Traffic

Originaltitel
Traffic
Land
Jahr
2000
Laufzeit
143 min
Genre
Release Date
Bewertung
10
10/10
von Simon Staake / 16. Juni 2010

Ein Kriegsfilm ohne Soldaten. Ein Epos ohne Helden. Die Schlachtfelder, auf denen hier gekämpft wird, sind die staubigen Strassen von Tijuana, die blankgewienerten Kongresshallen in Washington, D.C. oder aber miese Hotelzimmer in Los Angeles. Der Krieg, der hier geführt wird, ist der Krieg gegen Drogen. Und jeder Krieg fordert seine Verluste. Alle Protagonisten aus "Traffic" tragen ihre Wunden davon, erleiden Traumata, kehren aus diesem Krieg verändert zurück.

Douglas

Wie der Regierungsabgeordnete Robert Wakefield (Michael Douglas), der gerade zum obersten Drogenbeauftragten des Landes befördert wurde, und nicht nur mit ansehen muss, wie Lobbyismus und Korruption seine mit hehren Ansprüchen angetretene Arbeit lähmen, sondern zusammen mit seiner hilflosen Frau (Amy Irving) bemerken muss, das Tochter Caroline (Erika Christensen) selbst ein Junkie ist, auf dem unaufhaltsamen Weg Richtung Abgrund.
Oder wie die mexikanischen Polizisten Javier Rodriguez (Benicio del Toro) und sein Partner Manolo Sanchez (Jacob Vargas), die dem Drogenhandel über die mexikanische Grenze und der umgebenden Korruption in den eigenen Reihen hilflos gegenüberstehen und mit Unterstützung eines zwielichtige Generals (Thomas Milian) versuchen, eines der Drogenkartelle zu zerschlagen.
Oder wie die L.A.-Cops Montel Gordon (Don Cheadle) und Ray Castro (Luiz Guzman), die nach ihrer Festnahme des Gangsters Eduardo Ruiz (Miguel Ferrer) nun eben diesen als Kronzeugen beschützen müssen. Oder wie Helena (Catherine Zeta-Jones), die Ehefrau des von Ruiz belasteten Schmugglerboss Carlos Ayala (Steven Bauer), die sich von verwöhnter High-Society-Lady in eine eiskalte Gangsterin verwandeln muss, um ihre Familie zu schützen, bis sie höchstpersönlich Todesurteile befiehlt.

Zeta Jones

Zweieinhalb Stunden. Drei große Storylines mit zahllosen Subplots. Über hundert Sprechrollen. Ein Monument, aber kein falsches oder pathetisches. In diesem Film von Steven Soderbergh (der auch die Kameraarbeit übernahm), seinem besten, wird gezeigt und nicht verurteilt. Gezeigt in teilweise schmerzlich realistischen Bildern - das Verurteilen muss der Zuschauer schon selbst übernehmen. Selten hat ein Film seinem Publikum so viel abverlangt, musste sich dieser mit soviel Ambiguität herumschlagen. Polizist und Drogenboss, Abgeordneter und Junkie, oder verzweifelte Mutter: Einfache Gut und Böse-Muster gibt es hier nicht. Niemand ist ohne Schuld. Niemand ist nur bei einer dieser beiden Extreme zu finden. Ambivalentere und daher realistischere Charaktere hat man auf der Leinwand selten gesehen.

Das Verweben der verschiedenen Plotlines - Drehbuchautor Steven Gaghan hätte eine Oskarnominierung mehr als verdient - ist meisterhaft: Nur selten begegnen sich die verschiedenen Hauptfiguren, aber ihr Handeln hat Auswirkungen für Alle. Jede Tat hat eine Konsequenz. Jede Konsequenz hat ihren Preis. Verlust der eigenen Ideale, Verlust des besten Freundes, Verlust der eigenen Menschlichkeit. Jeder hier bezahlt einen Preis. Manchmal einen vielleicht zu hohen, aber auch das muss der Zuschauer selbst entscheiden.
Die Darstellerleistungen des Ensembles sind herausragend, nicht mehr und nicht weniger. Allen voran Benicio del Toro. Sein Porträt des Javier Rodriguez, eines Mannes, der wie ein einsamer Wolf an seinem eigenen Moralkodex festhält, mit seinen müden, aber gleichzeitig hellwachen Augen im vom Kampf zermürbten Gesicht und mit der Gefährlichkeit eines angeschossenen Tieres. Das ist ganz groß. Von großartig ganz zu schweigen.

