Ricki - Wie Familie so ist

Originaltitel
Rikki And the Flash
Land
Jahr
2015
Laufzeit
99 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 2. September 2015

ricki 1Ihr Traum vom großen Ruhm und Rockstar-Dasein hat sich nie erfüllt, doch noch immer tingelt Ricki (Meryl Streep) mit ihrer Band „The Flash“ durch die Gegend oder spielt in ihrem Stamm-Club vor einer Handvoll immergleicher Zuhörer. Mit ihrem Gitarristen Greg (Rick Springfield) führt sie eine unverbindliche Beziehung und weil das mit der Musik verdiente Geld zum Leben nicht reicht, steht sie am Tage an der Supermarkt-Kasse, wo ihr das verlangte Dauerlächeln gegenüber den Kunden sichtlich schwer fällt. Mit ihrer Familie hat sie so gut wie keinen Kontakt mehr, doch als eines Tages ihr Ex-Ehemann Pete (Kevin Kline) anruft, bietet sich die Gelegenheit Einiges geradezurücken. Denn der kommt mit der gemeinsamen, gerade von ihrem Mann verlassenen Tochter Julie (Mamie Gummer) nicht weiter und bittet daher Ricki um Hilfe. Trotz eines zunächst eher zurückhaltenden Empfangs macht die depressive Julie unter der Einwirkung ihrer Mutter erkennbare Fortschritte, doch lassen sie dafür ihre beiden Söhne sowie Petes zweite Ehefrau Maureen (Audra McDonald) spüren, dass Ricki in deren aktuellem Leben nicht wirklich willkommen ist. Frustriert flüchtet sich Rckki erneut in ihren nur scheinbar heilen Musiker-Alltag, doch noch ist das letzte Wort in Sachen Familienzusammenführung nicht gesprochen.
 

ricki 2Man hat tatsächlich noch eine neue Charakterrolle und einen „Typus“ gefunden, den Meryl Streep noch nicht gespielt hat. Jedenfalls nicht so richtig ausführlich und dramatisch, denn als alternde Musikerin bewies die Streep ja schon in Robert Altmans wunderschönem Schwanengesang „A Prairie Home Companion“, dass sie musikalisch so Einiges drauf hat. In „Ricki“ gibt es nun aber das komplette Paket aus Emotionen, Tränen, schwarzem Humor und ein bisschen Musik. Das Ergebnis ist allerdings ziemlich ernüchternd, denn hier gibt es nichts zu sehen, was in der Sparte Familiendrama aus Hollywood nicht schon vielfach abgehandelt wurde, und dazu ist die gesamte Handlung auch noch von einer derartigen Vorhersehbarkeit, dass man es kaum glauben mag.

Die Verblüffung im negativen Sinne beruht vor allem darauf, dass hier ja nicht nur vor sondern vor allem auch hinter der Kamera Namen beteiligt sind, bei denen man eigentlich Überdurchschnittliches, wenn nicht gar Großes erwarten könnte. Regisseur Jonathan Demme lieferte zuletzt mit „Rachels Hochzeit“ ein feinfühliges Frauenportrait ab und zeichnet verantwortlich für solche Klassiker wie „Das Schweigen der Lämmer“ und „Philadelphia“. Drehbuchautorin Diablo Cody enterte vor ein paar Jahren mit ihrem Skript zu „Juno“ die Szene und legte dann mit dem bitter-süßen „Young Adult“ schon einmal eine starke Geschichte über Lebenslügen vor. Doch bei ihrem gemeinsamen Projekt wirkt es fast so, als hätten die Beiden sich soweit gegenseitig neutralisiert, dass am Ende nur ein fauler Kompromiss und ein erstaunlich konventionelles Stück Mainstream-Kino herausgekommen ist.

ricki 3Natürlich machen die  versammelten Darsteller ihre Sache ausgezeichnet, verleiht Kevin Kline dem im Grunde nur „netten“ und nicht wirklich biederen Familienvater eine fühlbare Wärme. Dazu erhält Meryl Streeps Real Life- Tochter Mamie Gunner die Gelegenheit aus ihrer gebeutelten Filmfigur Einiges herauszuholen und mit ihrer schonungslosen Offenheit für die am meisten berührendsten (weil gleichzeitig auch bittersten und peinlichsten) Momente zu sorgen. Und über allem thront natürlich Frau Streep, bei der lediglich ihr etwas zu klischeehaftes Rocker-Outfit leicht an der Glaubwürdigkeit ihrer Figur kratzt. Aber wirklich gefordert wird auch sie in diesem Film nicht und spult die Lebenslüge einer Frau, die ein paar grundsätzlich falsche Entscheidungen in ihrem Leben getroffen hat, mit nicht viel mehr als angelernter Routine ab.

