Women without men

Originaltitel
Zanan-e bedun-e mardan
Land
Jahr
2009
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 3. September 2010

 

 Da hat sich die iranische Fotografin und Videokünstlerin Shirin Neshat ja mal etwas vorgenommen. Mit ihrem Spielfilmdebüt "Women without men" wagt sie sich mutig an die Umsetzung einer äußerst komplexen Literaturvorlage der Exil-Iranerin Shahrnush Parsipur. Leider zahlt sich der Mut nur teilweise aus, denn während Neshat ihr beneidenswertes Talent für Bildersprache auch auf der Leinwand beeindruckend auslebt, untergraben eine oberflächliche Geschichte und schablonenhafte Protagonisten leider deutlich den visuellen Zauber dieses Erstlingswerkes.

Vielleicht hat sich Neshat hier einfach mit der Geschichte ein bisschen übernommen. Dabei passt diese ja inhaltlich perfekt zu den bisherigen Arbeiten der Iranerin, die in ihren Fotografien und Videoinstallationen sich bisher vor allem mit der Situation der Frauen im Islam auseinandergesetzt hat. Im Film sind es nun gleich mehrere Frauen, deren Leben in Teheran durch Männer zur Hölle gemacht wird.
Zarin (Orsi Tóth) vegetiert als Prostituierte eigentlich nur noch dahin, während die schon etwas reifere Fakhri (Arita Shahrzad) in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Die junge Faezeh (Pegah Ferydoni) wiederum ist hoffnungslos in den tyrannischen Bruder von Munis (Shabnam Tolouei) verliebt, die wiederum mit den politischen Untergrundkämpfern sympathisiert. Die Geschichte spielt nämlich im Jahre 1953, also zur Zeit des berüchtigten Militärputsches, der das Land für immer veränderte.

Ganz schön viel Stoff für 95 Minuten. So viel, dass es schon eine verdammt schwierige Aufgabe ist, all den vielen Figuren die nötige Zeit für ihre Entwicklung zu geben. Leider bleibt der Film dann auch die meiste Zeit an der Oberfläche, was aber auch noch andere Gründe hat. Zum einen, und das kann man bei der obigen Inhaltsangabe schon erahnen, driftet der Film stellenweise arg in die Richtung Daily Soap ab. Insbesondere die Handlungsstränge von Faezeh und Fakhri sind stellenweise schon erschreckend banal und uninteressant, was durch manch grausig hölzern klingenden Dialog und klischeehafte Männerrollen nicht gerade verbessert wird. Das die Prostituierte Zarin und die politische Aktivistin Munis da schon eher so etwas wie Leben entwickeln, liegt ebenfalls nicht am Drehbuch, das auch hier sich kaum Zeit nimmt, in das Innere seiner Figuren zu blicken, sondern daran, dass hier schlicht und ergreifend die deutlich besseren Schauspielerinnen am Werk sind. Vor allem Orsi Tóth holt aus ihrer aufs Leiden reduzierten Figur dank ihrer unglaublichen Leinwandpräsenz einiges heraus.
Aber eine wirklich starke Bindung zu den Figuren aufzubauen ist schwer bei einem Drehbuch, das einfach konsequent immer an der Oberfläche seiner Protagonisten bleibt. Das beste Beispiel ist die gemeinsame Zeit der Frauen, von denen sich drei später in einem Garten vor den Toren Teherans treffen. Zwischen den von Männern betrogenen, missbrauchten und misshandelten Frauen bildet sich hier ein unglaublich starkes Band, eine Gemeinschaft, die nichts auf dieser Welt zerstören kann. Problem an der ganzen Sache ist, dass die Entstehung dieser Freundschaften nie gezeigt wird. Stattdessen beschränkt man sich darauf, eine Figur hinzustellen, die brav aufsagt wie toll diese Gemeinschaft geworden ist. Wie das alles aber passiert ist, das überspringt der Film einfach komplett.

Die Schwächen des Drehbuchs sind wirklich ärgerlich, vor allem deswegen, weil der Film visuell über weite Strecken ein richtiger Leckerbissen ist. Vor allem der Garten, der die Frauen zusammenführt, ist visuell meisterhaft-mystisch in Szene gesetzt. Ein von Nebelschwaden durchzogener Ort, der gleichermaßen wie ein befreiendes Paradies und bedrohliches Gefängnis wirkt. Auch die Inszenierung von Neshat ist für ein Erstlingswerk durchaus beeindruckend gelungen. Elegante Kamerafahrten wechseln sich ab mit ruhigen, langen Einstellungen, alles in einem wundervollen Rhythmus, der vor allem im letzten Drittel des Films deutlich in die Richtung meisterhaft tendiert. Durchaus nachvollziehbar, dass Neshat für diese Inszenierung den Silbernen Löwen in Venedig verliehen bekam.
Umso frustrierender, dass die Geschichte aber nicht einmal ansatzweise diesen Bildern und ihrer Inszenierung gerecht wird. So fehlt es dem Film schlussendlich dann auch an Aussagekraft, denn insbesondere die Verbindung zwischen dem Schicksal der vier Frauen und dem Schicksal des Landes wird nicht so wirklich deutlich. So fehlen auch hier, vor allem für diejenigen, die nicht so mit der iranischen Geschichte vertraut sind, wieder tiefere Einblicke. Was da genau politisch vor sich geht im Jahre 1953, darauf geht der Film kaum ein, und so vermisst man, wie auch bei den Figuren, hier einfach eine ganze Ladung Substanz. Substanz, die es einem ermöglicht in diesen Film eintauchen zu können und sich von ihm mitreißen zu lassen. So bleiben schöne Bilder, eine talentierte Regisseurin und ein Film, der trotzdem leider viel zu schnell wieder in Vergessenheit geraten wird.

Bilder: Copyright

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