Nach einigen mageren Jahren im Schatten der Konzernschwester Pixar hatten auch die Walt Disney Animation Studios zuletzt wieder große Erfolge zu verzeichnen, sowohl das einfallsreiche Superhelden-Abenteuer „Baymax“ als auch „Die Eiskönigin“ kamen sehr gut beim Publikum an, letzterer nimmt sogar schon den Status eines modernen Klassikers ein und ist zudem auch in den Bereichen Musik und Merchandise omnipräsent. Mit „Zoomania“ wagt man sich nun auch wieder in ein Gebiet vor, für das der Name „Disney“ lange stand wie kein anderer, nämlich den Animationsfilm mit vermenschlichten Tierfiguren. Da ist die Tradition von „“Bambi“ über „Susi und Strolch“ oder den „König der Löwen“ eine lange und gewaltige, dementsprechend hoch liegt aber auch die Latte, die man in den Krisenjahren dann mit Beiträgen wie „Die Kühe sind los“ auch mal deutlich gerissen hat. Doch bei „Zoomania“ liegt der Ansatz nun ein wenig anders, wird die Vermenschlichung insoweit ein Stück zurückgefahren, dass man sich bemüht eine Welt zu entwerfen, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse sehr unterschiedlicher Tiere auch Rücksicht nimmt. Und auf genau dieser Vielfältigkeit baut der Film dann auch seine eigentliche Geschichte auf.
Die ehrgeizige Häsin Judy Hopps ist jedenfalls sehr beeindruckt, als sie zum ersten Mal die Metropole „Zoomania“ betritt, die in mehrere Sektoren aufgeteilt ist und in der von der eiskalten Tundra bis zur heißen Savanne jeder Tierart die passende klimatische Zone geboten wird. Unterschiedlich große Einrichtungen oder Reisemöglichkeiten sind nach den jeweiligen Bedürfnissen von kleinen Mäusen oder auch riesigen Elefanten ausgerichtet. Doch selbst in dieser „Multikulti“-Variante scheint es gewisse Grenzen zu geben, denn von einem Hasen als Polizisten hat bisher noch niemand etwas gehört und dementsprechend auch jeder vorher abgeraten, als die ehrgeizige Judy von ihrem Traum schwärmte „die Welt zu einem besseren Ort zu machen“. Doch Judy setzt sich an der Polizeiakademie durch, wird in den Dienst aufgenommen und auch sofort eingesetzt – als Politesse zum Schreiben von Falschparkertickets. Dabei bedrücken ganz andere Probleme die Stadt, denn mehr als ein Dutzend ihrer Bewohner scheint spurlos verschwunden, wobei es sich ausnahmslos um Raubtiere handelt. Durch Zufall stößt Judy auf eine Spur zu diesem Fall und bekommt so doch noch die Gelegenheit sich auszuzeichnen. Dazu benötigt sie allerdings ausgerechnet die Hilfe von Nick Wilde, einem verschlagenen Fuchs und Gauner, der stets nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht scheint.
Man darf selbstverständlich nicht allzu genau nachdenken über die innere Logik und vor allem Logistik dieser Gesellschaftsform, sonst fragt man sich irgendwann wie denn das funktionieren soll mit der beruflichen und wohnortgerechten Unterbringung jedes einzelnen Tieres (wenn z.B. jede Hasenfamilie allein schon hunderte Nachkommen produziert). Aber die Grundidee ist nicht nur sympathisch, sondern auch mit unzähligen liebevollen Details ausgearbeitet worden, seien es die unterschiedlich großen Türen in den Zügen oder die in wechselnder Höhe angebrachten Wasserspender. Man staunt gemeinsam mit der Hauptfigur, wenn Judy zum ersten Mal durch „Zoomania“ fährt und dem Betrachter unter den Klängen von Shakiras „Try Everything“ die ganze Vielfalt dieses neuen, farbenprächtigen Disney-Kosmos präsentiert wird. Da haben sich die Kreativen spürbar austoben dürfen und diese Minuten gehören sicher zum bisher Beeindruckendsten des noch jungen Kinojahres. Die sich anschließende Handlung von der unterschätzten Protagonistin, die sich gegen Widerstände und die Tatsache durchsetzen muss, dass ihr niemand etwas zutraut, bietet dagegen dann erst mal Altbekanntes. Dank der vielen schönen Ideen fällt das aber kaum auf und nur wenig ins Gewicht, denn diverse Anspielungen auf die Popkultur von „Der Pate“ bis „Breaking Bad“ oder wirklich köstliche Nebenfiguren wie der doch etwas irreführend benannte Bürokrat „Flash“ sorgen für Spaß und Kurzweil, bevor es dann schließlich ernst wird.
Und zwar ziemlich ernst, denn die Geschichte, die sich hinter dem Verschwinden der Raubtiere verbirgt ist alles andere als lustig und eigentlich überhaupt nichts für die ganz Kleinen. Wobei man aber andererseits gar nicht früh genug damit anfangen kann, auch bei denen eine Sensibilität und Empathie für diejenigen auszubilden, vor denen man sich nicht automatisch fürchten muss, nur weil sie „anders“ sind. Denn genau um diese Thematik geht es hier schließlich, und wenn eine ängstliche Mutter ihr Kleines in der U-Bahn näher an sich heranzieht, sobald sich ein Raubtier (und potentieller Fleischfresser) daneben setzt, dann ist die Allegorie zur aktuellen Flüchtlingsdebatte geradezu unvermeidlich, und dementsprechend gibt es auch in „Zoomania“ Politiker, denen ein Klima der Angst und Verunsicherung durchaus recht ist.
Es wird daher zeitweilig ein wenig sehr düster in dieser Disney-Produktion und das überrascht dann schon, erhöht aber andererseits nur weiter das Niveau einer auch sonst durchgängig sehr engagierten, optisch überzeugenden und detailverliebten Produktion. Was sich auch an der Besetzung selbst kleinster Nebenrollen zeigt, so wird etwa in der Originalfassung der bekiffte Leiter einer Kommune von Tommy Chong gesprochen und für die deutsche Version des extrem langsam sprechenden Beamten hat man folgerichtig Rüdiger Hoffmann verpflichtet. Und keine Sorge, der leichte Ton kehrt irgendwann zurück und der Spaß ist insgesamt trotzdem ein großer. Zudem bieten die vielen, hier teilweise nur kurz gezeigten und angerissenen Bereiche von „Zoomania“ noch jede Menge Potential für weitere Geschichten, auf die man sich nach diesem ersten Ausflug durchaus freuen darf.
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