The Singing Detective

Originaltitel
The Singing Detective
Land
Jahr
2003
Laufzeit
109 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Matthias Kastl / 18. März 2011

Mel Gibson meets David Lynch. Selbst die kühnsten Phantasien eines Cineasten können einen solchen Film eigentlich nicht zum Leben erwecken. Doch wer bereits mit einem aramäisch-sprachigen Film erfolgreich die anspruchsresistenten US-Charts erobert hat, für den ist wohl auch dies keine wirkliche Herausforderung mehr. So liefert uns Mel Gibson (nach dem eindrucksvollen "Die Passion Christi") schon den zweiten Film in diesem Jahr, der so gar nicht in die geradlinige Blockbuster-Spur eines Hollywood-Stars passen will. Zwar überlassen Gibson und seine Produktionsfirma dieses Mal den Regiestuhl einem Anderen, doch Gibson fügt dafür seiner Darsteller-Vita eine äußerst ungewöhnliche Rolle hinzu. Das Ergebnis reicht zwar nicht an Gibsons religiöses Epos heran, kann sich aber trotzdem sehen lassen.
Gibson spielt, mit Halbglatze und Brille kaum wiederzuerkennen, den Psychotherapeuten Dr. Gibbon. Dieser betreut den aggressiven und unberechenbaren Autor Dan Dark (Robert Downey Jr.). Dan leidet unter Psoriasis, einer Hautkrankheit, bei welcher der Körper von äußerst schmerzhaften Schuppenflechten übersät ist. Das weitaus größere Problem stellen allerdings Dans Panikattacken dar, die nicht nur das Krankenhauspersonal (u.a. Katie Holmes), sondern vor allem Dans Frau Nicola (Robin Wright Penn) zur Verzweiflung bringen. Dan vermischt dabei die Realität mit einer Traumwelt, die er sich aus seinem letzten Roman "The Singing Detective" zusammenbastelt. So sieht er sich nicht nur mit singendem Krankenhauspersonal, sondern auch mit skrupellosen Gangstern (Adrien Brody, Jon Polito) und mysteriösen Auftraggebern (Jeremy Northam) konfrontiert. Dass dies den von Dr. Gibbon anvisierten Heilungsprozess nicht gerade vereinfacht, dürfte auf der Hand liegen.

Basierend auf einer sechsteiligen BBC Mini-Serie aus dem Jahre 1986 wird dem Zuschauer hier ein auf mehrere Ebenen verteiltes Puzzle-Spiel präsentiert, an dessen Lösung das Mainstream-Publikum in den USA bereits vor einem Jahr keinerlei Gefallen fand. Für die große Masse ist "The Singing Detective" allerdings auch nicht konzipiert worden, und so dürfte es die Macher dann eher geschmerzt haben, als der Film beim aufgeschlosseneren Publikum des Sundance-Festivals durchfiel. Das Problem von "The Singing Detective" liegt darin, dass sich der Film unglücklicherweise zwischen zwei Stühle setzt: Zu anspruchsvoll und fordernd für den Mainstream und zu simpel und durchschaubar für den Arte-Zuschauer. Die Krux der Geschichte hätte den Verantwortlichen dabei schon früh bewusst sein müssen. Eine sechsteilige Serie auf ein Viertel ihrer Laufzeit zu kürzen, ohne inhaltliche und qualitative Abstriche zu machen, das konnte nicht wirklich ohne Blessuren ablaufen.
Wahrscheinlich war man aber geblendet davon, dass das Drehbuch von keinem geringeren als dem Originalautor der hochgelobten Serie verfasst wurde. Dennis Potter, selbst an Psoriasis erkrankt, war der Genuss der Kinoversion allerdings nicht mehr vergönnt: Er starb 1994 und das Drehbuch gelangte erst über Umwege zu Gibson. Doch auch wenn es Potter spürbar versucht hat, ein immer noch flüssiges und in sich logisches Handlungsgerüst aufrechtzuerhalten, die Nachteile einer gestauchten Kinofassung konnte auch er nicht kaschieren. Es bleibt einfach zu wenig Zeit, um seinem Figuren- und Ideenreichtum gerecht zu werden.
"The Singing Detective" mutet dabei wie eine schwächelnde Mischung aus Lynchs "Mulholland Drive" und Kaufmans "Adaptation" an. So wird der Zuschauer mit scheinbar zusammenhanglosen Szenen konfrontiert, deren Sinn und Bedeutung ihm vorerst verborgen bleiben. Leider kann Regisseur Keith Gordon aber den durchaus einfallsreichen Puzzleteilen nur begrenzt Zeit einräumen. Der Film dreht sich so gewissermaßen selbst einen Strick, in dem er den Zuschauer mit interessanten Situationen konfrontiert, kurz darauf aber gleich wieder entreißt. So lassen sich zwar die 415 Minuten der Serie in 109 Minuten Film packen, eine gehörige Portion Komplexität bleibt dabei aber leider auf der Strecke.

