Mit seiner Neuverfilmung von „Mord im Orient-Express“ gelang Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth Branagh vor ein paar Jahren ein echter Überraschungshit. Die visuell aufgepeppte und ihrer Hauptfigur etwas mehr Persönlichkeit verleihende Adaption des klassischen Agatha Christie-Romans punktete trotz ihres leicht altmodisch anmutenden Sujets vor allem auch beim jüngeren Publikum, und so stand schnell fest, dass es weitergehen würde. Wie damals in den siebziger Jahren folgt auf den Zug nun das Schiff und wir begleiten eine Gruppe glamouröser Gestalten beim „Tod auf dem Nil“. Die Zutaten sind also die Gleichen, das Ergebnis fällt aber einen Hauch weniger imposant aus als beim Vorgänger.
Was auch mit der sehr vertrackten Geschichte zu tun hat, die man nicht so einfach entschlacken kann, um eventuell etwas schneller zum ersten Mord und den folgenden Ermittlungen zu gelangen. Nein, das Vorgeplänkel um die romantischen Irrungen zwischen der Millionenerbin Linnet Ridgeway (Gal Gadot), die ihrer besten Freundin Jaqueline (Emma Mackey) den Mann ausgespannt hat, muss schon in einer gewissen Ausführlichkeit geschildert werden, und ebenso, wie die übrigen Hochzeitsgäste zu dieser umstrittenen Verbindung stehen. Dass diese zudem jeder für sich auch noch ein anderes Problem mit Linnet und somit vielleicht ein Motiv haben, ihr Schaden zuzufügen, versteht sich dabei in einem Agatha Christie-Plot fast von selbst. Dem ebenfalls an Bord der Hochzeitsgesellschaft befindlichen Hercule Poirot fällt jedenfalls schon früh auf, dass etwa das Dienstmädchen Louise (Rose Leslie), der Anwalt Andrew (Ali Gazal) oder auch die Malerin Euphemia (Annette Benning) anscheinend etwas verbergen.
Die Spannung baut sich also langsamer und länger auf als einst im Orient-Express, und bis es dann zum großen Knall kommt, darf man sich als Zuschauer an den erneut exquisiten Bauten und Szenenbildern erfreuen, diesmal in Form des luxuriösen Schiffes oder der eindrucksvollen Tempel von Abu Simbel. Die bereits im Vorgänger eingeführten aufwändigen Kamerafahrten, die gerne mal in langen Shots ohne erkennbaren Schnitt um das Geschehen (hier vor allem das Schiff) kreisen, finden sich auch im neuen Film, glänzendes Wasser und das fast zu schön um echt zu sein hereinstrahlende Sonnenlicht lassen dabei förmlich Gemälde auf der Leinwand entstehen, die man ausführlich bestaunen kann, um die Zeit bis zum eigentlichen Kriminalfall zu überbrücken.
Dessen Verlauf dürfte vielen ja bekannt sein und vor allem für diese Zuschauer ist dann die Ebene besonders interessant, die man in den aktuellen Poirot-Adaptionen zusätzlich neu eingeführt hat. Bei aller Liebenswürdig- und Kauzigkeit war der geniale und nahezu unfehlbare belgische Meisterdetektiv früher doch irgendwie – vor allem aus heutiger, moderner Sicht – auch eine Art Cartoonfigur ohne echte menschliche Eigenschaften. Dem wird nun noch mehr entgegenwirkt, enthüllt man doch eine Vergangenheit, die neben dem Schicksal von Poirots großer Liebe sogar die Herkunft seines markanten Schnauzers enthüllt. All das führt zu einer vom aktuellen Mordfall dann zutiefst persönlich betroffenen Figur, die mit ihren eigenen Fehlern und Entscheidungen hadert – ein Vorgehen, dass diese Neuverfilmungen immens bereichert und dem Darsteller Branagh zudem deutlich mehr Möglichkeiten gibt zu glänzen.
Das weitere Ensemble wartet nicht mit ganz so vielen großen Namen auf wie beim Vorgänger, dennoch sind die diversen, oft etwas schräg angelegten Typen aber erstklassig besetzt. Lediglich bei Gal Gadot als unsicherer Diva kann man sich mitunter schon fragen, ob die nicht in erster Line doch nur gewählt wurde weil sie momentan in Hollywood einfach unglaublich angesagt ist. So perfekt sie die Rolle der kämpfenden Amazone Wonder Woman ausfüllt, so wenig hat Gadot bisher belegen können, dass sie auch etwas vielschichtiger angelegte Charakterrollen wirklich beherrscht.
Für sich genommen kann „Tod auf dem Nil“ durchaus überzeugen, der Vergleich mit dem direkten Vorgänger ist aber nun mal unvermeidlich und da fällt dann schon ins Gewicht, dass das alles beim zweiten Aufguss nicht mehr ganz so frisch und neu wirkt, obwohl man sich – vor allem im Hinblick auf die Figur Poirot – sichtbar Mühe gibt. Dafür, dass die Vorlage sich aufgrund ihres umständlichen Aufbaus nicht ganz so perfekt für eine Adaption eignet, können die Filmemacher natürlich nichts, aber vor allem dieser Punkt trägt eben dazu bei, dass das Endergebnis diesmal nicht ganz so rund geworden ist. Aber immer noch ziemlich gut.
Neuen Kommentar hinzufügen