Seit dem Tom Cruise 1996 das erste Mal auf unmögliche Mission ging, dauerte es im Schnitt fünf Jahre bis zur nächsten Auflage dieser Franchise, die er sich so geschickt auf den Leib geschneidert hatte. Diese längeren Zwischenpausen waren auch der Tatsache geschuldet, dass für jeden neuen Teil erstmal ein neuer Regisseur gefunden werden wollte, denn bei fünf M:I-Filmen waren bislang fünf verschiedene Herren für die Inszenierung zuständig. Dass zwischen "Rogue Nation" und "Fallout" nun nur drei Jahre ins Land gingen, hat sicher auch damit zu tun, dass mit dieser Regel diesmal gebrochen wurde und Christopher McQuarrie den zweiten Franchise-Film hintereinander schreiben und inszenieren durfte. Man kann nur sagen: Eine sehr weise Entscheidung. Denn McQuarrie schließt seinen zweiten Film nicht nur inhaltlich sehr eng an den direkten Vorgänger an und sorgt damit für mehr Stringenz in der Reihe. Mit einem "Übungsfilm" in petto beweist McQuarrie auch ein absolut sicheres Händchen für alles, was einen M:I-Film aus-, rund und stark macht. Seit ihrem Beginn trug die Franchise immer das Versprechen in sich, einen ganz großen Wurf im Actionthriller-Genre abliefern zu können. Nun, jetzt ist er endlich da.
Für seine Geschichte verlässt sich der Film dabei auf einen bestens bewährten Plot-Motor aus dem Arsenal des "Wir müssen die Welt retten"-Superagenten-Thrillers: Atomare Sprengköpfe in den falschen Händen. Nachdem Ethan Hunt mit seinem Team am Ende von "Rogue Nation" das terroristische Mastermind Solomon Lane (Sean Harris) festnehmen konnte, ist dessen nun kopflose Terror-Organisation zu einem unberechenbaren Haufen geworden, der auch bereit ist, sich gestohlenes Plutonium zu besorgen um ihren Anführer mit der Drohung atomarer Anschläge freizupressen. Hunt will unbedingt verhindern, dass die Truppe an das entsprechende Waffenmaterial kommt und den sich bereits anbahnenden Deal über eine Unterwelt-Zwischenhändlerin (Vanessa Kirby, herrlich kühl-blond als charismatische "White Widow") verhindern. Problem nur: Hunt hat die Wiedererlangung des Plutoniums bereits einmal vermasselt, weil er lieber das Leben eines Teammitglieds retten als das Plutonium sicherstellen wollte. Deswegen hält man ihn nicht mehr für ganz zuverlässig und er kriegt gegen seinen Willen den CIA-Agenten August Walker (Henry Cavill) an die Seite gestellt - ein arroganter Haudrauf mit eher unsubtilem Vorgehen der Sorte "Erstmal schießen, dann fragen".
Dieser rivalisierende Agent, mit dem sich die M:I-Truppe (diesmal nur als Dreier-Team mit Cruise, Ving Rhames und Simon Pegg) rumschlagen muss, erweist sich als sehr gutes Mittel, um im ersten Drittel des Films mit gegenseitigen Foppereien den Spaß-Faktor fürs Publikum hochzuhalten, während der Film noch einige Expositionsarbeit leisten muss. Was nicht heißt, dass hier nicht schon Platz für ein paar beeindruckende Sequenzen wäre - ein Fallschirmsprung mitten durch eine Gewitterfront (natürlich keine gute Idee) ist ein erstes Highlight. Dann kommt es kurz darauf zu einer grandios choreografierten Schlägerei zwischen Hunt, Walker und einer Zielperson in einer Club-Toilette. Mit ihrer hohen Intensität und der perfekten Inszenierung setzt diese Sequenz ein erstes Ausrufezeichen. Und von da an geht der Film eigentlich nicht mehr vom Gas.
Ein Blockbuster-Film mit fast zweieinhalb Stunden Laufzeit leidet eigentlich fast immer darunter, dass er inhaltlich unnötig aufgeblasen ist und mit überlangen Materialschlachten irgendwann in Langeweile und Eintönigkeit kippt. "Fallout" ist auch gerade deshalb solch ein Triumph von einem Film, weil sich zweieinhalb Stunden im Kino selten so kurzweilig und kompakt angefühlt haben wie hier. Der Film schlägt in solcher Geschwindigkeit seine inhaltlichen Purzelbäume, führt sein Szenario mit zahlreichen kleinen Wendungen immer so rasant um die nächste Kurve und leitet so flüssig von einer grandiosen Sequenz zur nächsten über, dass einem kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Trotz seiner Überlänge wirkt "Fallout" an keiner Stelle aus den Fugen geraten, sondern wie ein meisterlich komponierter und ausgeführter Highend-Actionthriller der allerersten Qualitätsstufe.
