Straw Dogs - Wer Gewalt sät

Originaltitel
Straw Dogs
Land
Jahr
2011
Laufzeit
109 min
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 29. November 2011

Sich an eine Neufassung von Sam Peckinpahs  Film „Straw Dogs“ aus dem Jahr 1971 zu wagen ist mindestens mutig. Obwohl oft gar nicht besonders kommerziell erfolgreich, steht doch heute das Gesamtwerk des streitbaren Filmemachers Peckinpah als recht einsamer, weil kaum vergleichbarer Fels in der Brandung der Filmgeschichte.Straw Dogs 1 Dessen Parabel über die in jedem menschlichen Wesen steckende Neigung zur Gewalt gehört dabei zweifellos zu seinen überzeugendsten Filmen, und die Tatsache, dass eben dieser Film lange Jahre auf dem Index stand, hatte weniger mit der gezeigten Brutalität, sondern mit der Präsentation einer ambivalenten, nicht eindeutig moralisch handelnden Hauptfigur zu tun. Dass die neue Version nun für deutlich weniger Aufsehen und Diskussionen sorgen wird, liegt aber nicht an der oft beschworenen abgestumpften Gesellschaft unserer Tage, sondern daran, dass aus der Originalgeschichte durch nur kleine Veränderungen ein reichlich konventioneller und mäßig interessanter Psycho-Thriller geworden ist.

Es ist schon ein kleiner Kulturschock, der den bisher in Hollywood arbeitenden Drehbuchautoren David Sumner (James Marsden) erwartet, als er mit seiner Frau, der attraktiven Schauspielerin Amy (Kate Bosworth) in deren Heimatort im tiefsten Süden zieht. Hier hat Amy das Anwesen ihres verstorbenen Vaters geerbt und hier wollen die Beiden nun leben, doch schon die ersten Zusammentreffen mit örtlichen Rabauken, Footballfans und anderen eher schlichten Gemütern in Blackwater, Mississippi lässt in David leichtes Unbehagen aufkommen. Als wenig glücklich erweist sich auch die Entscheidung, ausgerechnet Amys früheren Lover Charlie (Alexander Skarsgard) mit der Renovierung der heruntergekommenen Scheune zu beauftragen. Zwar erweisen sich Charlie und dessen Kumpel erwartungsgemäß als brauchbare Handwerker, doch lassen sie es für Davids Empfinden nicht nur an Benehmen vermissen, sondern ihn auch bei jeder Gelegenheit spüren, was sie von diesem intellektuellen Weichling halten. Auch Davids zaghafte Versuche sich in die Kleinstadt-Gesellschaft zu integrieren verlaufen wenig erfolgreich. Der Weg zur Eskalation scheint nicht nur unvermeidlich, er ist es auch.Straw Dogs 2

Es war wohl recht naheliegend, erst mal den Schauplatz vom englischen Land in den bekanntlich immer noch etwas „konservativen“ Süden  der USA zu verlegen. Also dorthin wo vermutlich nicht nur dem Hörensagen nach Männer noch richtige Männer sind, das Bier in Strömen fließt und das eigene Selbstbewusstsein höchstens mal mit der angemessenen Gottesfurcht kollidiert. Die flirrend heiße Umgebung und brennende Sonne dient dann nicht nur dazu, die Figuren leicht bekleidet oder mit nacktem Oberkörper umherlaufen zu lassen, sie vermittelt auch recht überzeugend die allgegenwärtige, nicht nur latent vorhandene Gewalt und Aggression.

Was sich offenbar auch auf den gesunden Menschenverstand auswirkt, denn man darf sich schon fragen, warum der nette David hier nicht einmal ernsthaft erwägt die Flucht zu ergreifen und diese Zumutung an grenzdebilen Rednecks vielleicht doch einfach sich selbst zu überlassen. Abgesehen davon, dass der Film dann nach 30 Minuten zu Ende wäre, gibt es nämlich kein wirklich stichhaltiges Argument das nicht zu tun, vor allem da sich Dorfhengst Charlie aber auch nicht die geringste Mühe gibt, bei jeder unpassenden Gelegenheit zu demonstrieren, dass er eigentlich immer noch scharf auf die Ex ist. Und wenn David stolz von seinem aktuellen Projekt berichtet, einem Drehbuch über den „Kessel von Stalingrad“ und die Frage, wie sich dort ein paar Soldaten gegen eine gewaltige Übermacht durchsetzen konnten, dann antwortet sein Gegenüber, dass die Sache doch klar sei - denn wer anders als Gott könne da den Eingeschlossenen die Hand geführt haben.

