Trade - Willkommen in Amerika

Originaltitel
Trade
Land
Jahr
2007
Laufzeit
119 min
Genre
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Matthias Kastl / 16. Juni 2010

 

Und wieder hat es einen erwischt. Nach Oliver Hirschbiegels unnötiger "Invasion" und Mennan Yapos' uninspirierter "Vorahnung" gesellt sich nun auch Marco Kreuzpaintner mit "Trade - Willkommen in Amerika" in die Riege deutscher Regie-Talente, die dieses Jahr ihr Hollywood-Debüt gründlich verpatzt haben. Leider ist dies zugleich auch der frustrierendste dieser drei Fehltritte, denn dieses Projekt gab eigentlich den meisten Grund zur Hoffnung. Kreuzpaintner offenbart nämlich unglaublichen Mut mit der Auswahl seines Stoffes, schließlich widmen sich nicht viele Regisseure bei ihrer US-Premiere so heiklen Themen wie internationalen Menschenhändlerringen und dem sexuellen Missbrauch von Kindern.
Umso ärgerlicher dann das frustrierende Endergebnis, welches schon fast wieder mehr Schaden anrichtet als Gutes zu tun. Die starke Schwarz-Weiß-Zeichnung der Figuren und der sehr befremdliche Versuch, den Film mit einer Dosis humorvollem Road-Movie aufzulockern, kann man da noch als die kleinsten Ärgernisse bezeichnen, den wirklichen Todesstoß gibt dem Film aber das extrem manipulative Schlussdrittel. Hier wird der Zuschauer mit haarsträubenden Plotwendungen konfrontiert, die nur noch die Tränendrüsen des Publikums aber nicht mehr die eigentliche Sache im Visier haben. Wer die Brisanz eines solchen Themas ausnutzt, um den Zuschauer mit konstruierter Melodramatik zu bombardieren, der soll doch bitte gleich die Finger von diesem Stoff lassen.

Mutig ist es ja wirklich was sich Kreuzpaintner mit der Unterstützung von Roland Emmerichs Produktionsfirma Centropolis Entertainment da vorgenommen hat. Knapp eine Millionen Menschen werden jedes Jahr weltweit verschleppt, vorzugsweise junge Frauen und Kinder die oft als Sexsklaven in westliche Länder verkauft werden (dies thematisierte auch schon Lukas Moodysson in dem überragenden "Lilja 4-ever"). Wirklich präsent ist dieses Thema nur selten in den Medien und "Trade - Willkommen in Amerika" hat nun das löbliche Ziel, dies zu ändern. Basierend auf einem Artikel des New York Times Magazine konzentriert sich der Film auf den illegalen Menschenhandel zwischen Mexiko und den USA und versucht, dieses System durch die Schilderung von Einzelschicksalen zu beleuchten.
Als seine 13-jährige Schwester Adriana (Paulina Gaitan) von Menschenhändlern in Mexico City entführt wird, nimmt der erst 17-jährige Jorge (Cesar Ramos) die Verfolgung auf. Während seiner Reise, die ihn bis in die USA führt, lernt Jorge den amerikanischen Cop Ray (Kevin Kline) kennen, den private Gründe ebenfalls auf die Spur der Verbrecher geführt haben. Zusammen will das ungleiche Paar eine Rettungsaktion für Adriana starten, die derweil in der ebenfalls verschleppten Polin Veronica (Alicja Bachleda-Curus, "Herz über Kopf", "Sommersturm") jemanden findet, der ihr während ihres Martyriums Trost spendet.