Die furiose Rasanz des Films erweist sich auch als sehr nützlich, um über die sich unweigerlich auftuenden Logiklöcher hinwegzufegen. Ob das sich immer wieder wendende Spiel, wer hier eigentlich gerade was plant, wer welche heimliche Agenda fährt und warum, im Detail betrachtet wirklich immer Sinn ergibt, für solche Überlegungen lässt der Film einem schlicht keine Zeit, weil er so schnell den nächsten Haken schlägt oder eine weitere atemberaubende Action-Sequenz auflegt, die ihresgleichen sucht.
"Mission: Impossible" hat hierbei schon immer ganz bewusst "over the top" operiert, das sich entfaltende Action-Feuerwerk tanzt immer mit diebischer Freude am cineastischen Spektakel auf dem schmalen Grat zwischen "schlicht umwerfend" und "herrlich lächerlich". Das ist bei "Fallout" nicht anders, und der Eigenanspruch geht hier ganz klar in die Richtung: Wenn wir etwas machen, dann machen wir es auch so spektakulär wie es nur geht. Paris zum Beispiel ist ein gern genommener Handlungsort für Superagenten-Actionthriller und die Metropole hat schon mehr als eine aufwendig inszenierte Verfolgungsjagd gesehen. Aber eben noch keine wie diese hier.
Dasselbe gilt auch für das Finale, inklusive einer "Hat man so auch noch nicht gesehen"-Hubschrauber-Verfolgungsjagd als Teil eines Showdowns, der einen 15 Minuten laufenden Bomben-Countdown mal eben auf fast 25 Minuten Leinwandzeit ausdehnt, weil er mit drei gleichzeitigen Handlungsorten operiert und soviel paralleles Spektakel entfaltet, dass es schneller auch gar nicht gegangen wäre.
Und man muss es einfach mal zugeben: Die enorme Wirkungskraft dieses Films lebt ganz zentral auch von Tom Cruise, mehr noch, ohne ihn wäre das hier gar nicht möglich. Die berühmte Bereitschaft des Stars, all seine Stunts selber zu drehen (was bei den Dreharbeiten hier u.a. zu einem gebrochenen Knöchel führte), erlaubt es dem Film selbst in den halsbrecherischsten Momenten ganz nah bei seinem Helden zu bleiben. Und es ist einfach auch so, dass niemand mit solcher Intensität einem Bösewicht hinterherläuft wie Tom Cruise. Die Unbedingtheit, mit der Cruise hier agiert, wird niemals irgendwelche Preise gewinnen, doch sie ist ein fulminantes Beispiel dafür, wie ein Schauspieler einen solchen Film durch puren Einsatzwillen prägen und zu einem echten Ereignis machen kann.
Der andere Held dieses Films ist natürlich Christopher McQuarrie, der hier sowohl als Autor wie als Regisseur einfach alles richtig macht. Der Wendungsreichtum, das wahnsinnige Pacing, die immer wieder kurz aufblitzenden Humorspitzen, die virtuos ausgeführten Action-Sequenzen - es stimmt einfach alles. McQuarrie schafft es sogar, seinen Plot mit einer durchgängigen menschlichen Note zu durchziehen, was bei solchen Spektakeln ja gerne mal untergeht. Ethan Hunts Menschlichkeit und sein Unwille, unschuldige Leben zu opfern, mag für einen Top-Agenten zwar unrealistisch weil permanent hinderlich im Einsatz sein, doch hier ist sie nicht nur immer wieder ein großartiger Plot-Motor, um neue Wendungen zu erzeugen. Sie gibt "Fallout" auch ein emotionales Rückgrat. Man sollte sich jedenfalls nicht wundern, wenn dieser Film in nicht allzu ferner Zukunft als Lehrbuchbeispiel für einen handwerklich brillant ausgeführten Action-Thriller angeführt wird.
Wer Rummäkeln möchte, wird natürlich auch hier fündig werden, bei den Logiklöchern zum Beispiel oder dem Bösewicht Solomon Lane, der nun zum zweiten Mal zum Einsatz kommt und immer noch nicht sonderlich charismatisch daherkommt. Doch das einzig wirklich Bedauerliche an "Mission: Impossible - Fallout" ist eigentlich nur das Bewusstsein, dass es für die Reihe nach diesem formvollendeten Höhepunkt eigentlich nur noch abwärts gehen kann. Mal schauen, ob es bis dahin wieder fünf Jahre dauert. Falls Cruise jedenfalls langsam zu alt für sowas wird - einen besseren Abgang kann man sich für diese Franchise kaum vorstellen.
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