Es gibt Filme, die einen dazu bringen sich viel zu alt zu fühlen, und dass obwohl die Leinwandfiguren genauso alt sind wie der Betrachter. Auf der anderen Seite gibt es Filme, die es auf wundersame Weise schaffen, dass die Kraft der Jugend wieder durch einen fließt. Edgar Wrights "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" gehört definitiv zur letzten Sorte. Wright ("Hot Fuzz", "Shaun of the Dead") verfilmt mit dieser etwas anderen Coming-of-age-Geschichte die Scott-Pilgrim-Comicserie von Bryan Lee O'Malley.
Scott (Michael Cera) ist 23 Jahre alt, Frontmann der Rock-Kombo Sex Bom-omb, wohnt in Toronto zusammen mit einem skurrilen schwulen Mitbewohner (Kieran Culkin) und ist zudem ständig in die falsche Frau verliebt. Und gerade letzteres schlägt dem stets selbstbewussten Scott äußerst tief aufs Gemüt. Obwohl er gerade mit einem Mädchen ausgeht, verliebt er sich auf einer Party in die geheimnisvolle Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead), die wöchentlich ihre Haarfarbe ändert. Kurzum: Scott hat es ganz schwer erwischt. Um das Dilemma komplett zu machen, tauchen plötzlich Ramonas sieben Ex-Freunde auf und fordern Scott zu einem harten Kampf um ihr Herz heraus.
Und Kampf ist hier nicht rhetorisch gemeint, sondern sehr plastisch. Die Jungs kicken, fliegen durch die Luft, werden durch massive Mauern geschleudert und zücken schon mal ihre Schwerter - und das alles zu einem furiosen Soundtrack, der an alte Arcade-Computerspiele erinnert. Darin liegt nämlich der ästhetische Reiz von "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt". Der Film spielt eigentlich in zwei Welten. Die eine soll das heutige Toronto sein. In einem der vielen amüsanten Gespräche mit seinem dandyhaften Mitbewohner erwähnt Scott ernsthaft-verwundert: "Was? In Toronto werden Filme gedreht?". Ein herrlicher Gag, wenn man bedenkt, dass Kanada schon längst die billigere Alternative für viele amerikanische Filmemacher geworden ist, wenn es um gute und erschwingliche Drehorte geht. Edgar Wright zeigt allerdings nicht das touristische Toronto, sondern inszeniert die Stadt als fast völlig aus dem Raum und der Zeit gefallenen Ort. Immer wieder bewegt sich die Kamera von links nach rechts (oder umgekehrt) durchs Bild und durchschreitet schneebedeckte Spielplätze, enge Gassen, oder auch übervolle Szeneclubs.
Die andere Welt, in der sich der Film gerne und lange aufhält, ist die Welt des Computerspiels. Es knallt, zischt und klimpert fast überall, wenn Scott sich gegen die sieben Ex-Freunde seiner Herzdame erwehren muss. Das ist an Ironie kaum zu überbieten. Da werden Superhelden auf die Schippe genommen und Töne wie "Wuuuuusch" oder "Riiiiiing" rasen als weiße Comiclettern durchs Bild. Scott muss die Ex-Freunde - wie Endgegner in einem Computerspiel - einen nach dem anderen besiegen, um sich am Ende dem letzen (hervorragend: Jason Schwartzman) zu stellen. Der Finalkampf mutiert dann auch zum absoluten Höhepunkt des Films.
Natürlich macht der Film besonders viel Spaß, wenn man die Vorlagen kennt und/oder wenn man die ganzen Seitenhiebe auf das Musik-, Comic- und Filmbusiness auf Anhieb versteht. Allerdings werden auch die Nichteingeweihten ihren Spaß mit diesem Spielfilm haben. Das liegt auch an den hervorragenden Schauspielern. Allen voran Michael Cera, der sich schon in "Juno" und "Superbad" hervortat. Eines seiner Talente ist sein Aussehen. Cera ist so etwas wie die fleischgewordene Unschuld. Den 23-Jährigen kauft man ihm hier zunächst nicht ab (Cera ist tatsächlich 22, wirkt aber eben immer noch wie ein Teenager). Allerdings erkennt man schnell, dass es den Machern wohl genau darum ging. Denn Ceras Verkörperung von Scott Pilgrim bietet damit die ideale Spiegelfläche für den Zuschauer. Neben Kieran Culkin und Jason Schwartzman verdient vor allem Mary Elizabeth Winstead besondere Erwähnung. Ihr feenhafter Auftritt erinnert an den verträumt-verrückten Charakter, den Kate Winslet in Michel Gondrys "Vergiss mein nicht" gespielt hat. Frau Winstead sollte man definitiv im Auge behalten.
Doch das Beeindruckendste an "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" ist der zutiefst ehrliche Ton, in dem er seine Coming-of-Age-Geschichte erzählt. Dass man diesen Kern, trotz des vergnüglichen Effektgewitters nie aus den Augen verliert, ist die wahre Errungenschaft dieses herrlichen Films.
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