
Es gibt tatsächlich immer noch Schauplätze, die man nicht schon Dutzende Male im Kino gesehen hat und die trotzdem eine ganz besondere Ausstrahlung besitzen: Die Insel Neufundland vor der Ostküste Kanadas ist so ein Ort, und hierhin verschlägt es Quoyle (Kevin Spacey), dem in seinem Leben bisher nicht allzu viel Gutes widerfahren ist: Seine von ihm abgöttisch geliebte Frau Petal (Cate Blanchett) behandelt ihn wie den letzten Dreck, seine Tochter Bunny hält ihn für einen Waschlappen und sein tägliches Brot verdient er als einfacher Drucker in lauter und häßlicher Umgebung. Als Petal ihn schließlich verlässt und kurz darauf bei einem Autounfall stirbt, lässt Quoyle sich von seiner resoluten Tante Agnis (Judi Dench) dazu überreden, in die Heimat ihrer Eltern und Vorfahren zurückzukehren, um ein neues Leben zu beginnen. Doch auch in Neufundland holen ihn die dunklen Schatten der Vergangenheit wieder ein: Nicht nur sein dominanter Vater - dessen Erziehungsmethoden zu einem Großteil für Quoyles mangelndes Selbstbewusstsein verantwortlich sind - hatte einige dunkle Punkte auf seiner bürgerlichen Weste, sondern die gesamte Familie Quoyle hat sich in früheren Zeiten ihren schlechten Ruf anscheinend redlich verdient. Stück für Stück kommt Quoyle den dunklen Geheimnissen auf die Spur und gelangt an einen Punkt, an dem er sich entschließen muss, sein Leben endlich einmal selbst in die Hand zu nehmen. Mut macht ihm dabei sein neuer Job als "Reporter für Schiffsbewegungen" des örtlichen Lokalblattes und die Bekanntschaft mit der allein erziehenden Mutter Wavey (Julianne Moore), die aber ebenfalls einiges zu verbergen scheint.
Regisseur und Besetzung von "Schiffsmeldungen" sorgen für eine außerordentlich hohe Erwartungshaltung, die das neue Werk von Lasse Hallström leider nur bedingt erfüllen kann. Hinter seinem bezaubernden letztjährigen Werk "Chocolat" bleibt Hallströms neuer Film jedenfalls deutlich zurück. Das ist schade, denn sowohl die erfolgreiche Romanvorlage von E. Annie Proulx als auch die Garde der hier versammelten erstklassigen Schauspieler ließen doch auf mehr hoffen. Aber es macht nie richtig "klick" bei "Schiffsmeldungen", denn zu behäbig und auch distanziert wird uns die Leidensgeschichte des Losers Quayle präsentiert.
Dabei liegt es sicher am wenigsten an den Schauspielern, dass der Zuschauer nur ein begrenztes Interesse für die von ihnen verkörperten Charaktere aufbringen kann. Kevin Spacey hat hier einmal eine ganz andere Rolle als die oftmals charismatischen Figuren die er sonst vorwiegend verkörpert. Als verschüchterter Quayle muss er sich sehr zurücknehmen und ist zu einer Passivität verurteilt, die es ihm kaum erlaubt mit seinem Körper oder Gesten zu agieren. Erwartungsgemäß meistert Spacey aber auch diese Aufgabe mit Bravour und unterstreicht seine Stellung als einer der besten Schauspieler, die es momentan im Kino zu sehen gibt. Die herbe Ausstrahlung von Julianne Moore passt eigentlich auch perfekt in die karge Küstenlandschaft und die zur Zeit omnipräsente Cate Blanchett beweist als aufgedonnerte Schlampe Petal erneut ihre Wandlungsfähigkeit.
Verantwortlich für die geringe Wirkung all dieser Figuren auf das Publikum ist in erster Linie die Tatsache, dass sich deren Konflikte meist eher still im Inneren abspielen und bis kurz vor Schluss des Films weitgehend unterdrückt werden. Dies funktioniert in der Welt des Romans nun einmal deutlich besser als im Kino, denn dort gibt es einfach deutlich mehr Möglichkeiten, diese inneren Vorgänge und Gefühle einfach nur durch entsprechende Beschreibungen deutlich zu machen. Schauspieler, die nichts sagen und sich kaum bewegen, können schwerlich so etwas wie menschliche Wärme vermitteln, die den Zuschauer bewegt. Zumal die geballte Ansammlung an von harten Schicksalsschlägen gebeutelten Figuren auf Dauer auch nur recht schwer erträglich ist.
Dabei hat "Schiffsmeldungen" durchaus seine Stärken, nur liegen die leider anderswo als in der eigentlich zentralen Entwicklung der Charaktere. So sorgen die - in düsteren Rückblenden präsentierten - abgründigen Taten der Plündererfamilie Quoyle sogar für Schaudern und die mit trockenem Witz verfassten Schiffsmeldungen des Sensationsreporters wider Willen immer wieder für ein Schmunzeln. Es ist eigentlich auch nichts wirklich und handfest "falsch" mit "Schiffsmeldungen", doch scheitert Lasse Hallström diesmal eben auf sehr hohem Niveau. Denn trotz aller Bemühungen der Beteiligten bleibt man als Betrachter der diversen Leidensgeschichten seltsam unberührt. Und das ist, wie gesagt, ziemlich schade für einen Film dem so eine Ansammlung an Talent zur Verfügung stand.
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