Mit "Sommersturm" hatte der nun 30-jährige Kreuzpaintner sich ja schon mit dem nicht gerade Multiplex-freundlichen Thema der Selbstfindung eines homosexuellen Jugendlichen beschäftigt, nun will er mit seinem neuesten Streifen also die Machenschaften von internationalen Menschenhändlerringen und den damit verbundenen sexuellen Missbrauch von Frauen und Kindern beleuchten. Harter Tobak und programmiertes Multiplexgift - da haben sich die Macher auf jeden Fall einen großen Vorausbonus verdient. Den hat der Film am Ende aber leider wieder komplett verspielt, den spätestens nach einer halben Stunde beginnt der Film kontinuierlich Raubbau an den so hart erarbeiteten Vorschlusslorbeeren zu betreiben.
Anfangs scheint ja noch alles im Lot zu sein, denn da zeigt vor allem Regisseur Kreuzpaintner, das er durchaus mit Talent gesegnet ist. Souverän und stilistisch sicher wird hier das Grundszenario etabliert und Spannung aufgebaut - und das Ganze mit einer gehörigen und durchaus erfrischenden Portion Schwung.

Spätestens wenn der junge Jorge dann aber auf den erfahrenen Cop Ray trifft, beginnen erste dunkle Wolken am Horizont aufzuziehen. Im Glauben, die düstere Grundstimmung des Filmes zumindest teilweise auflockern zu müssen, wird nun der Geschichte eine Prise Buddy-Road-Movie injiziert, die mehr als befremdlich wirkt. Zum einen wird dabei oft Humor ohne jegliche Sensibilität für die jeweilige Situation in die Geschichte integriert. Da erfährt Jorge zum Beispiel, dass seine Schwester über das Internet an den Meistbietenden verschachert wird, und reißt dann nur Sekunden später locker Witze über Rays Musikgeschmack. Zum anderen gehen viele Auflockerungsversuche auf Kosten der Mexikaner und befriedigen auf ziemliche plumpe Weise amerikanische Klischees. Wenn Ray meint, Jorge solle doch bitte allen US-Cops trauen, man sei ja schließlich nicht in Mexiko, und dann Jorges Körpergeruch kritisiert um ihn postwendend unter die Dusche zu stecken - ja dann präsentiert man mal wieder das schöne Bild vom dreckigen und korrupten Mexikaner. Und das hat hier nun mal wirklich gar nichts zu suchen.
Wenig hilfreich ist auch, das die Bandbreite von Jorge-Darsteller Cesar Ramos deutlich begrenzt ist und der Funken zwischen ihm und Kevin Kline nie wirklich überspringt. Letzterer portraitiert die Figur des Ray sehr zurückhaltend und introvertiert, was bei dieser Thematik durchaus der richtige Ansatz ist, aber dann leider doch nach hinten losgeht. Denn das Drehbuch hält die Motive für Rays Untersuchung des Falles bis zum Schluss geheim, und so bekommt man als Zuschauer natürlich nur schwer Zugang zu dem ohnehin sehr schweigsamen Cop.

Etwas mehr Zugang bietet zumindest die Parallelhandlung, in der die verschleppten Adriana und Veronica deutlich mehr Leinwandchemie erzeugen, was auch daran liegt, das dieser Teil mit dem deutlich talentierteren Kinderdarsteller aufwartet. Doch wirkliche Tiefe verleiht auch diese Geschichte ihren Figuren nicht, da sich der Film hier alleine auf das Zeigen von Extremsituationen beschränkt. Diese bestehen meistens aus körperlichen, sexuellen oder seelischen Misshandlungen und sind natürlich ein wichtiger Bestandteil eines solchen Filmes; insbesondere eine Szene in einem Kornfeld gibt einen erschütternden Einblick in die kranke Welt, in die Adriana und Veronica geraten.
Doch sich fast exklusiv auf solche Szenen zu beschränken bringt einem nicht wirklich den Figuren näher. Nicht das es einen kalt lässt, aber um wirkliches Verständnis für die Situation der Protagonisten aufzubringen, braucht es mehr als nur Szenen in denen geheult und gelitten wird. So bleibt es dann eben bei den sehr eindimensionalen Schwarz-Weiß-Zeichnungen nach dem Opfer-Täter-Prinzip. Hausaufgabe für die Macher: "Lilja 4-ever" anschauen und lernen, wie es richtig gemacht wird.