Das Erstaunliche jedoch ist, dass die meisten dieser Szenen den Zuschauer trotzdem immer noch bei Laune halten können. Zu stark ist die Kraft von Potters Phantasiewelt, seiner interessanten Charaktere, doppeldeutigen Dialoge und einfallsreichen Story-Wendungen. Dazu noch die stimmige Inszenierung, bei der insbesondere die Ausflüge in die Welt des Film Noir eine Augenweide sind. Dunkle Gassen und harte Schatten, die Femme Fatale und der einsame Detektiv, Freunde des Film Noir kommen voll auf ihre Kosten. Noch dazu bei dieser erlesenen Besetzung.
Alleine die Nebendarsteller lassen mit der Zunge schnalzen. Robin Wright Penn, Jeremy Northam, Katie Holmes und Adrien Brody. Wohl dem, der bei einem solchen Projekt mit einer derartigen "zweiten Garde" aufwarten kann. Glücklicherweise sind all diese in der Lage, auch mit kurzer Leinwandzeit relativ große Wirkung zu erzielen. Robin Wright Penn liefert sich mit Robert Downey Jr. intensive Wortgefechte, Jeremy Northam gibt gekonnt den Bösewicht. Adrien Brody zeigt dagegen unerwartet komödiantische Talente, auch wenn ein paar Szenen etwas zu stark in den Slapstick-Bereich abrutschen. Und die sympathische Katie Holmes sorgt zusammen mit Downey für den besten Lacher des Filmes. Bei Mel Gibson braucht der Zuschauer dagegen seine Zeit, bis er den "Leading-Actor" in seiner unscheinbaren Rolle akzeptiert. Mitschuld trifft hier aber auch die deutsche Synchronisation, die Gibson weiter seinen süffisant-machohaften Tonfall gönnt. Gegen Ende gewinnt man dessen Alter Ego dann aber doch richtiggehend lieb und die kleine Tanzeinlage mit Downey avanciert zur bewegendsten Szene des Filmes (im wahrsten Sinne des Wortes).
Der Star des Filmes ist aber unzweifelhaft Robert Downey Jr., der seinen Ruf als herausragender Charakter-Darsteller eindrucksvoll untermauert. Die Parallelen zur eigenen Lebensgeschichte mögen Downey die Darstellung des Dan erleichtert haben, oder haben sie vielleicht zu einer noch größeren Herausforderung gemacht. Fakt ist, Downey spielt den ganzen Film über am obersten Limit, was bei den vielen Wechseln zwischen Wahnsinn und Normalität gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Ob Downey singt oder tanzt, einen knallharten Detektiv oder den entstellten Wahnsinn verkörpert, jeder Anzug scheint für ihn wie maßgeschneidert.

So liegt es nicht an den Darstellern, dass "The Singing Detective" der Zutritt zum Film-Olymp verwehrt wird. Neben der Straffung des Inhalts ist dafür auch die letztendliche Zusammensetzung des Puzzles verantwortlich. Denn dessen Lösung macht dann doch deutlich weniger Freude als beim Kollegen Lynch. So bekommt der Zuschauer mit dem Grund für Dans zerrüttetes Weltbild bereits frühzeitig ein großes Puzzlestück geliefert. Die fehlenden Teile sind schnell ergänzt und das raubt den noch ausstehenden Szenen natürlich etwas an Faszination und Kraft. Völlig unnötig auch, dass Dan gegen Ende die Auflösung in Form eines Monologs noch einmal artig zusammenfasst.
So lässt sich "The Singing Detective" am ehesten als eine Art "Lynch light" beschreiben. Ein starkes Ensemble und eine faszinierende Grundidee werden durch ein leider zu knapp bemessenes Zeitkorsett gehetzt, dass den Zuschauer letztendlich nicht wirklich fordert, trotzdem aber einen immer noch interessanten Zeitvertreib abgibt. Dass dies einem Film gelingt, der im Wesentlichen auf dem Hass seiner Hauptfigur gegen die Mitmenschen beruht, birgt schon ein klein wenig Ironie in sich.

Bilder: Copyright

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