Straw Dogs 3

Nein, „subtil“ kann man diese Darstellung des wilden Südens nicht gerade nennen, mit einer nennenswerten Ausnahme allerdings. Der von seiner Rolle als Vampir in „True Blood“ die Südstaaten-Hitze bestens gewohnte Alexander Skarsgard ist als Charlie nicht nur seinen Gang-Mitgliedern sondern auch sämtlichen Mitbewohnern an Charisma deutlich überlegen und legt seine Figur zudem so feinschichtig an, dass deren Unruhe, Nervosität und Emotionen überzeugend rüberkommen.

Auch James Marsden, der im Filmszene-Interview kürzlich noch berichtete, dass dies die bisher wichtigste und fordernste Rolle seiner Karriere sei, macht seine Sache an sich ausgezeichnet, kann aber auch nicht darüber hinweg spielen, dass sein gut aussehender Sunnyboy David es eigentlich längst nicht so schwer haben dürfte akzeptiert zu werden. Jedenfalls nicht im Vergleich zur deutlich kantigeren und  verschrobeneren Interpretation eines lange Zeit bewusst blass agierenden Dustin Hoffmann im Original. Womit wir also bei der Hauptfigur angekommen wären und damit dann auch beim entscheidenden Unterschied der beiden Versionen. 

Denn wo das Verstörende an Peckinpahs Film die Erkenntnis war, dass auch ein vermeintlich kultivierter und über solchen Dingen stehender Mann plötzlich so etwas wie Lust und Befreiung daran empfindet, die Gewalt endlich aus sich herauszulassen, ist von solch einer Demaskierung im Film des biederen Handwerkers Rod Lurie nichts zu finden. Dieser David Sumner tut hier nichts als sich selbst zu verteidigen, und dabei dann auch nur das was dafür nötig ist. So moralisch einwandfrei, dass die Frage nach „Notwehr“ gar nicht erst gestellt werden muss, weil „gut“ und „böse“ hier problemlos zu trennen sind. Und somit bekommt ein Film durch im Grunde nur minimale Änderungen im Verhalten der Charaktere dann eine gänzlich andere Aussage, schleift sich selbst sämtliche Ecken und Kanten ab und verliert dadurch immens an Wirkung.

Straw Dogs 4

Wie, es ist nicht ganz fair diese Änderungen zu kritisieren, schließlich muss ein Remake ja nicht sklavisch der früheren Version folgen, sondern darf doch gern eine eigene Interpretation anbieten? An sich schon, doch abgesehen davon, dass diese neue Interpretation nun einmal deutlich uninteressanter ist, weil sie aus einer provokanten eine schon zig Mal gesehene 08/15-Geschichte macht, darf sich der nicht über den Vergleich beschweren, der sich so bewusst auf seine Vorlage beruft. „Based on the Film by Sam Peckinpah“ heißt es da nämlich im Vorspann, wo man nicht etwa auf die Romanvorlage von Gordon Williams verweist. Was noch vom deutschen Verleih verstärkt wird, der sogar den damals nur für die deutsche Vermarktung erfundenen Titel „Wer Gewalt sät…“ wieder aufgreift. Wer also die Messlatte ganz von selbst so klar definiert und dabei dann dummerweise ein ganzes Stück zu hoch legt, sollte sich nicht wundern wenn man mit diesem im Grunde gut gemachten und gespielten Thriller auch entsprechend härter ins Gericht geht.

 
Bilder: Copyright

4
4/10

Ein klassischer Rohrkrepierer: Die anfangs atmosphärisch sehr dichte Inszenierung, nicht zuletzt wegen des äusserst charismatischen Alexander Skarsgard, macht eigentlich Lust auf mehr und lässt die Erwartungen des Zuschauers steigen. Leider schafft es der Film mit zunehmender Laufzeit nicht, diese Erwartungen auch nur ansatzweise zu erfüllen, im Gegenteil, die Luft ist sehr schnell raus. Auch der Showdown entpuppt sich als echtes Ärgernis. Ich kenne das Original nicht, halte dieses Remake als eigenständiger Film aber für relativ misslungen, zu viele verpasste Möglichkeiten ...

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