ricki 4Denn hey, dieser Film vermittelt eine revolutionäre Erkenntnis: Es ist nie wirklich zu spät alles ins Lot zu bringen, die äußeren Feindseligkeiten und verbalen Bosheiten verbergen stets nur die nicht eingestandene Sehnsucht nach Zuneigung und Anerkennung und im Kern haben sich doch alle lieb (und tanzen am Ende dann auch zur gleichen Musik). Selbst wenn anscheinend sämtliche Bekannten aus der Lebenswelt von Ex-Ehegatte Pete einen Stock im Arsch haben, während die Bandkollegen und Theken-Wesen rund um Ricki eher aus der Schublade „liebenswerte Loser mit goldenem Herzen“ entnommen wurden. Dazu das anfängliche Entsetzen wenn der eigene Sohn – oh Gott! – homosexuell ist und die große Überraschung, dass die neue Mutti im Leben der Kinder ihre Vorgängerin lieber auf Distanz halten möchte. Alles ganz klassisch und dabei leider so uninspiriert und einfallslos abgespult, dass es schwer fällt die Aufmerksamkeit hoch zu halten. So betrachtet liefert dann auch der deutsche Untertitel "Wie Familie so ist" in seiner lapidaren Beiläufigkeit einen deutlichen Hinweis auf das ab, was es hier zu sehen gibt - nämlich all da,s was man sowieso schon kennt.

Die Musik immerhin, die ist stets von gehobener Klasse, wenn sie gespielt wird – was leider viel zu selten vorkommt. Denn Meryl Streep kann singen und die Entscheidung, ihr die 80er Jahre Rock-Ikone Rick Springfield für die Band an die Seite zu stellen, erweist sich als cleverer Schachzug. Als so ziemlich der einzige allerdings, denn der Rest ist zwar nicht wirklich schlecht, aber halt auch absolut nichts Besonderes. Mag sein, dass die Academy Meryl Streep auch dafür in ein paar Monaten mit ihrer dann 20. Oscar-Nominierung würdigt. Doch das dürfte dann nur aus der Macht der Gewohnheit geschehen, denn weder die Rolle noch der Film an sich rechtfertigen diesmal eine derartige Aufmerksamkeit.

Bilder: Copyright

Nicht zu vergessen, der immer schlimmer werdende Hollywood-Jugendwahn.

Auf dem Plakat sieht sie aus wie 40 und im Film überlegt man, ob sie ihre
Tochter mit 12 bekommen hat...

Permalink

5
5/10

Gerade im Flugzeug gesehen.
Ist halt ein relativ typischer Feelgood-Film.
Positiv vermerken würde ich schon dass man sich hier in das Territorium "Harmonie in der Patchwork-Familie" wagt, dass ja sonst oft eher vermieden wird.

Ich bin ja sonst ein totaler Meryl Streep Fan, aber dieses mal kommt ihre Figur leider wenig glaubwürdig rüber.
Sie schwankt dauernd zwischen einer "Rockdiva-Persönlchkeit", besonders wenn sie mit Pete intergiert, dann irgendwie die leicht abgewrackt/zugedröhnte Rockschlampe, dann die vom Leben und endlosem Pech gezeichnete Frau Ende 40, politisch dann doch konservativ...
Wenn man einzelne Momente für sich betrachtet macht sie mal wieder schauspielerisch tolle Sachen, nur insgesamt wird man nie richtig schlau daraus.

Einen Vorteil haben die ganzen Gemeinplätze die der Film austauscht sicherlich – dass viele Menschen irgendwas dabei finden mit dem sie sich identifizieren können.

Also, definitiv kein Meisterwerk, aber ich fand es von der Komplexität der Geschichte her und in der Art wie das Publikum zu den Plot-Points geführt wird bei denen sich manchmal alles um 180 Grad umdreht immerhin einen deutlichen Schritt über z.B. "Rosamunde Pilcher".

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.