Pharmazeutika nicht abgeneigter Manager eines Nachtclubs, aber als die New Yorker Polizei einen gefährlichen Drogenhändler dingfest machen will, muss sich Bobby bald entscheiden, wo seine Loyalität liegt. Denn ein brutaler Machtkampf bahnt sich an. Und gemäß dem Originaltitel (einem Slogan, den Polizisten als Aufnäher an ihre Dienstkleidung hefteten) stellt sich bald die Frage: Wer herrscht über die New Yorker Nacht?
Es ist keine Faulheit. James Gray hat in den letzten zwölf Jahren nur drei Filme gedreht, aber wenn es nach ihm ginge, wären es mehr und sein letzter Streifen "The Yards" läge auch nicht nunmehr sieben Jahre zurück. Aber Herr Gray hat eben eine ganz spezielle Art von Film - spröde, persönliche, langsame Charakterstudien, die sich als Thriller tarnen - die ihn interessiert, und da ist eine Finanzierung immer eine Sache von mehreren Jahren. Besonders wenn man wie Gray auf Authentizität besteht und statt ins günstigere Kanada zu gehen eben partout in New York selbst drehen will.
Gott sei dank kann er auf alte Freunde bauen: Seine Hauptdarsteller aus "The Yards" Mark Wahlberg und Joaquin Phoenix sind wieder mit dabei und beide sind als ausführende Produzenten gelistet. Ohne diese beiden prominenten Herren hätte man wohl noch ein paar Jahre mehr warten müssen auf "Helden der Nacht".
Und das wäre zweifellos sehr schade gewesen, denn endlich hat Gray die richtige Mischung gefunden zwischen langsamem Spannungsaufbau, Charakterszenen und Thrillerzutaten wie die obligate Autoverfolgungsjagd oder das Bespitzeln eines Drogenlabors. Denn wo "Little Odessa" und "The Yards" ihr gemächliches Erzähltempo bisweilen im Weg stand und bei aller aufscheinenden Klasse sich doch auch Langeweile breit machte, hat er mit "Helden der Nacht" seine Alchemistenprüfung bestanden.
Nun ist Gray allerdings in den letzten sieben Jahren auch nicht plötzlich zu Michael Bay mutiert. Daher sind Erzähltempo und Aufbau der Geschichte hier immer noch behutsam und klassisch, allerdings wird der Geschichte durch einen Plottwist noch vor der Halbstundenmarke ein Schub gegeben. Hatte man sich angesichts der Ausgangssituation schon auf das nicht gerade ganz neue Duell zweier ungleicher Brüder über die Grenzen des Gesetzes hinweg eingestellt, so ist Gray schlau genug, hier Erwartungen zu unterlaufen. Zuviel soll natürlich nicht verraten werden, daher sagen wir das so: Es passiert letztlich größtenteils das, was man erwartet, aber es passiert anders, als wohl von den meisten gedacht. Und damit zeigt Gray sein Verständnis dafür, wie man Genrekino geschickt umsetzen kann, sowohl in- als auch außerhalb der Konventionen.
Gerade diese Mischung, gepaart mit einem unspektakulären Realismus, verhilft "Helden der Nacht" zum Erfolg. Bestes Beispiel dafür ist die schon erwähnte Autoverfolgungsjagd. Wo bei sagen wir mal einem Bay Pistolenschüsse wie Kanonendonner klingen würden und alles darauf ausgelegt wäre, spektakulär und cool auszusehen, zeigt Gray diese Sequenz wie sie wohl im wirklichen Leben ablaufen würde: Pistolen klingen wie nasse Feuerwerkskörper, im grauen Regenchaos sieht man genau so wenig wie die Protagonisten und anstatt zu denken "coole Autopirouette" spürt man die unerträgliche Klaustrophobie und Panik der Situation. Wenn es auch für "Helden der Nacht" nicht ganz zum Klassiker reicht, zumindest eine klassische Szene wirft er ab - mit der wohl realistischsten Verfolgungsjagd seit der legendären "French Connection".
Wie zuvor scharrt Gray eine erlesene Mischung aus jung und alt um sich, neben den üblichen Verdächtigen versucht hier Eva Mendes aus dem Ghetto der attraktiven weiblichen Staffage auszubrechen. Das gelingt zwar nur halb, denn in erster Linie bleibt sie ein hübsches Gesicht, aber man sieht immerhin, was sie an dieser Rolle reizte. Allerdings bleibt der Rest des erlesenen Ensembles trotz bewiesener früherer Glanzleistungen eher solide als genial, besonders Robert Duvall und Mark Wahlberg. Jener ist in einer etwas undankbaren Rolle gefangen, und seit seiner Glanzdarstellung als pöbelnder Cop in "Departed - Unter Feinden" sind die Ansprüche natürlich mit den Vergleichsmöglichkeiten gestiegen. Unfair aber wahr, im Vergleich wirkt sein glattgebügelter Musterpolizist hier etwas lahm. Joaquin Phoenix hat es dank mehr Leinwandzeit besser, aber auch hier gilt: gut, aber nicht herausragend.
Es scheint eine gute Saison für Thriller über die Russenmafia zu sein. Vor kurzem lief David Cronenberg mit "Tödliche Versprechen", einem thematisch verwandten Film, zur Hochform auf, und auch wenn jener und Grays Film inhaltlich und thematisch kaum verschiedener sein könnten, so eint sie das erfolgreiche Abbilden eines Milieus und das Erzählen einer interessanten Geschichte. "Helden der Nacht" bleibt dabei dank einiger Drehbuchschwächen konventioneller und damit auch schwächer als Cronenbergs grandioser Gangsterfilm, aber auch hier kann man Genrefreunden den Kinobesuch ans Herz legen. Wem der Sinn nach ehrlicher Handarbeit und einem Kriminaldrama alter Schule steht, der ist hier richtig - zum ganz großen Klassiker fehlt zwar noch ein Stückchen, aber auch kleinere Heldentaten sind ja aller Ehren wert.
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