Eines der besten Argumente, sich öfter mal auf dem
europäischen
Markt nach Alternativen zur Kinokost aus den USA
umzusehen, ist
der Franzose Francis Veber. Denn wenn es darum geht, das
Publikum
nach allen Regeln der Kunst zum Schlapplachen zu bewegen,
macht
diesem Veteranen des Comedy-Fachs kaum ein Amerikaner
etwas vor.
Seit fast dreißig Jahren erfreut Veber als Drehbuchautor
und
Regisseur unsere Zwerchfelle mit Klassikern wie dem
Pierre-Richard-Nonsens
"Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" oder
dem Transvestiten-Kultstreifen "Ein Käfig voller Narren"
(der später als "The Birdcage" ein US-Remake mit
Robin Williams erfuhr), und bewies 2001 mit seinem
brillanten "Dinner
für Spinner" ein weiteres Mal sein unnachahmliches Talent
für schnellen, gewitzten Klamauk.
Vebers
Erfolgsgeheimnis beruht in hohem Maße auf seinem
sympathischen
Umgang mit ewigen Witzfiguren: Loser und Idioten sind die
tragischen,
aber auch die wahren Helden in Vebers Filmen. Sie richten
mit besten
Absichten das größte Chaos an, führen die anderen
Protagonisten zielsicher vom Regen in die Traufe, und sind
am Ende
doch die einzigen, die den Weg in die Herzen der Zuschauer
finden.
Sein Lieblingskonzept vom natural born Trottel, den man
nicht wieder
los wird, exerziert Veber auch in seinem neuesten Streifen
par exellence
durch, meisterhaft unterstützt von zwei der größten
Charakterköpfe des französischen Kinos: Jean Reno und
Gérard Depardieu.
Reno
darf hier augenzwinkernd sein Image als schweigsamer
Krimineller
auskosten in der Rolle des Ruby, der eine Affäre mit der
Frau
seines Bosses, dem Obergangster Vogel, anfing und diesen
dann um
zwanzig Millionen erleichterte, als der eifersüchtige
Vogel
seine Gattin kurzerhand liquidierte. Im Knast versucht die
Polizei
nun, aus Ruby Hinweise auf seinen ehemaligen Boss heraus
zu bekommen,
doch Ruby schweigt eisern, starrt nur an die Wand und
zeigt nicht
die klitzekleinste Bewegung. Da hilft als
Auflockerungsmittel nur
noch einer. Quentin (Depardieu), ein Kleinkrimineller mit
bemerkenswert
schlichtem Gemüt und enormem Nervensägen-Potential, der
mit seiner redseligen Kommunikationsfreude in zwei Wochen
bereits
fünf Zellengenossen in den Wahnsinn getrieben hat. Im
Gegensatz
zu Quentins früheren "Mitbewohnern" wird Ruby nicht
nach wenigen Minuten handgreiflich, sondern bleibt stoisch
sitzen
- was der angesichts eines willigen Zuhörers begeisterte
Quentin
als Zeichen der Freundschaft fehl interpretiert. Von nun
an weicht
er Ruby ebenso treu wie hartnäckig nicht mehr von der
Seite,
und bringt so nicht nur den bald anstehenden
Fluchtversuch, sondern
auch den Rachefeldzug gegen Vogel und seine Mannen mächtig
durcheinander.
Auch
nur eine der absurd-komischen Situationen wiederzugeben,
die sich
dabei entwickeln, wäre ein verschärfter Fall von
Spielverderberei,
denn keiner der zahllosen, grandiosen Gags sollte im
Vornherein
für den ahnungslosen Zuschauer versaut werden -
schließlich
ist selbst der beste Witz beim zweiten Mal nur noch halb
so lustig.
Der höhere Blödsinn, den Francis Veber hier mithilfe
seines
grandios aufspielenden Hauptdarsteller-Duos zelebriert,
ist über
weite Strecken aber ohnehin so unglaublich, dass man es
wirklich
selbst gesehen haben muss. Wie Veber reihenweise völlig
absurde
Situationen miteinander verbindet, als wäre es das
Natürlichste
der Welt, und dabei ein konstantes Tempo hält, auf das
jeder
Actionfilm stolz sein könnte - das ist wahrlich Comedy aus
dem Lehrbuch, die man jedem uninspirierten
Gag-Schreiberling aus
Hollywood als Pflichtlektüre auf den Schreibtisch knallen
sollte.
Denn während man in den USA oftmals immer noch an den
"American
Pie"-Nachwehen leidet und sich mit vulgären Scherzen zu
überbieten versucht, deren steigender Ekelfaktor kaum die
gleichermaßen
steigende Ideenlosigkeit zu kaschieren vermag, ist das
vulgärste
Utensil, das sich Veber hier erlaubt, ein unschuldiges
Furzkissen
- und damit ist er trotzdem noch hundertmal komischer als
die Konkurrenz
aus Übersee.
Dem
grandiosen Komik-Talent des Maestros hinter der Kamera
stehen die
beiden Helden davor indes in nichts nach, deren völlig
gegensätzliche
Figuren in formvollendeter Leinwand-Chemie harmonieren:
Jean Reno
verwandelt mit seiner minimalistischen Gestik selbst das
kleinste
Augenrollen in einen Brüller, und Depardieu als strohdoofe
Quasselstrippe Quentin ist nichts weniger als der
brillanteste Comedy-Charakter
der jüngeren Kinogeschichte: Ein seliger Tor mit
ebensoviel
Energie wie fehlgeleiteter Gutmütigkeit, unberechenbar wie
ein Rodeopferd und nicht selten mit ähnlichem
Zerstörungspotential.
Schnell, schnörkellos, geistreich, saukomisch und immer
wieder
überraschend: Sucht man nach einer nahezu perfekten
Slapstick-Komödie,
ist man bei "Ruby & Quentin" genau an der richtigen
Adresse. Bis auf einen klitzekleinen Hänger gegen Ende,
als
es für kurze Zeit unnötig rührselig wird, hat Veber
hier in der Tat einen absoluten Comedy-Geniestreich
hingelegt. Da
mag der genervte Ruby seinem ewigen Begleiter noch so oft
das originaltitelgebende
"Tais toi!" ("Halt die Klappe!") an den Kopf
werfen: Sobald Quentin den Mund aufmacht, lacht das Herz,
und das
Zwerchfell bebt. Selig seien die Vollidioten.
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