Behind the 
Scenes

Der Rest folgt nahezu genauso beeindruckend. Auffällig ist, dass sich Michael Douglas in seinem Porträt eines scheiternden Idealisten angenehm zurückhält und dass seine Angetraute Catherine Zeta Jones mit einer richtig geschriebenen Rolle wesentlich mehr bietet als nur sekundäre Geschlechtsmerkmale. Ein hervorragend aufgelegter Don Cheadle, die beeindruckende Leistung von Erika Christiansen als Teenie-Junkie, die Liste der Lobpreisungen wäre schier endlos.

Angenehme Kinokost ist "Traffic" nicht. Sperrig und mit Fragen, die einem auch Stunden und Tage später nicht aus dem Kopf gehen, wird hier gezeigt, was wirklich grandiose Filme leisten können: Alle Sinne werden angesprochen. Wen dieser Film kalt lässt, der ist schon tot. Das erste absolute Muss dieses Filmjahres.
Natürlich hat dieser großartige Streifen weder eine Lösung noch eine Moral, wenngleich Soderberghs Ansatz klar wird: Drogen sind in erster Linie ein Gesundheits- und erst dann ein Kriminalitätsproblem. Am Ende Ratlosigkeit, aber keine Resignation. "Wir sind hier, um zuzuhören" murmelt Michael Douglas und Benicio del Toro sieht fröhlichen Kindern beim Baseball zu. Und vielleicht reicht dies schon. Der Krieg, den Soderberghs Soldaten führen, mag ein Rückzugsgefecht sein und vielleicht auch schon verloren, er mag sinnlos sein und mit den falschen Waffen geführt. Aber so lange es Aufrechte hinter den Fronten gibt, die nicht aufstecken, muss er weitergeführt werden. March on, soldiers.

Bilder: Courtesy of 20th Century Fox, Copyright 2000
 

10
10/10

Das Problem is nich, dass Leute einen Film nicht mögen... Das Problem ist, dass diese nur den Kommentar "scheiße" oder ähnliches abgeben, ohne zu reflektieren und zu begründen. Wenn dann noch irgendein alberner Name oder eine solche E-Mail-Adresse, dann kann man sich schon ein Urteil über die Leute hinter so einer "Kritik" machen.
Der Film ist großes Kino, beklemmend wahrhaftig, beängstigend und lebensnah. Zu den Schauspielern muss nichts mehr gesagt werden, wurden schon genug gelobt ;o)
Das ist alles, nur eines noch: Wenn man nicht auf Beleidigungen in seinen Kommentaren verzichten kann, dann is das genauso dämlich - damit mein ich baer nicht nur dich!

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8
8/10

@ priscilla
Vielleicht ist der film nicht jedermanns sachen (wegen vielen szenenwechseln, kein richtiger spannunsbogen) aber du kannst dem film AUF KEINEN FALL fehlende Differenzierung vorwerfen. Es steckt so viel in diesem Film drin. Jeder Protagonist steckt quasi mit in der scheiße. Das macht den reiz des Filmes aus. Trotzdem bleiben die Charaktere für meinen Geschmack zu blass. Auf grund der Masse an Personen war das aber nicht zu vermeiden. Und eine aufgeblasene Moral hat der Film auch nicht im geringsten. Genau das Gegenteil ist der Fall.

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10
10/10

Bis heute warte ich vergeblich auf einen zehnstündigen Directorscut. Schade. Hat eigentlich schon jemand die grandiose, hypnotische Musik erwähnt?

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