Schon die Handlung lässt in ihrer Nicht-Existenz
jeden
"American Pie"-Ableger wie ein Shakespearesches
Drama erscheinen: Ein paar Jahre in der Zukunft
lässt
sich der Beinahe-Eishockey-Profi Jonathan Cross
(Chris Klein)
von seinem besten Kumpel Marcus (LL Cool J) dazu
überreden,
seine Mannschaft im neuen Trendsport Rollerball zu
verstärken.
Diese vollkommen als Medienereignis hochgezogene
Show findet
in der Einöde Zentralasiens statt (Uzbekistan, so
die
Ecke). Wieso ist absolut nicht ersichtlich, aber
immerhin
ist diese Lokalität eine willkommene Ausrede für
eine höchstpeinliche Volksaufstand-Parabel gegen
Ende
(die einzige Gelegenheit, bei der sich dieses Remake
dem
sozialkritischen Kontext des Originals von 1975
nähert).
Dass dieses aus Motorradfahrern und Rollschuhläufern
auf einem acht-förmigen Spielfeld bestehende
Spektakel
rational betrachtet nur in Amerika entstehen könnte
wird
vom Drehbuch geflissentlich ignoriert. Und so kann
eines der
Hauptanliegen des skrupellosen Liga-Bosses Alexi
(Jean Reno)
auch der Abschluss eines Vertrags mit dem
amerikanischen Kabelfernsehen
sein - auch wenn genau diese Sendeanstalten eine
Nummer wie
Rollerball selber erfinden würden. Alexi ist
jedenfalls
jedes Mittel Recht, um seine Einschaltquote nach
oben zu treiben,
auch die Inszenierung einiger "Unfälle". Um
deren Effekt für den Filmzuschauer zu verdeutlichen,
prangt immer mal wieder eine formschöne
Digitalanzeige
auf der Leinwand, welche die momentanen globalen
Einschaltquoten
wiedergibt. Kaum spritzt auf dem Spielfeld ein
bisschen Blut,
schon schnellt die Anzeige nach oben - als hätten
die
Fernsehzuschauer das instinktive Gefühl, dass beim
Rollerball
gerade was passiert ist, und sie daher umschalten
müssen.
Herr, lass Hirn von Himmel regnen.
Zwischen den ohne jeden Esprit inszenierten
Spielszenen geht
es dann darum, den üblen Machenschaften Alexis ein
Ende
zu setzen, wozu natürlich nur unser amerikanischer
Held
im Stande ist. Ohne jegliche Motivierung wird dann
auch noch
eine Möchtegern-Love Story zwischen Jonathan und
seiner
holländischen Teamkollegin Aurora (Supermodel
Rebecca
Romijn-Stamos) eingeworfen, die dem Zuschauer
genauso als
vollendete Tatsache vorgesetzt wird wie alles andere
in diesem
Film. Erläuterung, Erklärung, Hintergründe?
Keine
Spur. Was passiert, passiert, manchmal weiß man noch
nicht mal wieso, weil die Überleitung fehlt, ist
aber
auch egal, es gibt schließlich noch viel mehr, dass
hier Grund zur Aufregung bietet.
Die Figuren - speziell die Rollen von Jean Reno und
LL Cool
J - sind so hemmungslos überzeichnete Karikaturen
gängiger
Klischees, dass man sich gleich jegliche
Charakterformung
gespart hat. So kann dann auch keiner behaupten,
hier wäre
was nicht stimmig. Chris Klein ist schlichtweg
fehlbesetzt:
Mit seiner paradoxen Mischung aus Kantenkörper und
Knuddelbär-Visage
war er perfekt für seine Rollen in "American Pie"
und "Election", hier wirkt er hingegen nur noch
lächerlich, wenn er sein bemüht-aggressives "Jetzt
gibt's Saueres"-Gesicht aufsetzt. Der beste Witz ist
indes Aurora, eine Figur, die sich laut Drehbuch
aufgrund
einer wenige Zentimeter langen Narbe unterm linken
Auge ihres
Aussehens schämt - diese dann mit einem
Bilderbuch-Body
wie Rebecca Romijn-Stamos zu besetzen zeugt von gar
außergewöhnlichem
Geschick.
Kann man für die erbärmliche Handlungsführung
noch die Autoren und für die konzeptlos
zusammengeschnipselten
Actionszenen den Cutter verantwortlich machen,
blamiert sich
John McTiernan - immerhin Schöpfer des
Genre-Meilensteins
"Stirb langsam" - bis auf die Knochen mit einer
nächtlichen Verfolgungsjagd, für die er der Kamera
ohne jeglichen Grund einen dicken Grünfilter
übergestülpt
hat. Das Endergebnis wirkt wie durch ein
Nachtsicht-Gerät
betrachtet, entzieht der Sequenz die Bildschärfe,
sorgt
für verwirrende Lichtblendungen, und tötet so
jeglichen
Ansatz von Dynamik oder Action. Man sucht im
Mainstream-Kino
lange nach solch enormen Regiefehlern, dass sie
ausgerechnet
einem Veteranen wie McTiernan unterlaufen ist ein
deutliches
Omen für die Gesamtqualität dieses Machwerks.
Wer
übrigens wissen will, was es mit dem Spiel
Rollerball
eigentlich auf sich hat: Es hat irgendwas mit durch
die Gegend
rollen und einen Metallball gegen eine Scheibe
schmeißen
zu tun, ist aber letztendlich auch egal, weil man
als Zuschauer
ohnehin völlig im Dunkeln darüber bleibt, was im
Spiel genau vorgeht, geschweige denn, wann es zu
Ende ist
und wieso. Von Bedeutung ist lediglich das extrem
rüde
Spielverhalten aller Beteiligten, und wenn Alexi
fürs
letzte Spiel im Film alle Regeln außer Kraft setzt,
fragt man sich höchstens "Welche Regeln?".
Die heftigen körperlichen Attacken bleiben in ihrer
Darstellung
übrigens zumeist genauso blutlos wie die
entscheidenden
Körperteile der weiblichen Spieler in den
gemeinsamen
Umkleidekabinen verdeckt bleiben. Sonst wäre ja die
Altersfreigabe
ab zwölf gefährdet.
Eine Liste der Fehlleistungen und des handwerklichen Versagens bei der Produktion von "Rollerball" ließe sich lange, lange weiterführen. In der Tat muss man sehr angestrengt suchen, wenn man unter den Hollywood-Produktionen der letzten Monate (wenn nicht Jahre) etwas finden will, dass so dermaßen versaubeutelt wurde. Wo Komödien wie "Tomcats" oder "Der verrückte Professor 2" cineastischen Bodensatz bilden, weil sie ganz bewusst in die Kanalisation des guten Geschmacks hinabsteigen in dem Irrglauben, das wäre komisch, ist "Rollerball" in allen Belangen einfach nur Filmemachen allerunterster Kajüte. Ein vollständig misslungenes, chaotisches Durcheinander.
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