Diese melodramatische Herangehensweise des Films wird dann leider im weiteren Verlauf der Geschichte ins beinahe Unermessliche gesteigert, und das bricht dem ganzen Unternehmen dann endgültig das Genick. Denn in der letzten halben Stunde wird auf erschreckende Weise offensichtlich, dass es den Machern wirklich nur noch darum geht, Figuren mit extremen Situationen und Entscheidungen zu konfrontieren um den maximalen melodramatischen Effekt zu erreichen. Dafür wird dann auch jegliche Logik und das Verständnis für Figuren komplett über Bord geworfen, und genau das ist nicht einfach nur ärgerlich, sondern auch wirklich verwerflich. Die Selbstaufgabe eines wichtigen Protagonisten, die vollkommen aus der Luft gegriffene Wandlung eines Bösewichtes vom Saulus zum Paulus und das überkonstruierte moralische Dilemma, vor das Ray am Ende gestellt wird - was zum Teufel hat die Macher denn da geritten.
Absolut Over-the-top und schon wirklich nicht mehr ernst zu nehmen ist dann auch noch eine Anspielung, welche versucht Rays Vergangenheit mit den aktuellen Geschehnissen zu verknüpfen - Stichwort "grüne Augen". Da sitzt man dann im Kinosaal und denkt sich: Das können die doch nun wirklich nicht ernst meinen. Das "Sahnehäubchen" folgt aber in der Schlussszene, in der eine Figur dann noch mal üble Klischees bestätigt und der Film gleichzeitig noch schnell ein Dutzend neuer moralischer Botschaften auf plumpste Weise unters Volk bringen möchte.
Apropos Botschaften: Nimmt man den Film beim Wort, dann kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass man nur mal kräftig beten muss um das Böse dieser Welt zu besiegen. Und wenn das nach 119 Minuten als Ergebnis rauskommt, dann darf man einen Film getrost als gescheitert bezeichnen.
Die Schuld darf man dabei nicht alleine auf das Drehbuch wälzen, denn in der zweiten Hälfte trägt auch die Regie zu dem Desaster bei. Die Internetversteigerung der jungen Adriana kann man zum Beispiel deutlich weniger sensationalistisch inszenieren, da muss sich Kreuzpaintner auch an die eigene Nase fassen. Ausgerechnet Kreuzpaintner, der mit "Sommersturm" doch eigentlich bewiesen hat, dass er schwierige Themen mit der nötigen Sensibilität angehen kann.

So lobenswert die Themenwahl auch ist und so leicht man sich von dem emotionalen Overkill des Films blenden lassen kann, "Trade - Willkommen in Amerika" ist ein missglückter und stellenweise sogar richtig ärgerlicher Versuch Licht auf ein Thema zu werfen, das einen viel besseren Film verdient hat. Vielleicht sollten wir ernsthaft in Erwägung ziehen einen Ausfuhrstopp für deutsche Regisseure zu verhängen. Gut hat ihnen die Hollywood-Luft dieses Jahr auf jeden Fall nicht bekommen.

 

10
10/10

Der Film hat mich sehr beeindruckt, für meine Begriffe mit Abstand einer der besten Filme dieses Jahres!
Ich kann die negative Kritik nich nachvollziehen (wie auch die vielen anderen schlechten Kritiken die man so hört). Dieser Film stellt den Menschenhandel in seiner ganzen schrecklichen Realität dar und es gibt Szenen, bei denen das genauere Nachdenken über das, was dort eigentlich passiert, so erschütternd ist dass man es sich einfach nicht ausmalen darf. Doch würde der Film nur solche Szenen aufweisen, so wäre er schlicht nicht mehr erträglich. Daher war der Handlungsstrang Bruder/Cop eine eindeutig notwendige Entspannung zwischendurch. Was den Humor darin angeht- ich denke, dass niemand ernsthaft versucht sein kann während dieses Films zu lachen, daüfr sind die dargestellten Dinge zu erschütternd. Es ist einfach angenehm zwischendurch leichtere Szenen zu sehen. Was die Kritik der Schwarzweißmalerei angeht denke ich, dass die einzige Schwarzweißmalerei die Annahme ist, dass man in einem solchen Film keinesfalls Humor oder melodramatischen Elementen erzählen darf.
Natürlich bedient der Film einige Klischees und es gab am Ende ein Element was in meinen Augen unnötig war, aber ich finde sie keineswegs störend und vielleicht sind es auch gerade diese Klischees die es ermöglichen den Film überhaupt anzusehen.

Jedenfalls ist der Film definitiv sehenswert, wie ja auch die bisherigen Bewertungen in der imdb vermuten ließen. Die Kritik hat mich sehr enttäuscht, mindestens 7 Augen hat er allemal verdient!!!!!
Ein schwer verdaulicher, aber sehr gelungener Film um ein mutiges Thema. Ich empfehle ihn ohne Abstriche!

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8
8/10

Der einzige Punkt, in dem ich dem Rezensenten zustimme ist folgender:

"Im Glauben, die düstere Grundstimmung des Filmes zumindest teilweise auflockern zu müssen, wird nun der Geschichte eine Prise Buddy-Road-Movie injiziert, die mehr als befremdlich wirkt."

Das wirkt tatsächlich zunächst befremdlich. Doch diese Augenblicke sind so kurz und verschwinden hinter der großartigen beklemmenden Atmosphäre, die sich in den 120 Minuten aufbaut. Seit "Crash" endlich wieder ein Film, der in mir mehr bewegt, als das ranzige Popcorn moderner Multiplex-Kinos. Großartig inszeniert und ein wirklich spektakuläres Drehbuch.

Die Vergabe von nur drei Punkten halte ich für extrem übertrieben. Eine volle Punktzahl kann man natürlich wegen der genannten Stellen nicht vergeben, aber für 7-8 Punkte (je nach Geschmack und Stimmung) reicht es allemal.

Ich wette sogar darum, dass dieser Film mindestens eine Oscar-Nominierung (zumindest für Best Screenplay & Writing) einheimsen wird.

Lasst Euch von der vernichtenden Rezension nicht abschrecken. "Trade" ist eine Bereicherung, wie ich sie seit langem nicht mehr auf der großen Leinwand sehen durfte.

LG,
Daniel

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9
9/10

Super Film. Schlechte Rezension von Filmszene.

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10
10/10

Der Film ist gut gemacht und ehrlich.
Die Macher dieser Seite sind nicht ganz sauber oder einfach nur sehr deprimiert. Schon allein dass der Kommentar zu diesem Film über mehrere Filme des Regisseurs gezogen wird zeigt das diese Seite unprofessionell ist. Des Weiteren ist es auch nicht gerade von Vorteil die Geschichte des Films komplett niederzuschreiben, und somit auch das Ende zu verraten. Wirklich eine seriöse Seite!

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10
10/10

Ein beeindruckend guter Film, der es schafft, ein wenig beachtetes - und unter die Haut gehendes - Thema faszinierend unterhaltend zu erzählen. Keine Minute werden wir gelangweilt und erstarren in tiefer Betroffenheit (obwohl das Thema subkutan ist).

Kurzum: eine gute Balance zwischen packender Unterhaltung und tiefer Ergriffenheit.

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2
2/10

der film ist einfach zu emotional gemacht...er kann das thema nicht wirklich rüber bringen!!

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9
9/10

Wirklich ein gelungener Film mit emotional anrührenden, aber auch spannenden und schockierenden Szenen. Ich denke, dass "Tan" gewaltig was an der Musik hat!

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